EuGH zum Widerruf beim Onlinekauf: Matratzen dürfen ausgepackt zurückgegeben werden

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"Wie man sich bettet, so liegt man." 

Auspacken und Probeliegen ist auch bei Matratzen erlaubt, die man im Internet bestellt hat. So entschied es nun der Europäische Gerichtshof (EuGH, Urteil vom 27.03.19 – C-681/17).

Hintergrund war ein Fall aus Deutschland. Ein Mann hatte eine Matratze gekauft und getestet, und sie kurz darauf wieder zurückgegeben. Weil die Schutzfolie entfernt war, weigerte sich der Onlineshop, die Matratze zurückzunehmen. Hiergegen klagte der Käufer und forderte die Rückerstattung des Kaufpreises und der Versandkosten von rund 1.200 €. Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte das Verfahren ausgesetzt und den Fall dem EuGH zur Grundsatzentscheidung vorgelegt.

Bestimmte Waren sind an sich vom Widerrufs- und Rückgaberecht für Verbraucher bei Fernabsatzverträgen ausgenommen, z. B. aus Hygienegründen. Nach Ansicht des EuGHs gilt dies aber – wie auch schon für Kleidung – nicht bei Matratzen. Die Fernabsatzrichtlinie sei dahin auszulegen, dass eine Ware wie eine Matratze, deren Schutzfolie vom Verbraucher nach der Lieferung entfernt wurde, nicht unter den Begriff „versiegelte Waren…, die aus Gründen des Gesundheitsschutzes oder aus Hygienegründen nicht zur Rückgabe geeignet sind und deren Versiegelung nach der Lieferung entfernt wurde" im Sinne dieser Vorschrift fällt.

Der EuGH betonte zunächst noch einmal den Zweck des Widerrufsrechts im Onlinehandel:

Das Widerrufsrecht soll den Verbraucher in der besonderen Situation eines Vertragsabschlusses im Fernabsatz schützen, in der er keine konkrete Möglichkeit hat, vor Abschluss des Vertrages das Erzeugnis zu sehen oder die Eigenschaften der Dienstleistung zur Kenntnis zu nehmen. Es soll also den Nachteil ausgleichen, der sich für einen Verbraucher bei einem im Fernabsatz geschlossenen Vertrag ergibt, indem ihm eine angemessene Bedenkzeit eingeräumt wird, in der er die Möglichkeit hat, die gekaufte Ware zu prüfen und auszuprobieren."

Der Verbraucher dürfe in diesem Sinne auch beim Matratzenkauf nicht in der Ausübung seines Rückgaberechts behindert werden. Denn er habe online eben keine Möglichkeit, die Ware wie im Ladengeschäft vor Vertragsschluss zu sehen und zu testen. 

Der EuGH geht auch davon aus, dass es für gebrauchte Matratzen einen Markt gibt. In einem Hotel beispielsweise schlafe jeder auf ein und derselben gebrauchten Matratze. Und das bedeute, es sei für den Händler zumutbar, die zurückerhaltene Ware zu reinigen bzw. zu desinfizieren, und sie dann erneut in den Handel zu bringen. Matratzen seien eben nicht anders zu behandeln als Kleidungsstücke. Auch diese dürften selbstverständlich anprobiert und ohne Angabe von Gründen zurückgesendet werden, auch wenn die Kleidung mit dem Körper in Berührung kommt. Wochenlange Testphasen sind außerdem auf dem "Matratzen-Markt" inzwischen gängige Werbepraxis geworden.

Allerdings müssen Verbraucher Vorsicht walten lassen, und dürfen das Recht, die Ware zu testen, nicht über Gebühr strapazieren. Für Wertverlust an der Ware haftet der Verbraucher daher auch bei einem Matratzenkauf im Internet, wenn er die Ware unnötig stark belastet oder gar beschädigt. Außerdem können Onlinehändler im Falle der Rücksendung einer getesteten Matratze vom Verbraucher die Rücksendekosten verlangen, die z. B. für Rücksendungen des sperrigen Gutes per Spedition unter Umständen 100 € oder mehr bedeuten können.

Die Entscheidung des EuGHs ist für den Onlinehandel dennoch richtungsweisend. Im Ergebnis sind auch andere Waren im Internethandel, die von einer Schutzfolie umgeben sind, nicht zwingend vom Widerruf bzw. der Rückgabe ausgenommen, wenn sie ausprobiert wurden.

Spannend bleibt also die Frage, ob etwa auch Badebekleidung, Unterwäsche oder Ähnliches, welche bei der Anprobe möglicherweise mit intimeren Körperteilen in Kontakt kommen, entsprechend zu behandeln sind.


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