Habe ich immer einen Anspruch auf Reparaturkostenersatz einer Markenwerkstatt?

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Nein, so hat es der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 07.02.2017 -VI ZR 182/16 entschieden. Zu entscheiden war ein Fall eines Mercedes-Fahrers, der mit einem fast 10 Jahre alten Kraftfahrzeug einen Verkehrsunfall hatte und eine sogenannte fiktive Abrechnung vornahm. Fiktive Abrechnung bedeutet im Wesentlichen, dass eine Regulierung des Unfallschadens aufgrund eines Kostenvoranschlags erfolgt. Ob und wie das Auto repariert wird, kann grundsätzlich jeder selbst entscheiden. 

Ein Mercedes-Fahrer (späterer Kläger) hatte mit seinem fast 10 Jahre alten 320 T (Laufleistung fast 124.000 km) einen Verkehrsunfall. Durch einen sogenannten Streifstoß kam es zu einem Schaden an der Heckklappe und am Spoiler des Kraftfahrzeugs. Der Kläger hatte sein Kraftfahrzeug bisher ausschließlich in Mercedes-Fachwerkstätten reparieren lassen. Inspektionen hat er jedoch auch in freien Werkstätten vornehmen lassen.

Der Kläger beanspruchte von der gegnerischen Kfz-Haftpflichtversicherung unter anderem Schadensersatz aufgrund eines Kostenvoranschlages einer Mercedes-Werkstatt. Die Versicherung verteidigte sich im Klageverfahren unter anderem damit, dass der Kläger seinen Mercedes auch in einer anderen günstigeren „freien“ Fachwerkstatt reparieren lassen könne. Die Versicherung sei nicht verpflichtet, die teurere Reparatur in einer Mercedes-Werkstatt zu zahlen. Das Amtsgericht sah dies auch so und gab der Versicherung Recht. Gegen das Urteil des Amtsgerichts legte der Kläger Berufung ein und hatte damit beim Landgericht Erfolg. Das Landgericht hielt den Verweis auf eine billigere Werkstatt für unzumutbar, da der Kläger dargelegt und bewiesen habe, dass er zwar nicht alle Inspektionen, dafür aber sämtliche Reparaturarbeiten in Mercedes-Werkstätten habe vornehmen lassen. Dieses sprach ihm deshalb die höheren Kosten für eine Reparatur in einer Mercedes-Fachwerkstatt zu. Gegen diese Entscheidung legte die dann beklagte Versicherung Revision ein und gewann letztlich beim Bundesgerichtshof.

Der Bundesgerichtshof machte unter Bezugnahme auf seine bisherige Rechtsprechung deutlich, dass der Schädiger den Geschädigten wegen der sogenannten Schadensminderungspflicht (§ 254 Absatz 2 BGB) auf eine günstigere nicht markengebundene Fachwerkstatt zur Reparatur verweisen werden kann. Voraussetzung dafür sei, dass die markenungebundene Fachwerkstatt den gleichen Qualitätsstandard wie eine markengebundene Werkstatt habe und im Übrigen auch keine Unzumutbarkeit für den Geschädigten festzustellen sei.

Unzumutbar ist ein Verweis auf eine „freie“ Fachwerkstatt zum Beispiel, wenn das beschädigte Kraftfahrzeug im Unfallzeitpunkt nicht älter als 3 Jahre war. Ein anderes Beispiel ist der Verlust von Gewährleistungsrechten, wenn aufgrund einer Fahrzeug- oder Herstellergarantie eine Reparatur in einer markengebundenen Fachwerkstatt erfolgen muss. Unzumutbarkeit kann auch dann vorliegen, wenn ein Kraftfahrzeug „scheckheftgepflegt“ ist oder eine große Entfernung zur nächsten markenungebundenen Fachwerkstatt zu verzeichnen ist (billiger aber weiter weg).

Mit der Entscheidung vom 07.02.2017 macht der Bundesgerichtshof deutlich, dass es nicht auf die so Vorstellung des Geschädigten (subjektive Sicht) ankommt. Es sei vielmehr darauf abzustellen, was ein „ordentlicher und verständiger Mensch“ zur Schadensminderung unternehmen würde. Mit anderen Worten: Was hätte eine durchschnittlich Geschädigter getan? 

Da der Kläger in diesem Fall nicht bewiesen hat, dass er in den letzten 5 Jahren vor dem Unfall die Inspektionen ausschließlich in einer Mercedes-Fachwerkstatt hat durchführen lassen, kann er die höheren fiktiven Reparaturkosten einer markengebundenen Fachwerkstatt vor dem Hintergrund der geringen Beschädigung seines Kraftfahrzeugs nicht beanspruchen.

Bei Gerichtsentscheidungen kommt es immer wieder auf Details an. Hier unterlag der Kläger letztlich deshalb, weil er nicht lückenlos darlegen und beweisen konnte, dass er sein Kraftfahrzeug die letzten Jahre ausschließlich nur in Mercedes-Fachwerkstätten hat reparieren und warten lassen. Der Bundesgerichtshof meint, dass ein ordentlicher und verständiger Mensch vor dem Hintergrund des geringen Schadens keine Mercedes-Werkstatt aufgesucht hätte. 

Bewertung der Entscheidung des Bundesgerichtshofs

Diese Einschätzung des Bundesgerichtshofs geht meines Erachtens an der Wirklichkeit vorbei. Wer beispielsweise bei Problemen mit seinem Auto immer zu seiner Markenwerkstatt fährt, kann nicht darauf verwiesen werden, dass er – zum Beispiel bei einer kleinen Delle – zu einer vermeintlich günstigeren (markenfreien) Werkstatt gehen muss. Warum der Bundesgerichtshof in diesem Fall die Wartung in einer anderen Werkstatt als Argument dafür erachtet, dass eine Reparatur auch in einer anderen Werkstatt erfolgen könne, erschließt sich mir nicht. Denn in diesem Fall wurden zuvor alle Reparaturen in einer Mercedes-Werkstatt ausgeführt.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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