Geschäftsraummiete. Aktuelle Herausforderungen.

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Der Ukraine-Krieg, steigende Energiekosten und Zinsen sowie eine ungewohnt hohe Inflation stellen auch die Immobilienwirtschaft vor große Herausforderungen. 

Dies betrifft nicht nur die Baubranche, die sich zudem mit steigenden Baukosten konfrontiert sieht, welche die Realisierung des einen oder anderen Projekts in Frage stellen und einige Projektentwickler in finanzielle Bedrängnis bringen dürfte. 

Auch bestehende und neu abzuschließende Mietverträge sind betroffen und bisherige „Standards“ auf dem Prüfstand. Unter anderem stellen sich für die Parteien eines  Gewerbemietvertrages aktuell folgende Fragen und Herausforderungen:

  • Welche Auswirkungen hat die aktuelle Lage auf die in gewerblichem Mietverträgen üblichen Indexklauseln? 
  • Werden die Parteien eines Mietvertrages vermehrt versuchen, sich von langfristigen Mietverträgen, z.B. wegen eines (vermeintlichen) Verstoßes gegen das Schriftformerfordernis des § 550 BGB, vorzeitig zu lösen? 
  • Kommt eine Untervermietung in Betracht um die Mietbelastung zu reduzieren, wenn nicht mehr alle angemieteten Flächen genutzt werden und was ist dabei zu beachten?  
  • Führen steigende Kosten zu mehr Streitigkeiten über Betriebs- und Nebenkostenabrechnungen? 

Hierzu folgende Hinweise und Impulse:  

1. Mietanpassung. Indexklauseln in Zeiten steigender Inflation.

Automatische Wertsicherungsklauseln sind in Geschäftsraummietverträgen bei einer festen - bzw. für den Mieter einseitig beeinflussbaren (z.B. 5 Jahre fix, plus 5 Jahre Verlängerungsoption des Mieters) - Laufzeit von mindestens 10 Jahren weit verbreitetet.

Die Anforderungen an eine solche Indexklausel sind im Preisklauselgesetz (PrKG) geregelt. In der Regel wird in den Verträgen auf die Entwicklung des Verbraucher-preisindexes (VPI) Bezug genommen, der die durchschnittliche Preisveränderung aller Waren und Dienstleistungen in Deutschland, die von privaten Haushalten für Konsumzwecke gekauft werden, abbildet ( www.destatis.de).

Im Hinblick auf die aktuell steigende Inflation kann dies zu einer vom Mieter bei Mietbeginn nicht kalkulierten Steigerung der Miete führen, zumal Indexklauseln in der Vergangenheit im Rahmen der Verhandlungen nicht selten vernachlässigt wurden. Mit zunehmender Unsicherheit und Inflation gewinnen diese aber an Bedeutung, sei es im Rahmen von Neuabschlüssen oder der Verhandlung von Nachträgen zu bestehenden Mietverträgen. Im Einzelnen können diese Klauseln durchaus unterschiedlich ausgestaltet sein.

Während z.B. die Bezugnahme auf einen möglichst frühen Bezugspunkt und eine frühzeitige Anpassung der Miete von Vermietern angestrebt wird, ist ein späterer Indexstand als Ausgangspunkt für die Anpassung und die Vereinbarung einer „indexfreien“ Zeit für Mieter zu empfehlen. 

Verhandelt wird regelmäßig auch über die Schwelle, ab welcher Indexänderung eine Mietanpassung ausgelöst wird, sowie die Höhe der Anpassung im Verhältnis zu einer Indexänderung. Denkbar ist vieles.

Aus Mietersicht kann sich u.U. die Prüfung einer Indexklausel auf Übereinstimmung mit dem PrKG anbieten. Dabei ist zu beachten, dass die Indexklausel bis zur rechtskräftigen Feststellung ihrer Unwirksamkeit weiter anwendbar bleibt, so dass ein rasches Handeln geboten ist. Vermieter dagegen haben aus v.g. Grund ein Interesse daran, einen solchen Rechtsstreit in die Länge zu ziehen.

Allerdings sollten m.E. beide Parteien eines langfristigen Mietverhältnisses Interesse an einer einvernehmlichen und wirksamen Regelung haben, die den Interessen beider Seiten Rechnung trägt.


2. Schriftformerfordernis. §§ 578, 550 BGB. Vorzeitige Kündigung langfristiger Mietverträge.

Die Corona-Pandemie und die damit einhergehenden staatlichen Maßnahmen haben teilweise zu Einschränkungen des Mietgebrauchs und zu Betriebsschließ-ungen geführt. Mieter konnten zum Teil ihre Miete nicht mehr zahlen und Flächen blieben ungenutzt. Neben Mietminderungen haben einige Mieter auch versucht, sich von langfristigen Mietverträgen wegen eines (vermeintlichen) Schriftformverstoßes vorzeitig vom Vertrag zu lösen. 

Im Hinblick auf die steigenden Energiekosten und die aktuelle wirtschaftliche Entwicklung steht zu befürchten, dass Mieter erneut in Schwierigkeiten geraten und nach Möglichkeiten suchen, langfristige Mietverträge vorzeitig zu beenden, um Mietflächen und laufende Mietzahlungsverpflichtungen zu reduzieren - oder auch nur um Mietkonditionen in ihrem Sinne anzupassen.

Ein möglicher Ansatzpunkt dafür ist ein Verstoß gegen das Schriftformerfordernis gemäß § 550 BGB. Danach  bedürfen Mietverträge, die für längere Zeit als ein Jahr geschlossen werden, der gesetzlichen Schriftform. Genügt der Mietvertrag dem Schriftformerfordernis nicht, so gilt er für unbestimmte Zeit geschlossen und kann nach Ablauf eines Jahres unter Beachtung der gesetzlichen Kündigungsfristen von beiden Parteien vorzeitig beendet werden. 

Die Gründe für einen solchen Schriftformverstoß sind vielseitig. Nicht selten führen Nebenabreden während des laufenden Mietverhältnisses, oder selbst der Abschluss eines schriftlichen Nachtrags, der seinerseits gegen § 550 BGB verstößt und damit den Hauptmietvertrag „infiziert“, zur Kündbarkeit des gesamten Mietvertrages. Dies kann sowohl für Mieter und deren Betrieb, als auch Vermieter und deren Finanzierung, erhebliche Auswirkungen haben.

Sogenannte „Schriftformheilungsklauseln“, wonach sich die Parteien verpflichten, einen etwaigen Schriftformverstoß durch Abschluss eines Nachtrages zu heilen, sind nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs aus 2017 unwirksam und helfen nicht weiter. Nur ausnahmsweise sei eine solche Kündigung unzulässig, z.B. „…wenn der Vertragspartner den anderen schuldhaft von der Einhaltung der Schriftform abgehalten habe oder sich sonst einer besonders schweren Treuepflichtverletzung schuldig gemacht hat oder wenn bei Formwidrigkeit die Existenz der anderen Vertragspartei bedroht wäre“. 

Sowohl bei Abschluss von Mietverträgen als auch Nachträgen bzw. abweichenden Vereinbarungen,   sollte daher sorgfältig auf die Einhaltung der Schriftform geachtet werden.


3. Die Untervermietung. §§ 578, 553 BGB. Reduzierung der Mietbelastung.

In der Vergangenheit wurden tendenziell größere Fläche angemietet und dabei auch das erwartete Wachstum des Unternehmens und der Mitarbeiterzahlen berück-sichtigt. 

Moderne Bürokonzepte, die steigende Akzeptanz der Arbeit aus dem „Homeoffice“ sowie die aktuelle wirtschaftliche Lage und steigende Energie- und Nebenkosten führen immer mehr zu einem Umdenken und dem Wunsch vieler Mieter, langfristig angemietete Flächen und damit die Mietbelastung zu reduzieren. 

Wenn der Mietvertrag nicht bereits eine flexible Gestaltung – z.B. in Form einer kurzen Festmietzeit und mehreren Verlängerungsoptionen (ggf. auch nur für Teilflächen), oder Sonderkündigungsrechte des Mieters o.ä. vorsieht –, der Vermieter zu einer Reduzierung der Mietfläche nicht bereit ist und auch eine vorzeitige Beendigung (s.o.) nicht in Betracht kommt,  bietet sich u.U. eine Untervermietung von (Teil-) Flächen als Lösung an:

Ein Anspruch des Mieters auf Untervermietung besteht nach den gesetzlichen Regelungen zwar nicht; der Mieter hat jedoch grundsätzlich ein Kündigungsrecht, wenn der Vermieter die Erlaubnis ohne wichtigen, in der Person des Untermieters liegenden Grund versagt (§ 540 Abs. 1 S. 2 BGB). 

Allerdings ist vor Abschluss eines Untermietvertrages Vorsicht und besondere Sorgfalt geboten:

Zum einen kann das Recht zur Untervermietung vertraglich ausgeschlossen oder beschränkt sein. Zum anderen kommt eine Untervermietung grundsätzlich nur zu dem im Hauptmietvertrag vereinbarten Mietzweck in Frage. 

Ungeachtet dessen sind bei der Gestaltung des Untermietvertrages die einzelnen Regelungen des Hauptmietvertrages sorgsam zu prüfen und in dem Untermiet-vertrag ggf. anzupassen, um die Erfüllung der Pflichten des Hauptmieters sicherzustellen und Schadensersatzansprüche des Ver- oder Untermieters diesem gegenüber auszuschließen. 

Von der häufig zu beobachtenden Praxis, in dem Untermietvertrag schlicht die Regelungen des Hauptmietvertrages auch zwischen Haupt- und Untermieter zu vereinbaren, ist dringend (!) abzuraten. 

Aus Sicht des Untermieters ist ferner zu beachten, dass der Vermieter die Mietsache nach (vorzeitiger) Beendigung des Hauptmietvertrages – z.B. wegen Zahlungsrückständen des Hauptmieters - unmittelbar von dem Untermieter heraus verlangen kann (§ 546 Abs. 2 BGB). Auch dies sollte im Interesse des Untermieters berücksichtigt und nach Möglichkeit der Vermieter „mit ins Boot geholt“ werden.


4. Betriebs- und Nebenkosten. “Die zweite Miete“.

Es ist offenkundig, dass die Betriebs- und Nebenkosten von Immobilien steigen. Mieter müssen daher u.U. mit erheblichen Nachforderungen seitens der Vermieter und Versorger rechnen. Insofern empfiehlt es sich Vorsorge zu treffen und ggf. Rückstellungen zu bilden.

Aus Sicht der Vermieter wäre zu prüfen, ob eine frühzeitige Anpassung der vom Mieter zu leistenden Vorauszahlungen in Betracht kommt. Schließlich muss zunächst der Vermieter die erhöhten Kosten tragen, die er u.U. nicht oder erst nach einem längeren Rechtsstreit ersetzt bekommt. Ausgangspunkt für die Beantwortung dieser Frage ist zunächst der jeweilige Mietvertrag, bevor andere Möglichkeiten der Anpassung geprüft werden.

Die Erfahrung zeigt, dass Streitigkeiten über Betriebs- und Nebenkostenabrech-nungen zunehmen je höher die Nachforderungen sind. Vermutlich werden sich Mieter die Abrechnung für das laufende Abrechnungsjahr genauer ansehen und Einwendungen erheben – häufig vermutlich zu recht, wie der relativ hohe Anteil fehlerhafter Abrechnungen durch Vermieter in der Praxis zeigt.

Der Vermieter muss zunächst eine formell ordnungsgemäße Abrechnung erstellen; ansonsten wird eine Nachforderung nicht fällig. 

Dafür muss er i) die Betriebskostenpositionen auflisten, ii) die Kosten je Position und die Gesamtkosten aufführen, iii) den Umlagemaßstab angeben und erläutern und schließlich iv) die geleisteten Vorauszahlungen in Abzug bringen. 

Nach einem Urteil des BGH vom 20.01.2021 (Az: XII ZR 40/20) sind an die Abrechnung in formeller Hinsicht keine allzu hohen Anforderungen zu stellen. Ferner sind u.U. vertraglich vereinbarte Abrechnungs- und Ausschlussfristen zu beachten. 

§ 556 Abs. 3 BGB, der für die Wohnraummiete einen Ausschluss von Nachforder-ungen anordnet, die der Vermieter später als 12 Monate nach  Ablauf des Abrech-nungszeitraums verlangt, ist auf die Geschäftsraummiete zwar nicht (analog) anwendbar; allerdings können solche Fristen auch in Gewerbemietverträgen vereinbart werden. 

Inhaltliche, materielle Einwendungen muss der Mieter vorbringen und die Abrechnung ggf. selbst korrigieren. Die Darlegungs- und Beweislast für die der Abrechnung zugrunde liegenden Tatsachen liegt jedoch beim Vermieter. 

Unstreitige Nachforderungen sollte der Mieter zur Vermeidung einer etwaigen Kündigung durch den Vermieter aber gleichwohl zahlen – ggf. jedoch unter Vorbehalt.

Wenn Sie eine persönliche und verbindliche Beratung wünschen, stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung. 

Dieser Newsletter ist nicht geeignet, eine persönliche Beratung im Einzelfall zu ersetzen und er kann nicht als Grundlage jedweder Entscheidungen gemacht werden.  Jedwede Haftung ist daher ausgeschlossen.  

PS

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit habe ich mich dazu entschieden, in diesem Newsletter nur die männliche Schreibweise zu verwenden. Selbstverständlich spreche ich aber alle Geschlechter m/w/d gleichberechtigt an.



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