Fünf Jahre Dieselskandal: Wie steht es um die Verjährung?

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Fünf Jahre ist es mittlerweile her, dass der Dieselskandal an die Öffentlichkeit gelangte. Nachdem VW im September 2015 zugegeben hatte, dass man bei den Abgaswerten der Dieselfahrzeuge geschummelt hat, zogen viele Autobesitzer vor Gericht. Im weiteren Verlauf gerieten immer mehr Fahrzeughersteller in den Fokus der Ermittler. Bis heute zieht sich der Skandal hin, teilweise weil die Hersteller auf Zeit spielen und die Angelegenheit aussitzen wollen. Aber ein Ende ist nicht in Sicht. 

Was ist in Sachen Verjährung noch möglich?

Dadurch, dass sich der Skandal so lange hinzieht, ist das Thema Verjährung für viele geschädigte Dieselfahrer nach wie vor ein wichtiger Aspekt. Bei vielen Verbrauchern herrscht Unklarheit, wann die Verjährungsfrist tatsächlich in Kraft tritt beziehungsweise ob es sich um einen Zeitraum von drei oder von gar zehn Jahren handelt. In diesem Beitrag erklären wir Ihnen die verschiedenen Verjährungsfristen und geben einen Überblick, was für Sie im Abgasskandal in Sachen Verjährung noch möglich ist. 

Überblick: Zwei Jahre Gewährleistungsansprüche bei Kaufvertrag

Beginnen wir mit den sogenannten Gewährleistungsansprüchen aus dem Kaufvertrag, so wie man es beim Kauf von beispielsweise Staubsaugern oder Mikrowellen kennt. Bei neu gekauften Artikeln gibt es grundsätzlich eine zweijährige Verjährung. Das ist die vertragliche Gewährleistung aus dem Kaufvertrag, also der vertragliche Anspruch aus der Verbindung zwischen dem Verkäufer und dem Käufer. Es gibt auch Regelungen für gebrauchte Artikel, die hier nicht im Weiteren ausgeführt werden sollen. 

Überblick: Drei Jahre regelmäßige Verjährung

Im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) gibt es grundsätzliche Verjährungsregeln. Der § 195 BGB besagt allgemein: Die sogenannte regelmäßige Verjährungsfrist beträgt drei Jahre. Sie tritt beispielsweise bei einer deliktischen Handlung wie dem Abgasbetrug ein, einer vorsätzlich sittenwidrigen Schädigung nach § 826. 

Die Verjährung beginnt immer mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist und der Inhaber von den Umständen, die den Anspruch begründen, Kenntnis erlangt hat (§ 199 BGB Abs. 1). Mit Ablauf des 31. Dezember verjähren demnach die Ansprüche, die der regelmäßigen Verjährungsfrist unterliegen. 

Hier ein Beispiel: Wenn man am 23.11.2014 ein Dieselfahrzeug gekauft hat, würde die Verjährungsfrist grundsätzlich mit dem Kauf beginnen. Damals hatten die Hersteller schon die Abgasschummelei betrieben, allerdings hatte man als Käufer davon noch keine Kenntnis. Der Dieselskandal ist nämlich erst im September 2015 bekannt geworden. Hier greift also § 199 BGB Abs. 1 Nr. 2: Erst wenn ich Kenntnis erlange, beginnt die Verjährungsfrist. Konkret bedeutet das: Wenn ich 2015 Kenntnis erlangt habe, fängt am 01.01.2016 um 0 Uhr die Verjährungsfrist an und dauert bis zum 31.12.2018, 24 Uhr (die sogenannte Jahresendverjährung).  

Im Unterschied dazu: Die Verjährung des Gewährleistungsanspruchs, wie sie am Anfang des Beitrags erklärt wurde, ist keine Jahresendverjährung, sondern eine Stichtagsverjährung. Das Fahrzeug wurde am 23.11.2014 gekauft, die Frist beginnt am 24.11.2014 um 0 Uhr und endet zwei Jahre später am 23.11.2016, 24 Uhr. 

Überblick: Zehn Jahre sonstige Schadensersatzansprüche ohne Rücksicht auf die Kenntnis

Die Allgemeinverjährung tritt also drei Jahre nach Entstehen des Anspruchs und vor allem nach Kenntnis des Anspruchs in Kraft. Nun haben Sie als Käufer aber gar keine Kenntnis von einem anspruchsbegründeten Umstand erlangt. Sie haben 2007 ein Fahrzeug gekauft, an dem von Anfang an ein Schaden war, von dem Sie aber nichts wussten. Erst im Jahr 2017 haben Sie Kenntnis davon erlangt. Aber kann man nach so einer langen Zeit noch dagegen vorgehen? 

Der Gedanke hier ist: Der Gesetzgeber möchte irgendwann Rechtsfrieden zwischen den streitenden Parteien haben, deshalb wird der Zeitraum des Anspruchs begrenzt. Im § 199 BGB Abs. 3 Nr. 1 heißt es: Sonstige Schadensersatzansprüche verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an. Das heißt, wenn Ihre Schädigungshandlung im Juli 2007 war und Sie im August 2017 davon erfahren, wären die zehn Jahre Verjährungsfrist vorbei. 

Was ist, wenn die schädigende Handlung später eintritt? 

Im Falle des Dieselskandals gilt: Die schädigende Handlung ist der Verkauf, also das In-den-Verkehr-Bringen eines fehlerhaften Fahrzeugs. Gehen wir davon aus, dass Sie Ihr Fahrzeug 2010 gekauft haben. Nun hat der Hersteller im Mai 2016 ein Software-Update entwickelt, das vom Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) angeordnet wurde. Im Nachhinein stellte sich heraus, dass dieses Update zu massiven Problemen beim Fahrzeug führt.  

Damit ist nicht mehr der Kauf 2010 als Anknüpfungspunkt der schädigenden Handlung zu betrachten. Durch das Software-Update ist nach unserer Auffassung eine neue Schädigungshandlung aufgetreten, der Anspruch also 2016 entstanden. Ende 2019 wäre die Frist hier abgelaufen.  

Hier ist aber auch wieder wichtig zu beachten: Wann haben Sie davon erfahren, dass das Software-Update Schäden verursacht? Haben Sie erst im Jahr 2020 davon erfahren, endet die Verjährungsfrist erst Ende 2023. Erfahren Sie erst im Juni 2026 davon, ist die Zehn-Jahre-Grenze überschritten. Denn hier gilt wieder der Gedanke des Gesetzgebers: Nach zehn Jahren soll Rechtsfrieden herrschen. Dieser Rechtsfrieden gilt nicht für alles, zum Beispiel wenn es um die Verletzung des Lebens, des Körpers, Gesundheit usw. geht. Dies soll hier aber nicht weiter behandelt werden. 

Ab wann Kenntnis?

Die Frage, um die es sich immer wieder dreht, lautet: Ab wann hatte man Kenntnis? Der BGH hat im Juli 2020 geurteilt, dass man davon ausgehen kann, dass die Öffentlichkeit ab September 2015 mit dem Bekanntwerden des Dieselskandals und der breiten Berichterstattung in den Medien davon Kenntnis hatte. Hier griff für viele Fahrzeugbesitzer das Datum 31.12.2018 als Ende der allgemeinen dreijährigen Verjährungsfrist. 

Im Falle des Software-Updates vom Mai 2016 lag für viele das Fristende am 31.12.2019. Allerdings herrscht hier noch große Unklarheit, ab wann man wissen konnte, dass das Software-Update zu Schäden am Fahrzeug führt. Unserer Einschätzung nach konnten aufmerksame Verfolger der Angelegenheit etwa frühestes 2018, also mit den ersten Urteilssprüchen, davon Kenntnis gehabt haben – womit wir bei der Verjährung Ende 2021 wären. 

Manche Rechtsexperten gehen sogar so weit und sagen, die Situation war bis zum 25.05.2020, dem Tag des Grundsatzurteils des BGH in Sachen VW, für die Allgemeinheit völlig unklar. Sie argumentieren, dass die Öffentlichkeit bis dahin gar keinen Überblick hatte, was wirklich vor sich ging. Deshalb könne man den Fahrzeugbesitzern auch nicht zumuten, vor dem BGH-Urteil Kenntnis gehabt zu haben. In diesem Fall fordern ebenjene Rechtsexperten eine Verjährungsfrist seit dem BGH-Urteil im Mai 2020. Damit wären aber viele der Fahrzeuge wiederum an oder über der Grenze von zehn Jahren, da viele betroffene Fahrzeuge vor oder im Jahr 2010 gekauft wurden. 

Handeln Sie jetzt, bevor die Fristen abgelaufen sind

Nach wie vor sind Klagen im Dieselskandal möglich. Vor allem Dieselfahrzeuge mit den VW- und Audi-Motoren EA288, EA896 und EA897 sind von den Abgasmanipulationen betroffen. Dazu zählen fast alle Modelle aus dem Hause VW, also auch Audi, Porsche, Seat oder Skoda. Ebenso Hersteller wie Mercedes-Benz, BMW, Fiat oder Renault stehen im Fokus der Ermittlungen. Auch bei Benziner-Fahrzeugen sind mittlerweile auffällige Abgaswerte entdeckt worden. 

Wenn Sie nicht wissen, ob Ihr Fahrzeug vom Abgasskandal betroffen ist, helfen wir Ihnen gern weiter. Auf www.diesel-gate.com können sie einfach und bequem von zu Hause aus in nur wenigen Minuten prüfen, ob Sie Schadensersatzansprüche geltend machen können. Lieber telefonisch? Sie können uns auch gern unter 030/959 982 238 erreichen, montags bis freitags 9 bis 18 Uhr. Wir machen uns für Sie stark! 



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