Gewusst wie - im Baurecht!

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Interessante Fälle aus der Rechsprechung

Pauschalpreisverträge geben immer wieder Anlass zu Streitigkeiten, insbesondere wenn es zu Mehrmengen oder Mindermengen kommt, die jedoch nicht auf einen Eingriff des Auftraggebers zurückzuführen sind, sondern lediglich falsch ermittelt wurden. Es fragt sich, wer in einem solchen Fall das Mengenermittlungsrisiko trägt. Eine Vertragspartei ist immer unzufrieden. Im 1. Fall geht es um die Ausführung von Mindermengen. Der Auftraggeber ist der Auffassung, dass der Pauschalpreis aufgrund der Mindermengen herabgesetzt werden muss.

Hier ging es darum, dass ein Auftragnehmer mit der Herstellung bautechnischer Brandschutzanlagen beauftragt war. Die VOB war Vertragsbestandteil. Nach einer Position des vom Auftraggeber erstellten Leistungsverzeichnisses sind 9.489,32 m² Kanal zum Pauschalpreis von 860.000,00 € auszuführen. Nach Fertigstellung rechnet der Auftragnehmer diesen Betrag nach dem Pauschalpreis ab. Jedoch kürzt der Auftraggeber die betreffenden Positionen um 400.000,00 € und verweist darauf, dass der Auftragnehmer nur 8.195,27 m² Kanal hergestellt hat. Der Auftragnehmer erhebt Werklohnklage. Dieser Fall wurde durch das OLG Köln mit Urteil vom 6. September 2017 entschieden. Das Gericht entscheidet zugunsten des Auftragnehmers. Der Auftraggeber kann in einem VOB-Pauschalpreisvertrag eine Anpassung nur verlangen, wenn die ausgeführte Menge von der vertraglich vorgesehenen Menge so erheblich abweicht, dass ein Festhalten an der Pauschalsumme nicht mehr zumutbar ist.

Mithin berechtigen Mindermengen grundsätzlich nicht zur Herabsetzung der Pauschalvergütung, es sei denn, wenn diese ein solches Ausmaß erreichen, dass eine gravierende Äquivalenzstörung eingetreten ist. Hierzu setzt man die Mengen aus dem Leistungsverzeichnis (hier: 9.489,32 m² Kanal) zu den tatsächlich ausgeführten Mengen (hier: 8.195,27 m²) ins Verhältnis, so dass sich eine als gering anzusehende Abweichung von 13 % ergibt. Bei einer solchen Abweichung liegt gewiss keine Äquivalenzstörung vor, die dazu berechtigt, eine Preisanpassung vorzunehmen. Denn hier kommt es auf das Kriterium der Unzumutbarkeit an. Danach kann der Auftraggeber eine Preisanpassung nur verlangen, wenn die ausgeführte Menge von der vertraglich vorgesehenen Menge so erheblich abweicht, dass ein Festhalten an der Pauschalsumme nicht mehr zumutbar ist.

Umgekehrt kann das Pendel auch zulasten des Auftragnehmers umschlagen, wenn in einem Pauschalpreisvertrag bei Innenputzarbeiten ein Vordersatz von 1.420 m² ausgeschrieben sind, jedoch tatsächlich eine Menge von 1.580 m² ausgeführt wird. In dem Fall kann der Auftragnehmer die Mehrmenge bei einem Pauschalpreisvertrag nicht abrechnen. Damit wird der Auftragnehmer keinen Erfolg haben, es sei denn, es liegt eine Äquivalenzstörung vor, die eine Unzumutbarkeit für den Auftragnehmer darstellt. Aus dem beiden Fällen kann man folgen, dass sowohl der Auftragnehmer als auch der Auftraggeber das Mengenermittlungsrisiko tragen. Deshalb ist die Auftragnehmer bei einem Pauschalpreisvertrag immer gut beraten, die Mengenangaben im Leistungsverzeichnis sorgfältig zu prüfen.

Der 2. Fall ist wieder ein Lehrstück aus der Baupraxis.

Der Tenor ist: Wer als Auftragnehmer plant, muss Pläne wie ein Planer prüfen!

Wenn sich ein Auftragnehmer verpflichtet, ein Bauvorhaben schlüsselfertig zu errichten und bestimmte vom Auftraggeber erstellte Pläne und planerische Leistung zur Vertragsgrundlage gemacht werden, so hat der Auftragnehmer die weitere Planung selbst fortzuschreiben und dabei die ihm überlassenen Pläne wie ein Planer zu überprüfen. Hier hat ein Bauherr einen Generalunternehmer mit der schlüsselfertigen Errichtung einer Reihenhausanlage inklusive Werkplanung und Statik beauftragt. Vereinbart war ausdrücklich die Abdichtung gegen drückendes Wasser, was eine weiße oder schwarze Wanne erfordert. Die im Auftrag des Bauherrn von einem Ingenieurbüro erstellte allgemeine Baubeschreibung spricht von Streifenfundamenten, mit denen jedoch gerade die geschuldete Abdichtung nicht erreicht werden kann. Auch in der Detailplanung finden sich keine Angaben zur Abdichtung. Der Generalsunternehmern führt keine weiße Wanne bzw. schwarze Wanne aus. Natürlich kommt es dazu, dass die Kellerräume alle feucht sind. Der Bauherr setzt dem Generalunternehmer eine Frist zur Beseitigung der Mängel und klagt nach Ablauf der Mängelbeseitigungsfrist sodann ein Vorschuss von einer halben Million Euro ein. 

Das Kammergericht Berlin verurteilt den Generalunternehmer mit Urteil vom 22. April 2016 zu einem Vorschuss in dieser Höhe. Das Kammergericht sieht kein Mitverschulden des Bauherrn. Vielmehr verweist das Gericht darauf, dass der Generalunternehmer die zur Ausführung erforderliche Detailplanung übernommen hat. Dazu gehört auch die planerische Auseinandersetzung mit der geschuldeten Abdichtung. Der Generalunternehmer hat keinerlei Bedenken gegen die überlassenen Pläne oder der Baubeschreibung mitgeteilt. Grundsätzlich kann man aus dem Fall mitnehmen, dass die Planungsverantwortung für ein Bauvorhaben beim Bauherrn liegt. Jedoch kommt es schnell zu einer Übertragung des Planungsrisikos auf den Generalunternehmer, wenn dieser die Pläne übernimmt und einfach weiter plant. Deshalb sei davor gewarnt, eigenständig als Auftragnehmer Planungen vorzunehmen. Die Pflicht eines jeden Auftragnehmers ist es nur, Bedenken gegen die Art der Ausführung anzuzeigen. Dabei sollte es der Auftragnehmer belassen. In dem Fall ist der Auftraggeber wiederum am Zug, dem Auftragnehmer eine mangelfreie Planung zur Verfügung zu stellen. Jede Übernahme einer Planungsverantwortung kann für ein Auftragnehmer in einem finanziellen Fiasko enden.

Auch der 3. Fall zeigt wiederum, dass bei mangelnder Sorgfalt, Werklohnansprüche nicht realisiert werden können. Hier verlieren die Auftragnehmer zu viel Geld. Dazu gibt es ein lehrreiches Beispiel des OLG München mit Urteil vom 7. Juni 2016. Der Auftragnehmer wird auf Grundlage der VOB/B zu Einheitspreisen mit der Ausführung von Betonarbeiten beauftragt. Es kommt auch zu Zusatzleistungen nach Zeitaufwand. Der Auftragnehmer rechnet die Stundenlohnarbeiten mit der Schlussrechnung i.H.v. 46.000,00 € ab. Der Auftraggeber verweigert die Zahlung. Der Auftragnehmer behauptet, es sei von Anfang an besprochen gewesen, dass wie bei einer vorher durchgeführten Baumaßnahme die Arbeiten auf Stundenlohn ausgeführt werden sollen. 

Das OLG München urteilt, dass der Auftragnehmer es versäumt hat, eine Stundenlohnvereinbarung darzulegen. Der Auftragnehmer muss konkret vortragen, aus welchen Erklärungen sich eine Stundenlohnvereinbarung ergibt. Hierzu bedarf es des Vortrags zu allen Tatbestandsmerkmalen, insbesondere, dass der Auftraggeber welche konkreten Arbeiten im Stundenlohn angeordnet hat. Allein die Berufung auf die Handhabung in einem früheren Vertragsverhältnis reicht dafür nicht aus. Hier ist dem Auftragnehmer ein Werklohnanspruch i.H.v. 46.000,00 € entgangen. Dies ist ein erheblicher Betrag. Der Auftragnehmer hätte sich leicht schützen können. Das hat er nicht getan, sodass er zurecht seinen Vergütungsanspruch verliert. Zusätzliche Leistungen im Stundenlohn, insbesondere bei einem solchen Vergütungsumfang sollte der Auftragnehmer keinesfalls mündlich entgegennehmen, sondern er muss auf eine schriftliche Vereinbarung drängen. Davor sollte der Auftragnehmer auch keinesfalls zurückschrecken, da der Auftraggeber zur Ausführung dieser zusätzlichen Leistungen im Stundenlohn überhaupt keine Handhabe hat. Inverzugsetzungen laufen ins Leere.

Was nicht vertraglich vereinbart ist, muss auch nicht ausgeführt werden. 

Der Auftragnehmer sollte immer darauf verweisen, dass je schneller die schriftliche Beauftragung im Stundenlohn vorliegt, desto schneller kann er mit der Ausführung der zusätzlichen Arbeiten im Stundenlohn beginnen.

Carsten Seeger


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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