Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Usebach informiert: Halbe Urlaubstage - Wenn ein ganzer freier Tag zu viel ist
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Arzttermine, Handwerkerbesuche, Behördengänge – nicht immer braucht es einen ganzen Tag Freizeit. Doch können Arbeitnehmer für solche Erledigungen einfach einen halben Urlaubstag nehmen? Die rechtliche Lage ist komplex – und längst nicht jedem bekannt.
In vielen Berufsfeldern ist Flexibilität längst gelebter Alltag. Doch beim Thema Urlaub gilt nach wie vor: Das Gesetz sieht in erster Linie ganze Urlaubstage vor. Wer allerdings nur einen halben Tag zur Verfügung haben möchte – etwa um den Heizungsmonteur hereinzulassen, zum Zahnarzt zu gehen oder sich mit dem Finanzamt auseinanderzusetzen – steht schnell vor einem arbeitsrechtlichen Fragezeichen. Ist das überhaupt zulässig?
Gesetzlicher Urlaubsanspruch: Ganze Tage, keine halben Sachen
Der gesetzliche Rahmen ist eindeutig – und zugleich wenig flexibel: Nach dem Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) besteht ein Anspruch auf mindestens 24 Werktage bezahlten Erholungsurlaub pro Jahr bei einer 6-Tage-Woche, was bei einer 5-Tage-Woche in der Regel auf 20 Urlaubstage hinausläuft. Dieses Gesetz aus dem Jahr 1963 unterscheidet nicht zwischen halben und ganzen Tagen.
Ein Blick in § 5 Abs. 2 BUrlG bringt Klarheit:
„Bruchteile von Urlaubstagen, die mindestens einen halben Tag ergeben, sind auf volle Urlaubstage aufzurunden.“
Diese Regelung betrifft eigentlich die Berechnung bei unterjährigem Eintritt oder Ausscheiden – doch sie offenbart auch den gesetzlichen Grundsatz: Urlaub ist in ganzen Tagen zu gewähren. Wer nur einen halben Tag Urlaub nehmen möchte, kann sich darauf also nicht ohne Weiteres berufen. Der Arbeitgeber muss einem halben Urlaubstag nicht zustimmen.
Vertragliche Flexibilität möglich – wenn Arbeitgeber mitspielen
Trotz des gesetzlich vorgesehenen "Ganz-oder-gar-nicht"-Prinzips ist es in vielen Betrieben längst üblich, Urlaub auch stundenweise oder halbtags zu gewähren. Wie kann das sein?
Die Antwort liegt in der vertraglichen Gestaltungsfreiheit des Arbeitsrechts. Arbeitgeber und Arbeitnehmer können im Arbeitsvertrag, durch eine Betriebsvereinbarung oder im Rahmen eines Tarifvertrags vereinbaren, dass auch halbe Urlaubstage möglich sind. Eine typische Regelung könnte etwa lauten:
„Urlaub kann mit Zustimmung des Arbeitgebers auch in halben Urlaubstagen genommen werden.“
In der Praxis zeigt sich: Viele Unternehmen – insbesondere mit digitaler Zeiterfassung oder Gleitzeitmodellen – ermöglichen es ihren Mitarbeitenden, auch halbe Urlaubstage zu beantragen. Doch: Es handelt sich stets um eine Kann-Regelung. Ohne ausdrückliche Vereinbarung bleibt es bei der gesetzlichen Vorgabe.
Bundesarbeitsgericht: Kein Anspruch auf halbe Urlaubstage
Auch das höchste deutsche Arbeitsgericht hat hierzu Position bezogen: Ein Anspruch auf halbe Urlaubstage besteht nicht. In einem Urteil aus dem Jahr 2015 (Az. 9 AZR 179/15) stellte das Bundesarbeitsgericht (BAG) klar, dass der Arbeitnehmer nicht verlangen kann, seinen Urlaub nur anteilig zu nehmen. Der Arbeitgeber darf verlangen, dass Urlaub tageweise genommen wird.
Damit ist auch ausgeschlossen, dass ein Arbeitnehmer sich auf eine allgemeine Billigkeitsregel beruft. Er ist auf das Wohlwollen seines Arbeitgebers angewiesen – oder auf eine klare Regelung, die Halbtage erlaubt.
Wann ist ein halber Tag Urlaub sinnvoll?
Trotz dieser rechtlichen Hürden sind halbe Urlaubstage in der Praxis gefragt – und oft auch sinnvoll:
Arzttermine, die nicht außerhalb der Arbeitszeit gelegt werden können
Handwerkertermine, bei denen jemand vor Ort sein muss
Behördentermine, die während der Öffnungszeiten liegen
Schulveranstaltungen oder familiäre Ereignisse, die nur einen Teil des Arbeitstags betreffen
Gerade in solchen Situationen wirkt ein ganzer Urlaubstag überdimensioniert – und wirtschaftlich unsinnig. Wer z. B. für eine einstündige Untersuchung beim Facharzt einen ganzen Tag Urlaub verliert, fühlt sich häufig benachteiligt.
Alternative: Freistellung, Gleitzeit oder Stundenabbau
Es muss nicht immer Urlaub sein. In vielen Fällen kommt eine Freistellung in Betracht – bezahlter oder unbezahlter Natur:
§ 616 BGB ermöglicht eine bezahlte Freistellung bei vorübergehender Verhinderung aus wichtigem Grund. Das kann etwa ein unaufschiebbarer Arzttermin sein.
Doch Achtung: Diese Regelung ist häufig in Arbeits- oder Tarifverträgen ausgeschlossen.Unbezahlte Freistellung ist eine Möglichkeit, wenn der Arbeitnehmer keinen Urlaubstag einsetzen will – dies erfordert aber die Zustimmung des Arbeitgebers.
Gleitzeit oder Arbeitszeitkonten bieten die wohl eleganteste Lösung: Wer Überstunden angesammelt hat, kann den halben Tag einfach „abbummeln“, ohne einen Urlaubstag zu opfern.
All diese Alternativen setzen jedoch voraus, dass der Arbeitgeber entsprechendes Vertrauen zeigt – und die betriebliche Organisation mitspielt.
Digitale Systeme und Urlaubsverwaltung: Halbe Tage korrekt erfassen
Wenn halbe Urlaubstage erlaubt sind, stellt sich auch die Frage nach der technischen Umsetzung: Digitale Zeiterfassungssysteme müssen in der Lage sein, Urlaub anteilig zu buchen, sodass keine rechnerischen oder organisatorischen Unstimmigkeiten entstehen. Gerade bei der Lohnabrechnung ist Sorgfalt geboten – denn ein falsch berechneter Urlaubsanspruch kann zu Streitigkeiten führen.
Arbeitgeber sollten daher klare interne Regeln zur Urlaubsgewährung in Halbtagen schaffen – schriftlich dokumentiert, transparent kommuniziert und technisch sauber umsetzbar.
Fazit: Halbe Urlaubstage – eine Frage der Vereinbarung, nicht des Rechtsanspruchs
Rein rechtlich besteht kein Anspruch auf halbe Urlaubstage. Der Gesetzgeber sieht den Erholungsurlaub als ganzheitliche Maßnahme – nicht als stundenweise Lösung. Doch der Arbeitsalltag ist komplexer: Wo Flexibilität gewünscht ist, sollten Arbeitgeber und Arbeitnehmer gemeinsam Lösungen finden – sei es über halbe Urlaubstage, Gleitzeitmodelle oder anderweitige Freistellungen.
Wer sich nicht sicher ist, ob halbe Urlaubstage im eigenen Arbeitsverhältnis zulässig sind, sollte einen Blick in den Arbeitsvertrag, Tarifvertrag oder die Betriebsvereinbarung werfen – und im Zweifel das Gespräch mit der Personalabteilung oder einem Rechtsanwalt suchen.
Tipp für Arbeitgeber:
Klären Sie vertraglich, ob halbe Urlaubstage zulässig sind – und schaffen Sie ggf. eine Betriebsvereinbarung, die diese Möglichkeit regelt. Das erhöht die Flexibilität im Unternehmen – und steigert die Zufriedenheit Ihrer Mitarbeitenden.
Tipp für Arbeitnehmer:
Sprechen Sie rechtzeitig mit Ihrem Arbeitgeber, wenn Sie nur einen halben Tag freinehmen möchten. Fragen kostet nichts – aber voraussetzen dürfen Sie es nicht.
Rechtsanwalt & Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. jur. Jens Usebach LL.M. von der kanzlei JURA.CC bearbeitet im Schwerpunkt das Kündigungsschutzrecht im Arbeitsrecht. Der Fachanwalt für Arbeitsrecht vertritt Mandanten außergerichtlich bei Aufhebungsverträgen und Abwicklungsverträgen bei der Kündigung des Arbeitsvertrages durch den Arbeitgeber. Soweit erforderlich erfolgt eine gerichtliche Vertretung bei der Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht mit dem Ziel für den Arbeitnehmer eine angemessene und möglichst hohe Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes, ein sehr gutes Arbeitszeugnis für zukünftige Bewerbungen oder auch die Rücknahme der Kündigung und die Weiterbeschäftigung zu erzielen.
Mehr Informationen unter www.JURA.CC oder per Telefon: 0221-95814321
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