Gericht darf Klage nicht auf Grund eines Privatgutachtens des Versicherers abweisen

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Zur Prüfung seiner Leistungspflicht beauftragt der Versicherer insbesondere in der Unfallversicherung, Krankentagegeldversicherung und Berufsunfähigkeitsversicherung oftmals medizinische Gutachten. Kommt er danach zu dem Ergebnis, dass eine Leistungspflicht nicht besteht, bleibt dem Versicherten meist nur noch das Klageverfahren.

Gericht muss eigenes Sachverständigengutachten einholen 

Im Klageverfahren darf das Gericht sich auf ein vorgelegtes Privatgutachten grundsätzlich nur mit Zustimmung der Parteien stützen. Bestreitet eine Partei die Richtigkeit des Privatgutachtens, muss das Gericht ein weiteres Gutachten einholen, sofern die beweisbelastete Partei dies beantragt hat (BGH, Urteil vom 16.07.2003, IV ZR 310/02).

OLG Nürnberg bekräftigt Notwendigkeit eines gerichtlichen Gutachtens 

Hieran knüpft ein aktuelles Urteil des Oberlandesgerichts Nürnberg (09.08.2021, 8 U 1139/21). Ihm lag die Klage eines Versicherten zugrunde, der Leistungen aus einer privaten Unfallversicherung begehrte, welche Leistungen erst ab einem Invaliditätsgrad von 50% vorsah. Den Grad seiner unfallbedingten Invalidität hatten zwei Gutachter des Versicherers vorgerichtlich mit 21% bemessen. Im Klageverfahren behauptete der Versicherte mindestens 50%ige Invalidität und bot zum Beweis die Einholung eines gerichtlichen Sachverständigengutachtens an.

Landgericht hatte Klage auf Grund von Versicherer-Gutachten abgewiesen 

Das Landgericht Nürnberg-Fürth überging den Beweisantrag jedoch und wies die Klage mit Urteil vom 19.03.2021 (8 O 5003/20) ab. Nach den Vorgutachten sei - so das Gericht - maximal eine 42%ige Invalidität gegeben, weshalb die Beweiserhebung entbehrlich gewesen sei.

Anspruchs auf rechtliches Gehör verletzt

Auf die Berufung des Versicherten hob das Oberlandesgericht das Urteil auf. Das Landgericht habe den Anspruch des Versicherten auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) verletzt, indem es von der Einholung eines Gutachtens abgesehen habe mit der Begründung, das Gegenteil seiner Behauptung stehe aufgrund der beiden Privatgutachten bereits fest. Hierin liege eine unzulässig vorweggenommene Beweiswürdigung. Der Beweisantrag des Versicherten sei weder unzulässig noch ungeeignet. Selbst wenn behauptete Tatsachen nach Aktenlage unwahrscheinlich erschienen, rechtfertige dies im Regelfall nicht, einem ordnungsgemäß angetretenen Beweis nicht nachzugehen. „Nachvollziehbare Anhaltspunkte“ für die Fehlerhaftigkeit der beiden Gutachten habe der Versicherte hierfür nicht vorbringen müssen.

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