Erforderliche Krankenbehandlung oder Lifestyle OP?

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Gem. § 27 SGB V haben Versicherte in der GKV Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern.

Soweit der Gesetzestext. Was ist eine Krankheit?

Bisher war das relativ klar. "Eine Krankheit im Rechtssinne ist ein regelwidriger, vom Leitbild des gesunden Menschen abweichender Körper- und Geisteszustand, der ärztlicher Behandlung bedarf oder den Betroffenen arbeitsunfähig macht," so kann man es in schöner Regelmäßigkeit in Entscheidungen der Sozialgerichte nachlesen.

Dabei legt die höchstrichterliche Rechtsprechung einen objektiven Krankheitsbegriff zu Grunde. Krankheitswert im Rechtssinne kommt nicht jeder körperlichen Unregelmäßigkeit oder seelischen Abweichung vom Leitbild des gesunden Menschen zu. Erforderlich ist vielmehr, daß der Versicherte in seinen Körperfunktionen beeinträchtigt wird oder, daß er an einer Abweichung vom Regelfall leidet, die entstellend wirkt.

In den letzten Jahren wurde das Verständnis von Krankheit aber immer weiter ausgedehnt. Daher nahmen die Richter des 16. Senates des LSG Niedersachsen-Bremen einen kürzlich entschiedenen Fall zum Anlaß, dieses Bild wieder gerade zu rücken.

Krankheit oder ästhetisches Empfinden?

Die Klägerin (52) hatte sich im Alter von 26 Jahren die Brüste vergrößern lassen. Zu diesem Zweck wurden Kochsalzimplantate implantiert. Als eines der Implantate leckte, suchte sie einen Frauenarzt auf. Anläßlich der Untersuchung diagnostizierte er Brustkrebs. Beide Implantate mußten im Zuge der Krebstherapie entfernt werden.

Zwei Jahre später beantragte sie bei der Krankenkasse erneut eine Brustvergrößerung und begründete dies mit der psychischen Belastung durch die (jetzt) ungleichen Brüste.

Dieses entspräche nicht der Ästhetik des weiblichen Körpers. Das Problem könne mit einem gezielten Eingriff gelöst werden; eine jahrelange Therapie, um dieses psychisch zu verarbeiten, ließe sich so vermeiden. Die weibliche Brust als erotischer Reiz hätte eine tragende Rolle im Rahmen der Sexualität.

Die Kasse lehnte den Antrag ab. Denn es gehe bei den Implantaten um keine krebsbedingte Rekonstruktion. Bei der Operation sei es zu keiner Entfernung der Brustdrüsen gekommen. Es liege auch keine äußerliche Entstellung vor, denn die Brüste seien zwar eher klein, aber zum Körperbild noch passend. Die angebotene Alternative eines Liftings habe die Frau abgelehnt.

Objektiv krank oder subjektiv überempfindlich?

Dieser Ansicht schloßen sich das SG Hildesheim und in zweiter Instanz das LSG Niedersachsen-Bremen an (Entscheidung vom 17.08.2022, L 3 KR 344/21).

Ein Krankheit läge erst dann vor, wenn die Funktionsbeeinträchtigung eines solches Ausmaß erreicht hat, daß eine ärztliche Behandlung erforderlich wird.

Auf das subjektive Empfinden des Betroffenen käme es nicht an. "Eine psychische Belastung der Klägerin aufgrund ihres Erscheinungsbildes rechtfertigt ebenfalls keinen operativen Eingriff auf Kosten der gesetzlichen Krankenversicherung.", so die Richter.

Eine Entstellung liege schon gar nicht vor. Eine solche Auffälligkeit müßte evident- also für jeden sofort ersichtlich -  abstoßend wirken

Auf der einen Seite ist die Entscheidungzu begrüßen, denn der Körperkult treibt angesichts der sozialen Medien immer weitere Blüten. Laut Aussage des Sprechers des LSG waren Streitigkeiten um Lifestyle-OPs eher Ausnahmefälle, mittlerweile gehören sie zum Alltagsgeschäft. Andererseits ist zu befürchten, daß sich jetzt der Ton in den Auseinandersetzungen um z. B. notwendige Brustkorrekturen bei Frauen (Stichwort Brustverkleinerungen) verschärfen wird.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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