EU-Handelsbeschränkungen und Sanktionen gegen Russland – worauf Unternehmen jetzt achten müssen

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Nach Russlands Angriff auf die Ukraine hat die Europäische Union weitreichende Sanktionen und Handelsbeschränkungen verhängt. Aufgrund der engen Handelsbeziehungen mit Russland ist es für deutsche Unternehmen sehr wichtig zu wissen, worauf in der aktuellen Situation zu achten und wie mit Bestands- und Neuverträgen umzugehen ist.

Überblick über die erlassenen Sanktionen

Die von der EU erlassenen Sanktionen sind vielfältig und umfassen insbesondere Handelsrestriktionen, Maßnahmen mit Bezug auf den Finanzsektor sowie Maßnahmen gegen Personen und Körperschaften.

1. Handelsbeschränkungen

Im Rahmen der Handelsbeschränkungen wurden Ausfuhrverbote für Dual-Use-Güter (Ware, Software und Technologie) erlassen. Weiterhin bestehen Exportverbote für zahlreiche Hightech Produkte wie z.B. allgemeine Elektronik, Rechner, Telekommunikation, Informationssicherheit, Sensoren und Laser, Navigatoren und Luftfahrtelektronik. Gleiches gilt für Güter mit der Verwendung in der Ölraffinieren. Ebenso verboten ist die Ausfuhr von Gütern der Luftfahrt.

Überdies gilt für alle von den vorgenannten Ausfuhrverboten betroffenen Gütern ein entsprechendes Verbot zur Bereitstellung von technischer Unterstützung, Vermittlungsdiensten oder anderen Dienstleistungen.

Zusätzlich wurde der Import von Waren mit Ursprung in den nicht von der ukrainischen Regierung kontrollierten Gebieten Donezk und Luhansk untersagt. Eskortierend ist es verboten, unmittelbar oder mittelbar Finanzmittel oder Finanzhilfen sowie Versicherungen und Rückversicherungen für den Import dieser Güter bereitzustellen.

Auch ist die Erbringung von Dienstleistungen in Zusammenhang mit Tourismusaktivitäten in den besetzten Gebieten untersagt.

2. Finanzmarktbezogene Beschränkungen

Durch die finanzmarktbezogenen Beschränkungen werden zahlreiche russische Banken (Bank Otkritie, Novikombank, Promsvyazbank, Rossiya Bank, Sovcombank, Vnesheconombank (VEB), VTB Bank) vom Bankenkommunikationssytem SWIFT ausgeschlossen. Hierdurch werden die betroffenen Kreditinstitute vom europäischen Finanzmarkt abgeschnitten und eine Abwicklung von Finanztransaktionen über diese Kreditinstitute erschwert bzw. unmöglich gemacht. Neben dem SWIFT-Ausschluss werden die Vermögenswerte der russischen Zentralbank in der EU, den USA, Kanada und Großbritannien eingefroren, um zu verhindern, dass der Krieg finanziert und der Rubel-Wechselkurs gestützt wird.

3. Personenbezogene Beschränkungen

Neben den vorgenannten Beschränkungen erließ die EU personenbezogene Beschränkungen gegen die an der Ukraine-Invasion beteiligten Akteure, u. a. gegen den russischen Präsidenten und den Außenminister Sergej Lawrow sowie Mitglieder des Nationalen Sicherheitsrates und Mitglieder der russischen Staatsduma. Auch wurden führende Mitglieder des belarussischen Militärs in die Sanktionslisten der EU aufgenommen.

Als Folge der Listung werden sämtliche Vermögenswerte innerhalb der EU eingefroren. Weiterhin ist es verboten, den gelisteten Personen Gelder oder finanzielle Ressourcen bereitzustellen.

Der aktuelle Stand der gegen Russland verhängten Sanktionen ist auf der Homepage des Europäischen Rates veröffentlicht (https://www.consilium.europa.eu/de/policies/sanctions/restrictive-measures-ukraine-crisis/history-ukraine-crisis/).

Worauf ist bei dem Abschluss und Durchführung von Verträgen zu achten und welche Handlungsoptionen bestehen?

Es ist deutschen Unternehmen dringend zu raten, die Verträge mit russischen Geschäftspartnern einer Prüfung zu unterziehen, da Verstöße gegen die Sanktionsbestimmungen Straftatbestände und Ordnungswidrigkeiten darstellen. Die Vorgehensweise hat sich an den erlassenen Sanktionen zu orientieren.

Zunächst ist der Vertragspartner aus Russland dahingehend zu prüfen, ob dieser in den aktuellen Sanktionslisten aufgeführt ist. Bei Unternehmen ist weiter zu prüfen, ob die dahinterstehenden, wirtschaftlich berechtigten Personen als sog. ultimate beneficial owners von der Sanktionsliste erfasst sind.

Im nächsten Schritt ist zu ermitteln, ob die im Raum stehenden Lieferungen und Leistungen unter die aktuellen Handelsbeschränkungen fallen.

Liegt ein Sanktionslistentreffer vor und/oder ist eine Handelsbeschränkung einschlägig, sind die damit verbundenen Folgen zu prüfen. Hierbei ist zwischen Neuverträgen, d.h. solchen die nach Inkrafttreten der Sanktionen abgeschlossen werden sollen und Bestandsverträgen zu differenzieren.

Hinsichtlich Neuverträgen gilt, dass diese nicht abgeschlossen werden dürfen.

Hinsichtlich bereits vor Erlass der Sanktionen abgeschlossener Bestandsverträge ist zu prüfen, ob in den Sanktionsverordnungen Abwicklungsfristen enthalten sind, die es unter Umständen im Einzelfall ermöglichen, den Vertrag noch für eine bestimmte Übergangsfrist zu erfüllen. Hierbei ist große Sorgfalt anzuwenden, da ein Verstoß gegen die Sanktionsbestimmungen einen Straftatbestand oder eine Ordnungswidrigkeit darstellt.

Weiterhin ist hinsichtlich von Bestandsverträgen zu klären, ob infolge etwaiger Lieferverbote eine Pflicht zum Schadensersatz des liefernden Unternehmens ausgelöst wird. Die Bestandsverträge sind deshalb auf Klauseln zu untersuchen, die im Falle von Sanktionen eine Vertragsanpassung ermöglichen bzw. einer Lieferverpflichtung entgegenstehen oder ein Recht zur (außerordentlichen) Kündigung geben.

In Betracht kommen dabei zunächst sog. Force-Majeure-Klauseln. Diese sind in vielen internationalen Lieferverträgen enthalten und definieren mehr oder minder standardisiert, unter welchen Voraussetzungen der Lieferant von seiner Leistungspflicht befreit ist bzw. die Leistung verweigern darf.

Unter die Force-Majeure fallen Geschehnisse, die der Kontrolle des Lieferanten entzogen sind. Abhängig von der Reichweite der Bestimmung folgen umfangreiche Aufzählungen. Quasi immer erwähnt werden Naturereignisse, kriegerische Auseinandersetzungen, Aussperrungen, Streiks oder ggf. auch staatliche Maßnahmen wie Sanktionsbestimmungen.

Abhängig von der individuellen Ausgestaltung sieht die Force-Majeure-Klausel meist vor, dass dem Lieferanten für eine gewisse Dauer ein Leistungsverweigerungsrecht zugestanden wird ohne zu Schadensersatz verpflichtet zu sein. Sollte die Force-Majeure eine definierte Dauer überschreiten, wird einer oder beiden Parteien ein Kündigungsrecht eingeräumt. Auch ist darauf zu achten, dass der Lieferant evtl. notwendige Informationspflichten gegenüber seinem Vertragspartner einhält.

Weiterhin ist zu prüfen, ob eine außerordentliche Kündigungsklausel eine kurzfristige Vertragsbeendigung ermöglicht, um so von der Lieferverpflichtung und damit einer möglichen Schadensersatzpflicht befreit zu werden.

Sofern der Vertrag keine solchen vorrangigen Spezialregelungen enthält, wäre es auch denkbar, eine Anpassung oder Kündigung des Vertrags auf Basis der Grundsätze des Wegfalls der Geschäftsgrundlage gem. § 313 BGB zu erzielen. Hiernach kann die Anpassung eines Vertrages verlangt werden, wenn sich vertragswesentliche Umstände schwerwiegend verändert haben, die Parteien den Vertrag nicht oder nicht so geschlossen hätten, sofern sie von der Veränderung bei Vertragsschluss gewusst hätten und der Partei, die sich auf Anpassung beruft, nach den Umständen ein Festhalten an der Vereinbarung nicht zugemutet werden kann.

Vorgenannte Grundsätze scheinen für die infolge der russischen Invasion verhängten Sanktionen und den damit einhergehenden Verwerfungen in Lieferbeziehungen anwendbar zu sein.

Stehen die Sanktionsbestimmungen der Durchführung eines Bestandsvertrags nicht entgegen, insbesondere, weil der Vertragspartner nicht auf der Sanktionsliste steht oder keine Handelsbeschränkung greift, ist eine höchstvorsorgliche Einstellung der Leistungserbringung kritisch. Dies kann das deutsche Unternehmen zur Leistung von Schadensersatz oder Vertragsstrafen verpflichten.

Zur Vermeidung von Zahlungsausfällen bzw. langen Zahlungsverzögerungen, die durch den SWIFT-Ausschlusses einhergehen, sollte der Lieferant darauf drängen, auf Vorkasse umzustellen. Auch sollte versucht werden durch die Neuverhandlung entsprechender Incoterms (EXW, FCA Deutschland) das Transportrisiko auf den Kunden zu verlagern. Als rechtlicher Hebel hierzu dienen die oben beschriebenen Force-Majeure-Klauseln oder die Grundsätze des Wegfalls der Geschäftsgrundlage.

Sollte eine rahmenvertragliche Lieferbeziehung bestehen, ist zu prüfen, ob der Lieferant zum Abschluss von Einzellieferverträgen verpflichtet ist, oder eine solche Verpflichtung nicht besteht. In letzterem Fall könnte durch den Nichtabschluss von Einzelverträgen eine (faktische) Beendigung der Lieferverpflichtung herbeigeführt werden.

Gerne unterstützen wir Sie bei der Prüfung und Erstellung Ihrer internationalen Lieferverträge.

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Foto(s): https://unsplash.com/photos/EWODLTtoclQ


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