Es ist jeder zu ersetzen

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Nach wie vor glauben viele Arbeitnehmer, dass sich ohne sie in der Firma kein Rad dreht. Sie berufen sich darauf, dass sie schon ein halbes Leben lang für das Unternehmen schaffen und deshalb absoluten Kündigungsschutz genießen. Oder, die andere Spezies von „Unkündbaren“ glaubt, sich alles erlauben zu können, nur weil sie praktisch „unter Naturschutz“ stehen.

Aber die These „wer mich kündigen will, der muss erst noch geboren werden“, gehört in die Sparte der Märchen, denn die klassische Unkündbarkeit gibt es de facto nicht.

Es gibt zwei aktuelle Entscheidungen dazu, die sich mit der Kündigung von Arbeitnehmern beschäftigen, die aufgrund ihres Alters und ihrer langen Betriebszugehörigkeit tarifvertraglich nicht mehr ordentlich kündbar sind.

Das LAG Thüringen (23.7.2014, 6 Sa 140/13) und das BAG (20.3.2014, 2 AZR 288/13) haben dazu entschieden.

Im ersten Fall entschied das Gericht zugunsten des Arbeitgebers. Dieser hatte einen Teil seiner Geschäftsbereiche im Rahmen eines Betriebsüberganges an zwei andere Unternehmen übertragen. Ein über 40 Jahre alter Arbeitnehmer, der schon mehr als 15 Jahre für die Firma tätig war, widersprach dem Betriebsübergang und blieb einfach da. Da der Arbeitgeber keine Arbeit mehr für ihn hatte, kündigte er außerordentlich mit sozialer Auslauffrist (entspricht der eigentlich anzuwendenden ordentlichen Kündigungsfrist). Der Mann verlor die Berufung, die Revision zum Bundesarbeitsgericht ist zugelassen. Das LAG hat zu Recht festgestellt, dass ein Arbeitnehmer, der nur noch außerordentlich gekündigt werden kann, dann betriebsbedingt mit sozialer Auslauffrist kündbar ist, wenn es dem Arbeitgeber nicht zugemutet werden kann, das Arbeitsverhältnis bis zu dessen regulärem Ende (Rente) fortzuführen und dafür keinerlei sinnvolle Gegenleistung mehr zu bekommen. Es handele sich zwar nur um eine „ausnahmsweise“ Kündigungsmöglichkeit, jedoch sei vorliegend zugunsten des Arbeitgebers zu entscheiden, der andernfalls einen Arbeitnehmer noch rund 15 Jahre ohne Gegenleistung bezahlen müsste.

Ähnlich gelagert war der Fall in dem das BAG zu entscheiden hatte. Es ging um eine personenbedingte außerordentliche Kündigung mit sozialer Auslauffrist.

Ein Arbeitgeber kündigte einem Mann, der zu 50 Prozent schwerbehindert war. Der Arbeitnehmer hatte neben der Alterssicherung auch noch Kündigungsschutz nach SGB IX. 7 Jahre lang kam er seinem Arbeitgeber immer wieder mit neuen Leiden. Der Arbeitgeber versetzt ihn ständig auf neue Schonplätze. Trotzdem nahmen seine Fehlzeiten nicht ab und er machte immer wieder geltend, dass er die angebotene leidensgerechte Arbeit, die im Zuge von verschiedenen Wiedereingliederungen gefunden wurden, nicht ausüben konnte.

Irgendwann wusste der Arbeitgeber nicht mehr weiter und kündigte im Jahr 2010 außerordentlich mit sozialer Auslauffrist. Das Arbeitsgericht hatte die Klage des Arbeitnehmers abgewiesen. Das LAG hatte ihr stattgegeben. Das BAG jedoch stellte sich auf die Seite des Arbeitgebers und verwies den Fall zurück zum LAG mit der Forderung der Nachrecherche. Das höchste deutsche Arbeitsgericht machte deutlich, dass ein Arbeitsverhältnis ein gegenseitiges Geben und Nehmen ist. Wenn der Leistungsaustausch nicht mehr gegeben ist, kann es keinem Arbeitgeber zugemutet werden, an einem sinnentleerten Arbeitsverhältnis festzuhalten. Er muss kündigen dürfen.

Aus beiden Fällen wird deutlich, dass auch scheinbar unkündbare Arbeitnehmer zu kündigen sind. Man muss nur genau prüfen und sich ggf. Rat beim Anwalt holen.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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