Gründung und Vertrag einer ​Praxisgemeinschaft

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1. Wir gründen eine Praxisgemeinschaft!

Eine Praxisgemeinschaft ist der Zusammenschluss mehrerer vertragsärztlich und/oder privat tätiger (Zahn)Ärzte oder Psychotherapeuten gleicher oder unterschiedlicher Fachrichtungen, die gemeinsam Ressourcen nutzen, z.B. Praxisräume, Geräte und Personal.

Hierdurch können die Mitglieder einer Praxisgemeinschaft Kosten sparen und den individuellen Verwaltungsaufwand reduzieren. Charakteristisch für die Praxisgemeinschaft ist, dass ihre Mitglieder mit ihrer eigenen Praxis selbständig bleiben.

Rechtsgrundlage hierfür ist § 33 Abs. 1 Ärzte-ZV. Danach ist die gemeinsame Nutzung von Praxisräumen und Praxiseinrichtungen sowie die gemeinsame Beschäftigung von Hilfspersonal durch mehrere Ärzte zulässig. Nicht zulässig ist die gemeinsame Beschäftigung von Ärzten und Zahnärzten, was indes nicht für medizinische Versorgungszentren (MVZ) gilt.

Auch Berufsausübungsgemeinschaften (BAG) und MVZs können Mitglieder einer Praxisgemeinschaft sein. Bei der Zusammenstellung des Gesellschafterkreises ist unter steuerlichen Gesichtspunkten zu beachten, dass die Einnahmen der Gesellschafter mit Umsatz- und/oder Gewerbesteuer infiziert werden können, wenn Gesellschafter teilnehmen, die nicht gem. § 4 Nr. 14 UStG von der Umsatzsteuer befreit sind.

2. Abgrenzung von einer BAG

a. Praxisgemeinschaft vs. Gemeinschaftspraxis

Eine zulassungsfreie Praxisgemeinschaft ist von einer zulassungsbedürftigen Gemeinschaftspraxis abzugrenzen. Eine Gemeinschaftspraxis ist eine Berufsausübungsgemeinschaft (BAG). Bei einer BAG schließen sich die Beteiligten zur gemeinsamen Berufsausübung mit Gewinnerzielungsabsicht zusammen, d.h. sie teilen Gewinn und Risiko, die Patientenkarte wird gemeinsam geführt und Patienten werden gemeinsam abgerechnet. Mehr zur Gründung einer Gemeinschaftspraxis können Sie in diesem Rechtstipp lesen.

Demgegenüber fehlt es bei einer Praxisgemeinschaft an der gemeinsamen Berufsausübung mit Gewinnerzielungsabsicht und die einzelnen Mitglieder behalten mit ihren eigenen Praxen ihre Unabhängigkeit, indem sie ihre eigenen Patienten behandeln und individuell abrechnen. Die vertraglichen Bindungen einer Praxisgemeinschaft beziehen sich nur auf die gemeinsame Anschaffung, Nutzung und Unterhaltung von Ressourcen wie Praxisräume, Geräte und Personal.

Bei einer Praxisgemeinschaft muss der Grundsatz der freien Arztwahl gem. § 18 Abs. 2 MBO-Ä gewahrt bleiben und eine Liquidation von Leistungen darf nur gegenüber den eigenen Patienten erfolgen. So entsteht grundsätzlich keine gesamtschuldnerische Haftung unter den Mitgliedern, weder für vertragsarztrechtliche Regresse noch für Haftung wegen Behandlungsfehlern.

b. Vorsicht bei faktischer BAG!

Werden die oben genannten Grundsätze nicht eingehalten, kann von einer faktischen Gemeinschaftspraxis auszugehen sein. 

Um einen Gestaltungsmissbrauch durch eine faktische Gemeinschaftspraxis zu vermeiden, ist in praktischer Hinsicht vor allem bei folgenden zwei Punkten Vorsicht geboten:

  1. Gemeinsamer Patientenstamm: dieser kann leicht durch gegenseitige Überweisungen entstehen, wobei 20% Patientenidentität bei fachgleichen Leistungen bzw. 30% Patientenidentität bei fachfremden Leistungen als Indiz für einen Gestaltungsmissbrauch im Rahmen einer Plausibilitätsprüfung angenommen wird.
  2. Wechselseitige Vertretung: unter Kostenübernahme durch die Praxisgemeinschaft widerspricht deren Wesen, da hiermit Berufsausübungsaspekte einer BAG betroffen sind.

Wirtschaftliches Motiv für die Führung einer faktischen BAG unter dem Anstrich einer Praxisgemeinschaft sind die Vermehrung von Fallzahlen und abrechenbaren Leistungen. Da die faktische BAG zulassungsrechtlich nicht genehmigt ist, drohen hierbei erhebliche vertragsärztliche, berufsrechtliche und strafrechtliche Sanktionen.

3. Rechtsform: GbR

Die weitaus gängigste Rechtsform für eine Praxisgemeinschaft ist die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR). Sie eignet sich deshalb besonders für eine Praxisgemeinschaft, da sie einfach zu gründen und flexibel ist. Tritt die GbR nicht nach außen in Erscheinung, handelt es sich um eine nicht rechtsfähige Innengesellschaft. Tritt die Praxisgemeinschaft jedoch unter ihrem eigenen Namen im Geschäftsleben auf, so besteht eine rechtsfähige Außengesellschaft, deren Bestand von Veränderungen im Gesellschafterkreis grundsätzlich unabhängig ist, was z.B. beim Abschluss von langfristigen Verträgen hilfreich sein kann.

Eine Partnerschaftsgesellschaft (PartG) kommt demgegenüber nicht in Betracht, da diese die gemeinsame Berufsausübung zum Gegenstand hat, während es bei einer Praxisgemeinschaft nur um die gemeinsame Nutzung von Ressourcen geht. Die PartG kann dagegen als Trägerin einer BAG verwendet werden.

Eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) wäre zwar grundsätzlich denkbar, sie ist jedoch für die Organisation einer Praxisgemeinschaft zu aufwändig und kostenintensiv.

4. Vertrag über eine Praxisgemeinschaft

Der Praxisgemeinschaftsvertrag regelt das Verhältnis zwischen den Mitgliedern der Praxisgemeinschaft und die gemeinsame Ressourcennutzung sowie Kostentragung.

Es ist dringend zu empfehlen, hierüber eine detaillierte schriftliche Vereinbarung zu treffen, in dem die Gesellschafter ihre Vorstellungen niederlegen. Andernfalls entsteht mit Eröffnung der Praxisgemeinschaft automatisch kraft Gesetzes eine GbR, für die in diesem Fall die unveränderten gesetzlichen Bestimmungen gelten, die für die Regelung der betreffenden Praxisgemeinschaft völlig ungeeignet sein können.

Wesentliche Regelungskomplexe des Praxisgemeinschaftsvertrags sind einerseits Bestimmungen zu Einlagen, Anschaffungen und Kostentragung sowie Regeln über die Entscheidungsfindung, Konfliktlösung und das Ausscheiden aus der Praxisgemeinschaft. Die Details erläutern wir Ihnen gerne in einem gemeinsamen Gespräch.

Hinsichtlich der Kostentragungsregelung ist darauf zu achten, dass kein Verstoß gegen das Verbot der Zuweisung gegen Entgelt gem. § 31 MBO-Ä bzw. § 73 Abs. 7 SGB V innerhalb der Praxisgemeinschaft entsteht, z.B. indem Überweisungen im Rahmen der Kostentragung berücksichtigt werden.

5. Patientenunterlagen

Aufgrund der ärztlichen Schweigepflicht und den Bestimmungen des Datenschutzrechts müssen die Behandlungsunterlagen jeder teilnehmenden Praxis separat geführt werden.

6. Anzeige bzw. Genehmigung notwendig?

Die Gründung, Änderung und Beendigung der Praxisgemeinschaft sind gem. § 18 Abs. 1/6 MBO-Ä gegenüber der zuständigen Ärztekammer sowie gem. § 33 Abs. 1 S. 2 Ärzte-ZV bei der zuständigen Kassenärztlichen Vereinigung anzuzeigen. Eine Genehmigung der Praxisgemeinschaft durch den Zulassungsausschuss ist dagegen nicht erforderlich.

7. Anwaltliche Beratung und Begleitung

Bei Gründung und Führung einer Praxisgemeinschaft müssen eine Reihe von berufsrechtlichen, vertragsärztlichen und gesellschaftsrechtlichen Vorgaben beachtet werden. 

Unsere medizinrechtlich und gesellschaftsrechtlich erfahrenen Anwälte beraten Sie gerne zum Thema Praxisgemeinschaft, um unerwünschte Risiken und Konflikte zu vermeiden. Bitte melden Sie sich jederzeit, wenn Sie eine Frage haben oder eine Beratung wünschen.


Mit besten Grüßen, Dr. Alexander Dorn & Dr. Rainer Freudenberg, LL.M.

Foto(s): iStock


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