Gemeinsames Sorgerecht: Türkei-Reise des Kindes nur mit beiderseitiger Zustimmung

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Sicherheitsbedenken bei der Auswahl eines Reiseziels sind keine Alltagsprobleme

In vielen Familien wird zurzeit darüber diskutiert, ob ein Badeurlaub in der Türkei aufgrund der dort herrschenden politischen Situation gefährlich sein könnte. Nicht nur überängstliche Menschen weisen darauf hin, dass es im Land bereits Terroranschläge gegeben hat, bei denen Touristen ums Leben kamen. In dem Fall, den das Oberlandesgericht Frankfurt am Main unter dem Aktenzeichen 5 UF 206/16 zu bearbeiten hatte, ging es um Familienrecht.

Die streitenden Parteien waren geschiedene Eheleute. Für ihren gemeinsamen, aus der Ehe hervorgegangenen Sohn übten sie gemeinsames Sorgerecht aus. Die Kindesmutter, die den Jungen hauptsächlich versorgte, wollte mit ihm in den Urlaub zum Baden in die Türkei fliegen. Sie hatte die sich bietende Gelegenheit ergriffen, zum verhältnismäßig günstigen Preis eine Reise zu buchen. Der Urlaub sollte besonders für das Kind schön werden. Unter anderem war geplant, vor Ort Freunde zu treffen, die ebenfalls in die Türkei reisen wollten. Weil das Auswärtige Amt keine konkrete Reisewarnung für die Ferienregion ausgegeben hatte, freute sich die Kindesmutter auf einen preiswerten und angenehmen Urlaub.

Kindesvater verweigerte Zustimmung zur Urlaubsreise

Der Kindesvater war gegen die Türkeireise und berief sich mit seiner Ablehnung auf gemeinsames Sorgerecht. Die unübersichtliche politische Lage mit versuchtem Putsch gegen die Regierung, Kurdenkrise und Terroranschlägen sei für ihn auch dann ein Grund, Urlaubsreisen in die Türkei abzulehnen, wenn das Auswärtige Amt aus diplomatischen Gründen keine generelle Reisewarnung herausgegeben hätte. Die Kindesmutter hätte sich in Anbetracht der nahezu täglichen Berichte über die gefährliche Entwicklung in ihrem bevorzugten Urlaubsland rechtzeitig darum bemühen müssen, den Urlaub umzubuchen. Hätte sie das getan, wäre die Enttäuschung des Kindes, für das es nun um „Reisen oder nicht Reisen“ geht, im Rahmen geblieben.

Weil der Kindesvater seine Zustimmung zur Urlaubsreise verweigerte, stellte die Kindesmutter bei der für Familienrecht zuständigen Abteilung des Amtsgerichts Offenbach den Antrag, ihr hinsichtlich der Urlaubsreise das alleinige Entscheidungsrecht gemäß § 1628 BGB zu übertragen. Gegen die antragsgemäß ergangene Entscheidung legte der Kindesvater bei dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main Beschwerde ein.

Sicherheitsbedenken des Kindesvaters nicht vorgeschoben

Die Richter für Familienrecht entschieden durch Beschluss vom 21.07.2016, dass der § 1628 BGB keine Anwendung finden kann, weil es sich nicht um eine Angelegenheit des täglichen Lebens handelte und die Sicherheitsbedenken des Kindesvaters nicht vorgeschoben, sondern ernsthaft begründet waren.

Eltern, die nach der Scheidung gemeinsames Sorgerecht für ein minderjähriges Kind ausüben, müssen wichtige Entscheidungen grundsätzlich einverständlich treffen (§ 1687 BGB). Die Alleinentscheidungsbefugnis ist ein Ausnahmefall für gemeinsames Sorgerecht bei Alltagsproblemen. Lehnt ein Elternteil seine Zustimmung zu einer Auslandsreise wegen nachvollziehbarer Sicherheitsbedenken ab, kann das Familiengericht grundsätzlich keine Alleinentscheidung genehmigen.


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