EuGH C-639/18, Analyse der Bedeutung für Anschlussfinanzierungen

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Worum geht es?

Wer seine Immobilie (Kauf oder Neubau) finanziert hat, muss die dafür notwendige Finanzierung meist deutlich länger bedienen als die im Darlehensvertrag vereinbarte Festzinsbindung.

Nach Ablauf der meist 10-jährigen Festzinsbindung oder bei Kündigung einer längerer Festzinsbindung nach 10 Jahren und 6 Monaten, § 489 Abs. 1 Nr. 2 BGB (bei gesunkenen Zinsen) stellt sich daher die Frage einer sog. Anschlussfinanzierung.

Erfolgt diese bei derselben Bank, so ist dafür auch der Begriff der Anschlusszinsvereinbarung oder Zinssicherungsvereinbarung o. ä. gebräuchlich.

In einigen Fällen wird dies bereits deutlich vor Ablauf der Zinsfestschreibung vereinbart. Dann handelt es sich um eine sog. Forwardprolongation, dazu ergeben sich noch zusätzliche Möglichkeiten, über die wir bereits hier informiert haben.

kein Widerrufsrecht nach Verbraucherdarlehensrecht

Da der BGH in ständiger Rechtsprechung solche Anschlussfinanzierung regelmäßig (im Einzelfall kann es auch anders sein) als sog. unechte Abschnittsfinanzierungen einstuft, da kein (neues) Kapitalnutzungsrecht gewährt werde, sind diese nicht nach § 495 BGB als Verbraucherdarlehen hinsichtlich eines Widerrufsrechts zu belehren, da insoweit kein Widerrufsrecht besteht.

Widerrufsrecht nach Fernabsatzrecht?

Bis Anfang 2019 war allerdings hoch umstritten, ob diese Anschlussfinanzierungen, so sie im sog. Fernabsatz geschlossen werden, dann als Finanzdienstleistung nach dem Fernabsatzrecht über das insoweit bestehende Widerrufsrecht zu belehren waren. Dabei ist Finanzdienstleistung ein durch die europäische Richtlinie (Art. 2 Buchst. a der Richtlinie 2002/65) vorgegebener und daher richtlinienkonform auszulegender Begriff.

Dabei ist die Richtlinie 2002/65 auch grundsätzlich auf deutsche Immobiliardarlehen anzuwenden. Nach der Richtlinie konnten die nationalen Gesetzgeber zwar nach Art 6 Abs. 3 lit. a der Richtlinie diese Darlehen von der Richtlinie ausnehmen Der deutsche Gesetzgeber hat davon aber keinen Gebrauch gemacht.

BGH beendet Debatte 2019 vorläufig 

Der BGH hatte dann mit Urteil vom 15.01.2019 die bis dato streitige Diskussion zur Widerruflichkeit von Anschlussfinanzierungen im Fernabsatz „beerdigt“. Er hatte dabei in seiner ihm eigenen Art den „ahnungslosen Dritten erklärt“, wie sonnenklar doch alles sei (und daher auch nicht beim EuGH vorzulegen sei). 

Der Begriff der Finanzdienstleistungen in § 312b BGB aF umfasse nach Auffassung des BGH die Anschlussfinanzierung, BGH, 15.01.2019 – XI ZR 202/18:

„Diese Auslegung des Unionsrechts ist derart offenkundig, dass für einen vernünftigen Zweifel kein Raum bleibt (...).“

Generalanwältin beim EuGH ist anderer Auffassung

Im Verfahren C-639/18 (auf Vorlage des LG Kiel) hat nun die Generalanwältin am EuGH die gegenteilige Auffassung vertreten. Da der EuGH den Schlussanträgen i. d. R folgt, ist hier die nächste Klatsche für den BGH zu erwarten.

Auswirkungen und Handlungsempfehlungen

Die Auswirkungen dürften immens sein, sind doch Anschlussfinanzierungen auch bei den klassischen Filialbanken ganz häufig nur postalisch und telefonisch, mithin im Fernabsatz vereinbart worden. Hier bestehen hervorragende Chancen auf einen Widerruf, sollte der EuGH wie erwartet entscheiden.

Haben Sie also einen bestehenden Darlehensvertrag bei derselben Bank verlängert und waren dazu nicht in der Filiale, so dürfte ein Widerrufsrecht bestehen. Da der Widerruf einer Anschlussfinanzierung jedoch zusätzliche rechtliche Tücken aufweist, sollte anwaltlicher Rat eingeholt werden.

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Sebastian Koch

Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht

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