Geschlechtsanpassung – Was zahlt die Krankenkasse?

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In einem Urteil vom 28.09.2010 (Az.: B 1 KR 5/10 R) hatte das Bundessozialgericht (BSG) zu entscheiden, ob die Kosten für eine geschlechtsangleichende Operation in Form einer Klitorisvergrößerung mit Schamlippenimplantaten von der Krankenkasse zu tragen sind.

Die 1973 geborene Klägerin leidet unter einer Störung der Geschlechtsidentität in Form einer sog. Zisidentität. Die Betroffenen streben eine Anpassung an das andere Geschlecht an, ohne die eigenen körperlichen Geschlechtsmerkmale völlig verlieren zu wollen. Die bei der AOK versicherte Klägerin wird seit 1997 deswegen psychotherapeutisch behandelt. Die beklagte Krankenkasse gewährte ihr eine operative Brustverkleinerung, eine geschlechtsangleichende Hormontherapie und die operative Re-Modellierung einer männlichen Brust. Die ebenfalls begehrte Klitorisvergrößerung mit Schamlippenimplantaten lehnte die Krankenkasse ab. Die hierauf gerichtete Klage wies das Sozialgericht Leipzig mit Urteil vom 10.11.2009 (Az.: S 8 KR 333/07) ab. Die gegen dieses Urteil gerichtete Sprungrevision hat das BSG als unbegründet zurückgewiesen.

Das BSG lässt offen, ob die Klägerin überhaupt an einer behandlungsbedürftigen Krankheit, sei es körperlicher oder geistiger Art, leidet. Als Rechtsfolge könne die Klägerin jedenfalls nicht die von ihr begehrte Operation verlangen.

„Die Rechtsprechung des BSG verneint die Behandlungsbedürftigkeit psychischer Krankheiten mittels angestrebter körperlicher Eingriffe, wenn diese Maßnahmen nicht durch körperliche Fehlfunktionen oder durch Entstellung, also nicht durch einen regelwidrigen Körperzustand veranlasst werden. In Bezug auf Operationen am - krankenversicherungsrechtlich betrachtet - gesunden Körper, die psychische Leiden beeinflussen sollen, lässt sich ausgehend von der aufgezeigten Rechtsprechung grundsätzlich eine Behandlungsbedürftigkeit nicht begründen. Daran hält der Senat fest. Allein das subjektive Empfinden eines Versicherten vermag die Regelwidrigkeit und die daraus abgeleitete Behandlungsbedürftigkeit seines Zustandes nicht zu bestimmen. Maßgeblich sind vielmehr objektive Kriterien, nämlich der allgemein anerkannte Stand der medizinischen Erkenntnisse und - bei der Frage, ob eine Entstellung besteht - der objektive Zustand einer körperlichen Auffälligkeit von so beachtlicher Erheblichkeit, dass sie die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft gefährdet. Andernfalls würde der Krankheitsbegriff über Gebühr relativiert und an Konturen verlieren. Es würde nicht gezielt gegen die eigentliche Krankheit selbst vorgegangen, sondern nur mittelbar die Besserung eines an sich einem anderen Bereich zugehörigen gesundheitlichen Defizits angestrebt. [...] Eine Ausnahme von den dargestellten Grundsätzen kommt de lege lata in dem hier betroffenen Bereich nur im Falle einer besonders tief greifenden Form der Transsexualität in Betracht." (Anmerkg. d. Autors: in lege lata = nach geltendem Recht)

Auch wenn die Klägerin an einer behandlungsbedürftigen körperlichen Regelwidrigkeit leidet, scheitert ein Anspruch gegen die Krankenkasse, da dass das Behandlungsziel „Herstellung eines körperlichen Zustandes mit beidgeschlechtlichen Merkmalen" nicht erfasst ist.

Fazit: Das BSG hat in dieser Entscheidung erneut deutlich darauf hingewiesen, dass die Behandlung psychischer Krankheiten durch Eingriffe in intakte Organsysteme die absolute Ausnahme bleibt.


Rechtsanwalt
Matthias Herberg

Fachanwalt für Sozialrecht,
Fachanwalt für Medizinrecht

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