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EuGH: Entschädigung auch bei Flugverspätung wegen Vogelschlag möglich

  • 3 Minuten Lesezeit
Christian Günther anwalt.de-Redaktion

Vögel und Flugzeuge teilen sich denselben Luftraum. Zusammenstöße bleiben da nicht aus. Dieser sogenannte Vogelschlag endet für die Vögel meist tödlich. Flugzeuge tragen nicht selten Schäden davon. Langwierige Checks und Reparaturen vor dem Weiterflug sind häufig die Folge. Flugverspätungen und -ausfälle bleiben da ebenfalls nicht aus. Bislang war unklar, ob betroffene Passagiere auch bei Vogelschlag eine Entschädigung verlangen können. Das ist nicht ausgeschlossen, entschied nun der Europäische Gerichtshof (EuGH) und zeigt, worauf es ankommt.

Vogel kam bei der Landung dazwischen

Auslöser war ein Vogel, der mit einem Flugzeug der größten tschechischen Fluggesellschaft Travel Service kollidiert war, als dieses gerade in Brno (Brünn) landete. Das Flugzeug hatte dabei schon aufgrund einer vorher notwendig gewordenen Reparatur eindreiviertel Stunden Verspätung. Zu dieser kam nun durch den Vogelschlag eine weitere Verspätung hinzu. Obwohl die Techniker am Flughafen keine Schäden festgestellt hatten, bestand die Fluggesellschaft auf dem Check durch einen eigenen Techniker. Der musste aber erst eingeflogen werden. Grund dafür war wiederum, dass das zwar von Travel Star betriebene Flugzeug Travel Star nicht gehörte und sein Eigentümer die Kontrolle durch die Flughafentechniker nicht anerkannte.

250 Euro Entschädigung pro Person

Am Ende hatte der Flug 5 Stunden und 20 Minuten Verspätung. Ein Ehepaar verlangte daher die ab 3 Stunden Verspätung für den Flug dieser Länge vorgesehene Entschädigung von 250 Euro pro Person. Zunächst mit Erfolg. Gegen das Urteil legte Travel Star jedoch Verfassungsbeschwerde beim tschechischen Verfassungsgerichtshof ein. Der legte wiederum dem Europäischen Gerichtshof Fragen vor, wie der Fall nach der EU-Fluggastrechteverordnung zu beurteilen sei. Dieses sogenannte Vorabentscheidungsverfahren ist gesetzlich vorgeschrieben, damit EU-Recht, wie es die Fluggastrechteverordnung darstellt, in jedem Land der Europäischen Union auch einheitlich angewendet wird.

Vogelschlag ist ein außergewöhnlicher Umstand

In Fällen wie einer Flugverspätung haben Passagiere in der EU danach grundsätzlich Anspruch auf eine Entschädigung. Zu dieser sogenannten Ausgleichsleistung sind Fluggesellschaften verpflichtet, sofern sie sich nicht auf außergewöhnlichen Umstände berufen können. Außergewöhnlich meint insofern, dass der Umstand nicht zum normalen Flugzeugbetrieb gehört und die Fluggesellschaft ihn auch nicht beherrschen kann. Typische Beispiele dafür sind Wetterereignisse oder politische Unruhen in einem Land. Auch der Vogelschlag fällt darunter, stellt der EuGH in seinem Urteil fest. Zu diesen kommt es zwar immer wieder. Dennoch ist die Kollision mit Vögeln kein Normalfall, der sich gar beherrschen ließe.

Allerdings kommt für Fluggesellschaften hinzu, dass sie nicht jeden außergewöhnlichen Umstand einfach hinnehmen können. Sie müssen daher gegebenenfalls nachweisen, dass sie die Verspätung auch bei Ergreifen zumutbarer Maßnahmen nicht hätten vermeiden können. Die Frage einer Entschädigung oder keiner Entschädigung ist also noch davon abhängig, welche Anstrengungen einer Fluggesellschaft bei einem Vogelschlag zumutbar sind.

Kein Check auf Schäden über Gebühr

Was muss eine Fluggesellschaft insofern nach einem erlittenen Vogelschlag unternehmen, um eine Verspätung oder ähnliche Nachteile für ihre Passagiere gering zu halten? Abstriche bei der Sicherheit mit Blick auf einen notwendigen Check auf Schäden am Flugzeug dürfe es dem EuGH zufolge nicht geben.

Ein weiterer Check, weil ihn der Flugzeugeigentümer oder die Fluggesellschaft ihn mangels Vertrauen in die Techniker vor Ort verlange, gehe aber zu weit. Die Techniker hatten hier bereits keine Schäden festgestellt. Danach konnte sich die betroffene Fluggesellschaft in diesem Fall aber auch nicht mehr auf einen außergewöhnlichen Umstand berufen. Denn erst das unnötige Einfliegen eines eigenen Technikers hatte letztlich maßgeblich zur Verspätung beigetragen. Allein die Vermeidung einer Auseinandersetzung mit Außenstehenden – wie hier mit dem Flugzeugeigentümer – genüge mit Blick auf die Rechte der Passagiere nicht, um ihnen die Entschädigung zu verweigern. Insofern können Fluggesellschaft und Flugzeugeigentümer die Angelegenheit auch nachträglich regeln.

Präventive Maßnahmen gegen Vogelschlag

Grundsätzlich sind Fluggesellschaften laut EuGH auch präventive Maßnahmen zur Vogelabwehr zumutbar. Allerdings müssen sie diese auch ergreifen können. Insofern ist es ihnen nicht mehr zumutbar, dass Fluggesellschaften für Schutzmaßnahmen gegen Vögel – wie etwa mittels Licht und Tönen – an Flughäfen sorgen. Denn das falle nicht mehr in ihre Zuständigkeit. Konkrete präventive Maßnahmen durch Fluggessellschaften nannte der EuGH jedoch nicht. Offen ließ der EuGH zudem die ebenfalls an ihn gestellte Frage, ob Flugunternehmen schon bei ihrer Flugplanung das Risiko von Vogelkollisionen mitberücksichtigen müssen. Diese Frage beinhalte eine bloße Annahme, wie sich Vogelkollisionen vermeiden ließen. Für die Entscheidung sei eine Antwort darauf nicht erforderlich.

(EuGH, Urteil v. 04.05.2017, Az.: C-315/15)

(GUE)

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