Krankwerden nach Kündigung

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Es kommt häufig vor, dass nach Erhalt einer Arbeitgeberkündigung oder auch nach dem Ausspruch einer Kündigung durch einen Arbeitnehmer (sogenannte Eigenkündigung) dieser krank wird. Hier stellt sich häufig die Frage, ob ein Arbeitgeber dagegen etwas tun kann, oder ob der Arbeitnehmer etwas zu beachten hat. Für beide „Seiten“ dürfte eine neue Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (5 AZR 149/21 - das Urteil liegt in Volltext noch nicht vor -) in diesem Zusammenhang sehr wichtig sein. Sie könnte dem Arbeitgeber „unter die Arme greifen“ oder für Arbeitnehmer ein Problem werden.

Nach der vorgenannten Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts kann der Beweiswert einer Krankschreibung nach Kündigung erschüttert sein. Grundsätzlich hat ein Arbeitnehmer gemäß § 3 Abs. 1 S. 1 Entgeltfortzahlungsgesetz einen Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Hierzu muss er lediglich die Arbeitsunfähigkeit durch eine entsprechende Bescheinigung nachweisen (vgl. § 5 Abs. 1 S. 2. Entgeltfortzahlungsgesetz)

In dem vom Bundesarbeitsgericht entschiedenen Fall hatte die Klägerin selbst das Arbeitsverhältnis mit Kündigung vom 08.02.2019 beendet und zwar zum 22.02.2019. Am 08.02.2019 wurde auch eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausgestellt, die bis zum 22.02.2019 (also genau auf das Ende des Arbeitsverhältnisses) galt. Die Arbeitgeberin verweigerte die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und meinte, dass der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttert sei, weil die Arbeitnehmerin wegen der Arbeitsunfähigkeit bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses quasi nicht mehr arbeiten müsse. Die Klägerin hingegen behauptete, dass sie ordnungsgemäß krankgeschrieben sei. Die Vorinstanzen haben jeweils der Klägerin Recht gegeben und der Klage auf Zahlung von Entgeltfortzahlung stattgegeben.  

Hiergegen hat sich die Arbeitgeberin gewehrt und zunächst eine sogenannte Nichtzulassungsbeschwerde erhoben, da sie ein Revisionsverfahren vor dem Bundesarbeitsgericht führen wollte. Dieser Beschwerde hat das Bundesarbeitsgericht stattgegeben. Es halte in diesem speziellen Fall den Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für erschüttert. Das Bundesarbeitsgericht meinte, dass die Klägerin im Arbeitsgerichtsprozess ihrer sogenannten Darlegungs- und Beweislast zum Bestehen der Arbeitsunfähigkeit nicht hinreichend konkret nachgekommen sei. Es hat die Entgeltfortzahlungsklage final abgewiesen und der Klägerin die Kosten des Rechtsstreits auferlegt.

Fazit: 

Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts zeigt, dass das Attest eines Arztes über eine Krankheit (AU-Bescheinigung) kein „Selbstläufer“ ist. Wenn, wie in diesem Fall, ein Beweiswert einer solchen AU-Bescheinigung erschüttert werden kann, müsste der Arbeitnehmer seine Arbeitsunfähigkeit z. B. durch ein entsprechendes ärztliches Gutachten nachweisen, um den Prozess wegen Lohnfortzahlung zu gewinnen.

Für Arbeitgeber bedeutet dies, dass sie unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts eine Entgeltfortzahlung verweigern können, wenn sie erhebliche Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit haben. Ggf. musste ein entsprechendes ärztliches Gutachten eingeholt werden. Dies kann z. B. ein amtsärztliches Gutachten sein. Fehlerhaft wäre es in diesem Fall, wenn der Arbeitgeber den medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) bittet, die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers zu überprüfen. Denn, wenn der MDK eine Arbeitsunfähigkeit tatsächlich feststellt, dürfte in einem etwaigen Prozess vor dem Arbeitsgericht kaum noch der Beweiswert der erstmalig ausgestellten AU-Bescheinigung zu erschüttern sein.

„Dann lasse ich mich einfach krankschreiben“. Dies dürfte für Arbeitnehmer ggf. auch nach Erhalt einer Kündigung durch ihren Arbeitgeber problematisch werden. Zwar hatte das Bundesarbeitsgericht einen anderen Fall entschieden (Die Arbeitnehmerin hat selbst gekündigt), jedoch könnte die Entscheidung auch für die anderen Fälle relevant werden.

Mit Spannung dürfte das vollständig abgefasste Urteil des 5. Senats des Bundesarbeitsgerichts erwartet werden, da es eine Änderung von der bisherigen Rechtsprechung des Gerichts ist.


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