Geänderte Insolvenzgründe und Zahlungsverbote bei Insolvenzreife

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I. Insolvenzgründe wurden in 2021 neu geregelt. Was sind die wichtigsten Änderungen, die man kennen muss?

1. Drohende Zahlungsunfähigkeit, §18 InsO
Der Schuldner droht zahlungsunfähig zu werden, wenn er voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die bestehenden Zahlungspflichten im Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen. In aller Regel ist ein Prognosezeitraum von 24 Monaten zugrunde zu legen.

Früher war der Zeitraum nicht gesetzlich geregelt. Jetzt sollen mit den 24 Monaten mehr Klarheit geschaffen und die Sanierungsmöglichkeiten erweitert werden Durch die 

2. Überschuldung, § 19 InsO
Überschuldung liegt vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens ist in den nächsten zwölf Monaten nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich.

Der Zeitraum war früher nicht gesetzlich geregelt. Jetzt besteht mehr Planungssicherheit.

Sonderregelung in § 4 COVinsAG:
Zwischen dem 1. Januar 2021 und dem 31. Dezember 2021 gilt anstelle des Zeitraums von zwölf Monaten ein Zeitraum von vier Monaten. Es müssen allerdings vier Voraussetzungen vorliegen, die gesetzlich geregelt sind. Alleine hat ein Schuldner auf Grund der komplizierten Regelungen fast keine Chance, herauszufinden, wann er jetzt was anmelden muss. Externer Profirat ist sinnvoll/notwendig.

3. Insolvenzantragspflicht, § 15a InsO
Wird eine juristische Person zahlungsunfähig oder überschuldet, haben die Mitglieder des Vertretungsorgans oder die Abwickler ohne schuldhaftes Zögern einen Eröffnungsantrag zu stellen. Der Antrag ist spätestens drei Wochen nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit und sechs Wochen nach Eintritt der Überschuldung zu stellen.

Früher gab es nur die Drei-Wochen-Frist- jetzt wird bei der Anmeldefrist differenziert zwischen Zahlungsunfähigkeit und der Überschuldung. 

II. Zahlungsverbote nach Eintritt der Insolvenzreife und Ausnahmen

1. Neue Regelung
Die alte Regelungen in §§ 64 GmbHG, § 92 Abs. 2 AktG wurden in § 15b InsO übergeführt:
"Die in § 15a Absatz 1 Satz 1 genannten Mitglieder des Vertretungsorgans und Abwickler einer juristischen Person dürfen nach dem Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder der Überschuldung der juristischen Person keine Zahlungen mehr für diese vornehmen. "

2. Ausnahme vom Zahlungsverbot
Das Zahlungsverbot gilt nicht für Zahlungen, die mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar sind. Zahlungen, die im ordnungsgemäßen Geschäftsgang erfolgen, insbesondere solche Zahlungen, die der Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs dienen, gelten mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar.

3. Einschränkung der Ausnahme
Die Ausnahme gilt, solange die antragspflichtigen Maßnahmen zur nachhaltigen Beseitigung der Insolvenzreife oder zur Vorbereitung eines Insolvenzantrags mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters betreiben. Zahlungen sind auch erlaubt, wenn der vorlöufige Verwalter den Zahlungen zustimmt.
Ist der nach § 15a Absatz 1 Satz 1 und 2 für eine rechtzeitige Antragstellung maßgebliche Zeitpunkt verstrichen und hat der Antragspflichtige keinen Antrag gestellt, sind Zahlungen in der Regel nicht mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar.

4. Erstattungspflicht des Geschäftsführers
Werden verbotswidrig Zahlungen geleistet, sind die Antragspflichtigen der juristischen Person zur Erstattung verpflichtet.

5. Einschränkung der Schadensersatzpflicht
Ist der Gläubigerschaft der juristischen Person ein geringerer Schaden entstanden, beschränkt sich die Ersatzpflicht auf den Ausgleichdieses Schadens. 

Zu Gunsten der Geschäftsführer wurde die Ersatzpflicht eingeschränkt. Zu oft haben Insolvenzverwalter Ansprüche geltend gemacht, die den Gesellschaften Mittel verschafften, die vorher im werbenden Zustand nie vorhanden waren oder von den Geschäftsführern in einem Leben nicht aufzubringen waren.


Haftung bedeutet nicht Vernichtung.  

Hermann Kulzer MBA

Fachanwalt für Insolvenzrecht
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
Sanierungsmoderator
Restrukturierungsbeauftragter
kulzer@pkl.com




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