Fälligkeit von Leistungen aus der Berufsunfähigkeitsversicherung

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Bei der Geltendmachung von Leistungsansprüchen aus der Berufsunfähigkeitsvorsorge stellt sich für den Versicherten regelmäßig die Frage, in welchem Umfang und in welcher Weise er an der Leistungsprüfung mitwirken muss. Verweigert er die Mitwirkung zu Unrecht, darf der Versicherer allein deshalb die Leistung verweigern. Ist dessen Mitwirkungsverlangen hingegen rechtswidrig, kann der Versicherte die Leistung einklagen. Dies stellte nun das Landgericht Berlin in einer bemerkenswerten Entscheidung klar (Urteil vom 18. August 2021, 23 O 180/18).

Versicherer traf keine Leistungsentscheidung

In dem Fall des LG Berlin hatte der Versicherte unter dem 28. Februar 2017 angezeigt, seit September 2016 berufsunfähig zu sein. Am 01. März 2017 sandte der Versicherer ihm die Unterlagen zur Leistungsprüfung einschließlich eines Vordrucks für die Einwilligung in die Datenerhebung zu. Nachfolgend überließ der Versicherte dem Versicherer diverse Unterlagen, darunter den ausgefüllten Antrag auf Berufsunfähigkeitsleistungen, ein Gutachten seines Krankenversicherers, das Arbeitsunfähigkeit attestierte, ein weiteres Gutachten, das Berufsunfähigkeit feststellte, einen Entlassungsbrief über eine stationäre Behandlung in 2017, einen Behandlungsbericht seiner behandelnden Psychotherapeutin, eine Aufstellung von Behandlungsdaten sowie (weitere) Unterlagen seiner behandelnden Ärzte. Gleichwohl teilte der Versicherer im April 2018 mit, dass er nicht beurteilen könne, ob bedingungsgemäße Berufsunfähigkeit vorliege, insbesondere weil es an Informationen zum aktuellen Befinden des Versicherten fehle.

Leistungsansprüche trotz ausgebliebener Leistungsentscheidung fällig

Mit seinem Urteil stellte das LG Berlin fest, dass der Leistungsanspruch des Versicherten fällig sei, obwohl der Versicherer noch gar keine Leistungsentscheidung getroffen habe. Ein sachgerecht prüfender Versicherer hätte seine notwendigen Erhebungen vorprozessual abschließen können, so das Gericht.

Fälligkeit bei Abschluss aller „notwendigen Erhebungen“

„Notwendige Erhebungen“ seien alle Maßnahmen, die ein durchschnittlich sorgfältiger Versicherer anstellen muss, um das Bestehen und den Umfang seiner Leistungspflicht abschließend zu ermitteln. Allerdings komme es weder darauf an, ob der Versicherer subjektiv weiteren Aufklärungsbedarf sehe, noch ob dieser tatsächlich vorliege. Maßgeblich sei vielmehr, ob die Notwendigkeit der Datenerhebung bei einer ex-ante-Betrachtung aus der Sicht verständiger Vertragsparteien vertretbar erscheinen durfte.

Versicherer muss aufzeigen, welche Informationen er benötigt

Habe der Versicherte Angaben gemacht und Unterlagen eingereicht, müsse der Versicherer aufzeigen, welche weiteren Informationen er zur sachgerechten Prüfung seiner Leistungspflicht bedürfe. Solche Umstände habe der Versicherer hier nicht aufzeigt. Auch sei weder ersichtlich noch begründet worden, inwieweit die Situation im April 2018 bedeutsam sei für eine ab September 2016 behauptete Berufsunfähigkeit mit Sechsmonatsprognose. Die Ausführungen, wonach der Sachverhalt noch nicht hinreichend aufgeklärt sei, ließe offen, was konkret zur Leistungsprüfung noch benötigt werde. Es könne nicht angehen, dass ein Versicherer unter pauschalem Hinweis darauf, ein Versicherungsfall sei nicht hinreichend dargetan, von einer Leistungsentscheidung absehe und solange zuwarte, bis aus seiner Sicht genügend dargetan sei. Damit könne die Fälligkeit beliebig offengehalten werden. Vielmehr müsse er in einem solchen Fall ablehnen, wenn er der Meinung sei, Berufsunfähigkeit sei nicht hinreichend deutlich.

Fälligkeit auch bei Rechtswidrigkeit der Einwilligung in die Datenerhebung

Bei diesen deutlichen Worten beließ das Gericht es nicht. Hier sei Fälligkeit sogar schon mit der Übersendung des Leistungsantragsformulars eingetreten, da die dort verlangte Einwilligung in die Datenerhebung rechtswidrig sei. Zur Erhebung von Gesundheitsdaten sei der Versicherer nur berechtigt bei freiwillig abgegebener Einwilligung. Dies aber setze voraus, dass der Betroffene erkennen könne, wie und in welchem Umfang er an der Datenerhebung mitwirken müsse. Hierzu müsse der Versicherer auf das Recht zur Selbstbeschaffung hinweisen, und für den Fall, dass der Betroffene sich gegen eine Selbstbeschaffung entscheide, darauf, dass er nur an einer gestuften Datenerhebung mitwirken müsse. Überdies sei darauf hinzuweisen, dass es ihm freistehe, sofort eine umfassende Datenerhebung zu ermöglichen, und dass der Widerruf der Einwilligung die Rechtmäßigkeit der bis dahin erhobenen Daten nicht berühre. Hieran fehle es.

Suchen Sie rechtzeitig einen Fachanwalt auf!

Die Entscheidung des LG Berlin stärkt die Rechte von Berufsunfähigen und ist in seiner Klarheit uneingeschränkt zu begrüßen. Leider werden Versicherte nicht selten mit einer nicht enden wollenden Leistungsprüfung konfrontiert. Um die existenziell bedeutsamen Versicherungsleistungen zügig zu erhalten, empfiehlt sich der rechtzeitige Gang zum Fachanwalt.


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