Gefährliche Körperverletzung durch Zahnarzt?

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Eine bereits seit langem in Rechtsprechung und Literatur diskutierte Frage ist die, ob medizinisches Gerät, welches durch qualifiziertes Fachpersonal verwendet wird, ein gefährliches Werkzeug im Sinne des § 224 Abs. 1 Nr. 2 StGB darstellt, wenn die Behandlung von der Ausführung her regelkonform erfolgt. Dann würde aus der (einfachen) Körperverletzung eine gefährliche Körperverletzung, welche grundsätzlich eine Mindestfreiheitsstrafe von 6 Monaten vorsieht.

Das OLG Karlsruhe hatte über einen Fall zu entscheiden (Beschluss vom 16.03.2022, Az.: 1 Ws 47/22, StraFo 6/2023, S. 242 ff.), in dem der betreffende Zahnarzt in 33 Fällen Zähne der Patienten gezogen hatte. Das Problem dabei: Es hätte alternative Behandlungsmethoden zur Erhaltung der Zähne gegeben, die der Zahnarzt verschwieg, um anschließend Zahnersatz einsetzen und daran verdienen zu können. Die Einwilligung der Patienten in die Eingriffe war mithin mangels ordnungsgemäßer Aufklärung nicht wirksam.

Das OLG Karlsruhe bewertete die Vorgänge als gefährliche Körperverletzung und argumentierte damit nahe am Gesetz und der anerkannten Definition eines gefährlichen Werkzeugs. Ein solches liegt nämlich vor, wenn das verwendete Tatmittel in der konkreten Art der Verwendung dazu geeignet ist, dem Opfer erhebliche Verletzungen beizubringen. Zwar werden Schmerzen während der Behandlung regelmäßig durch Anästhesie ausgeschaltet, jedoch treten solche oftmals nach Abklingen der Betäubung wieder auf. Die Trennung der Verbindung zwischen Zahn und Nerv führe zum unwiederbringlichen Verlust eines Teils des Gebisses. Es entstehe für einige Tage eine offene Wunde im Mundraum, die zu Blutungen und Infektionen führen könne. Nicht unerhebliche Schmerzen und Probleme bei der Nahrungsaufnahme seien häufig der Fall. Dies passiere insbesondere bei der Entfernung mehrerer Zähne bei einem Patienten, was vorliegend geschehen sei.

Stimmen aus der Literatur argumentieren dagegen und sehen nur eine einfache Körperverletzung (Anmerkung Bergschneider in: StraFo 6/2023, S. 244). Sie argumentieren mit der Systematik des Gesetzes, die sich trotz Änderung des § 223a StGB (gefährliches Werkzeug als Unterfall einer Waffe) in § 224 StGB (gefährliches Werkzeug als Oberbegriff) im Jahre 1998 nicht geändert hätte. Zudem setze ein gefährliches Werkzeuge (zusätzlich zur o.g. Definition) noch einen Einsatz des Tatmittels zu Angriffs- oder Verteidigungszwecken voraus, der vorliegend fehle. Letztlich sei darauf abzustellen, ob es sich insgesamt um eine gefährliche Situation handele. Dies sei bei einem medizinischen Gerät (bspw. Skalpell oder Zange) in der Hand eines Arztes oder Zahnarztes nicht der Fall, da dieser fachgerecht damit umgehen könne und durch präzisen Einsatz Gefahren vermeiden könne. Diese Auffassung übersieht m.E., dass zum ordnungsgemäßen Eingriff de lege artis auch gehört, dass der Patient vollständig über die Behandlungsmöglichkeiten aufgeklärt wird und in umfassender Kenntnis wirksam einwilligt. Dies sind nicht nur (straf-) rechtliche, sondern auch medizinische Kriterien.

Letztlich halte ich daher die Auslegung des OLG Karlsruhe für überzeugend.

Zu der aus meiner Sicht spannenden Frage, ob das Verhalten des Zahnarztes im vorliegenden Fall auch einen Betrug zu Lasten der Patienten oder der Krankenkassen darstellt, äußert sich der (veröffentlichte) Beschluss leider nicht.

Florian Gempe
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Strafrecht



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