EU-Verordnung zu MiFID II in wesentlichen Stichworten – für Wertpapierfirmen

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Die delegierte Verordnung der EU-Kommission vom 25.04.2016 zur Ergänzung der MiFID-II-Richtlinie stellt die organisatorischen Anforderungen an Wertpapierfirmen sowie die Ausübungsbedingungen in Bezug auf Organisation, Auslagerung und Interessenkonflikte dar. Sie soll zum 03.01.2017 in Kraft treten. Eine delegierte EU-Verordnung stellt ein ergänzendes unmittelbares Recht dar. Eine Richtlinie dagegen muss in nationales Recht umgesetzt werden.

Die Ausübungsbedingungen beziehen sich nach der Verordnung auf die Informationen von Kunden und potenziellen Kunden, die Anlageberatung, die Beurteilung der Eignung und Angemessenheit, Berichtspflichten gegenüber den Kunden, die bestmögliche Ausführung, die Bearbeitung von Kundenaufträgen, geeignete Gegenparteien und Aufzeichnungen.

Einige neue Rechtsbegriffe – Kleinanleger statt Privatanleger

Es werden neue Rechtsbegriffe eingeführt. Der Privatanleger heißt in der Verordnung der EU-Kommission Kleinanleger. Es gibt weiter den neuen Begriff des potenziellen Kunden und des potenziellen Kleinanlegers.

Die Informationspflichten gelten für den Kleinanleger, den professionellen Kunden und den potenziellen Kleinanleger.

Einstufung der Kunden

Bei Kleinanlegern, professionellen Kunden oder geeigneten Gegenparteien soll eine entsprechende Einstufung von der Wertpapierfirma vorzunehmen sein. Allgemeine Informationen, etwa über die Bedingungen des Vertrags, sollen rechtzeitig übermittelt werden müssen. Bei der Portfolioverwaltung soll es zusätzlich auch noch auf einen Benchmark ankommen.

Weitere Informationen enthalten unter anderem auch die Art und Weise der Bewertung der Finanzinstrumente. Die Informationen über Finanzinstrumente sollen die Risiken, einschließlich der Hebelwirkung und ihre Effekte beinhalten. Das soll das Totalverlustrisiko wie auch Risiken im Zusammenhang mit einer Insolvenz des Emittenten einschließen. Einschussverpflichtungen oder ähnliche Verpflichtungen sollen davon auch erfasst sein.

Kosten: Ex-Ante- und Ex-Post-Offenlegung nach Anhang II

Die Kosten und Gebühren sollen eine Ex-Ante-Offenlegung und eine Ex-Post-Offenlegung enthalten. Die verschiedenen Kosten im Zusammenhang mit der Erbringung von Finanzdienstleistungen, über die zu informieren ist, sind in einem Anhang II der Verordnung aufgeführt. Erfasst davon sind etwa vorläufige Verwaltungsgebühren, Strukturierungsbeiträge und Vertriebsgebühren als einmalige Kosten. Zu den fortlaufenden Kosten werden weiterhin die Dienstleistungskosten gezählt, ebenso Tauschgebühren, Kosten und Steuern für Wertpapierleihe und Finanzierungskosten.

Die Wertpapierfirmen sollen ihren Kunden bei der Erbringung von Wertpapierdienstleistungen eine Veranschaulichung der kumulativen Wirkung auf die Renditekosten zukommen lassen, und zwar aus der vorherigen und der nachherigen Sicht (Ex-Ante und Ex-Post-Sicht).

Angemessenheitsprüfung und Geeignetheitsprüfung

In Art. 9 der Verordnung ist eine Definition von Begriffen in der Anlageberatung gemäß Art. 4 Abs. 1 Nummer 4 der Richtlinie 2014/65/EU enthalten. Klargestellt wird u.a., dass die persönliche Empfehlung sich als geeignet darstellen oder auf eine Prüfung der Verhältnisse der betreffenden Person gestützt sein muss. Maßgeblich sind also wohl die Angemessenheitsprüfung und die Geeignetheitsprüfung anhand von Informationen durch den Kunden.

Eignungsbericht ersetzt Anlageberatungsprotokoll

Neu ist, dass die Eignungsbeurteilung und der Eignungsbericht das Anlageberatungsprotokoll ersetzen sollen, Art. 54 der Verordnung.

Durch Einholung der Informationen vom Kunden soll festgestellt werden, ob das Geschäft den Anlagezielen des betreffenden Kunden auch hinsichtlich seiner Risikobereitschaft entspricht. Es soll so beschaffen sein, dass etwaige Anlagerisiken den Kundenanlagezielen entsprechend finanziell tragbar sind.

Bei einem professionellen Kunden soll die Wertpapierfirma davon ausgehen können, dass dieser über die erforderlichen Kenntnisse und Erfahrungen verfügt.

Informationen über die finanziellen Verhältnisse und Risikoprofil

Die Informationen über die finanziellen Verhältnisse sollen Angaben über Herkunft und Höhe des regelmäßigen Einkommens, die Vermögenswerte einschließlich der liquiden Vermögenswerte, Anlagen und Immobilienbesitz und regelmäßige finanzielle Verpflichtungen erfassen.

Die Informationen über die Anlageziele sollen den Zeitraum erfassen, in dem der Kunde die Anlage zu halten gedenkt, sowie seine Präferenzen hinsichtlich des einzugehenden Risikos, sein Risikoprofil und den Zweck der Anlage, so die Verordnung.

Die Wertpapierfirma muss nach der Verordnung die Grundsätze festlegen und umsetzen, wer der Eignungsbeurteilung unterzogen werden sollte. Diese Grundsätze sollen schriftlich festgehalten werden.

Sichergestellt werden muss nach der Verordnung auch, dass alle bei dem Eignungsbeurteilungsverfahren eingesetzten Werkzeuge so gestaltet sind, dass sie bei den Kunden verwendet werden können.

Erforderlich ist nach der Verordnung die Ergreifung von Maßnahmen, um die Kohärenz von Kundeninformationen sicherzustellen.

Beratungsbericht

Das Beratungsprotokoll wird abgelöst durch den Beratungsbericht, so die Verordnung.

Der Beratungsbericht enthält nach der Verordnung einen Überblick über die erteilten Ratschläge und Angaben, die Darlegung, dass die abgegebene Empfehlung zum betreffenden Kleinanleger passt und die Informationen, inwieweit sie den Zielen und persönlichen Umständen des Kunden hinsichtlich der Anlagedauer, den Kenntnissen und Erfahrungen des Kunden sowie seiner Risikobereitschaft und Verlusttragfähigkeit gerecht wird.

Die Wertpapierfirma muss die Kunden – nach der Verordnung – darauf aufmerksam machen und im Eignungsbericht angeben, ob es die empfohlenen Dienstleistungen bzw. Finanzinstrumente erforderlich machen, dass der Kleinanleger deren Bestimmung regelmäßig überprüfen lässt.

Bestimmungen für die Beurteilung der Eignung bzw. Angemessenheit

Art. 55 regelt die gemeinsamen Bestimmungen für die Beurteilung der Eignung bzw. Angemessenheit gemäß Art. 25 Abs. 2 und Art. 25 Abs. 3 der Richtlinie 2014/65/EU.

Die Wertpapierfirmen sorgen hiernach unter anderem dafür, der sich die Informationen über die Kenntnisse und Erfahrungen des Kunden auf die Art der Dienstleistungen und Finanzinstrumente erstrecken, mit denen der Kunde vertraut ist.

Best Execution

In Art. 64 sind die Kriterien für die bestmögliche Ausführung in Verbindung mit Art. 27 Absatz 1 und Art. 24 Absatz 1 der MiFID II enthalten („Best Execution“).

In Art. 67 werden die allgemeinen Grundsätze für die Anforderungen an die Bearbeitung von Kundenaufträgen formuliert.

Aufzeichnung über Telefongespräche

In den Art. 72 ff. der Verordnung ist die Aufbewahrung und Führung von Aufzeichnungen geregelt. Dazu gehören wirksame Grundsätze für die Aufzeichnung über Telefongespräche und elektronische Kommunikation.

Vor Geschäftsaufnahme müssen die Kunden gemäß der Verordnung eine Mitteilung erhalten, dass die Gespräche und Kommunikationen aufgezeichnet werden und dass eine Kopie der Aufzeichnungen über diese Gespräche und Kommunikation mit dem Kunden auf Anfrage über einen Zeitraum von fünf Jahren und – sofern seitens der zuständigen Behörde gewünscht – über einen Zeitraum von sieben Jahren zur Verfügung stehen werden.

Von der Aufbewahrungspflicht sind auch die firmeninternen Gespräche erfasst, so die Verordnung.

Dienstleistungen mit nicht komplexen Instrumenten

In Art. 57 der Verordnung sind die Dienstleistungen mit nicht komplexen Instrumenten geregelt.

Hiernach könnten Finanzinstrumente ohne eine häufige Möglichkeit der Veräußerung zu öffentlich verfügbaren Preisen als komplex angesehen werden. Als komplex könnte hiernach ferner ein Finanzinstrument mit einer potenziellen Verpflichtung für den Kunden angesehen werden, die über die Anschaffung hinausgeht (Instrumente mit Nachschusspflicht etc.). Möglich ist es auch, dass ein Finanzinstrument als komplex erachtet wird, das eine Klausel mit einer Umwandlung der Schuld enthält.

Als komplex könnte auch ein Finanzinstrument angesehen werden, dass „Ausstiegsgebühren“ enthält. Theoretisch könnten darunter Abfindungsansprüche fallen. Komplex kann ein Instrument auch dann sein, wenn Informationen über die Merkmale des betreffenden Finanzinstruments nicht in angemessenem Umfang öffentlich verfügbar sind.

In diesem Zusammenhang sind auch die ESMA-Leitlinien für die Beurteilung von Kenntnissen und Kompetenzen vom 22.03.2016 in der Anlageberatung von Bedeutung. Es werden Kenntnisse für die Bewertung eines Finanzinstruments anhand der Jahresabschlüsse verlangt. Von Bedeutung ist die Tatsache, dass ein Unternehmen ohne Gewinn nichts wert sein dürfte. Das müsste auch für die Finanzinstrumente des Unternehmens gelten.


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