Handelsvertreter kann auf Altersversorgung verzichten

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Falle für Handelsvertreter: Verzicht im Vergleich umfasst auch Altersversorgung

Trennen sich langjährige Vertriebspartner, so führt dies nicht selten zu Streit zwischen den Parteien. Dies rührt nicht nur vom enttäuschten Vertrauen des Kündigungsempfängers in seinen Vertragspartner her, sondern hat seinen Grund nicht zuletzt auch in den rechtlichen Rahmenbedingungen.

So sieht das Gesetz bei länger dauernden Handelsvertreterverträgen vor, dass Kündigungsfristen mit einer Dauer von bis zu 6 Monaten zwingend einzuhalten sind. Viele Handelsvertreterverträge verlängern diese Frist auch noch. Ist die Kündigung des Vertrags aber ausgesprochen, so haben beide Parteien häufig kein Interesse daran, den Vertrag wirklich noch zu leben. Der Handelsvertreter selbst wird mit seiner „neuen“ Tätigkeit innerlich beschäftigt sein und hat auch – neben reinen Abschlussprovisionen – wenig Anlass, seinem alten Geschäftspartner weiter Verträge zu vermitteln, wenn er die Aufträge ansonsten mit seinem neuen Geschäftspartner abschließen und die Kunden damit u.U. dauerhaft binden kann. Der Unternehmer wiederum wird befürchten, dass der Handelsvertreter neue Erkenntnisse und Informationen in seiner zukünftigen Tätigkeit mitverwenden wird.

Da viele Unternehmer bei Abschluss des Handelsvertretervertrags auch bewusst darauf verzichten, ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot zu vereinbaren, weil sie die damit verbundenen Kosten scheuen, wäre der Handelsvertreter auch gar nicht gehindert, seine Kunden nach dem Wechsel „mitzunehmen“.

Aufgrund dieser Interessenslage kommt es in der Praxis nicht selten zu dem Vorwurf, der Handelsvertreter habe gegen das während der Vertragslaufzeit bestehende Wettbewerbsverbot verstoßen. Hierauf wird dann teilweise noch eine fristlose Kündigung gestützt, teilweise auch, um so den Ausgleichsanspruch nach § 89b HGB auszuschließen, sofern dieser aufgrund einer Eigenkündigung des Handelsvertreters nicht ohnehin ausgeschlossen ist.

Dass bei der Behandlung dieser Streitigkeiten Vorsicht walten sollte und wohl zwingend anwaltlicher Rat beigezogen werden muss, zeigt ein Sachverhalt, über den das LG Hannover am 21.7.2014 zu entscheiden hatte (Az.: 2 O 19/13).

Sachverhalt

Der Kläger war seit 1990 als Handelsvertreter für den beklagten Versicherer tätig gewesen und hatte 2 Agenturen geführt. 1996 hatten die Parteien eine Zusatzvereinbarung abgeschlossen,  nach der die Alters- und Hinterbliebenenfürsorge durch einen Lebensversicherungsvertrag gewährt wird, den die Beklagte als Gruppenversicherung abschließt. Im Jahre 2009 bat der Kläger um einvernehmliche Aufhebung der Verträge, was die Beklagte jedoch zurückwies. Der Kläger kündigte daraufhin die bestehenden Verträge, weshalb sich die Frage, ob ein Ausgleichsanspruch geschuldet ist, nicht stellt. Die Beklagte bestätigte die Kündigung zum 30.06.2010.

Es kam dann zwischen den Parteien zum Streit, ob der Kläger in der Zeit vor dem 30.06.2010 gegen das bestehende Wettbewerbsverbot verstoßen hat. Die Parteien einigten sich schließlich im Rahmen eines Vergleichs. In den schriftlich aufgesetzten Vergleich heißt es dabei wörtlich:

„Mit dieser Vereinbarung sind wechselseitig sämtliche Ansprüche zwischen den Parteien, insbesondere aus dem bis zum 30.06.2009 (Anm.: es handelt sich um einen Schreibfehler, richtig 2010) zwischen den Parteien bestehenden Agenturverhältnis sowie dem von der … Gesellschaft a.G. verfolgten Wettbewerbsverstoß, gleich ob streitgegenständlich oder nicht streitgegenständlich, bekannt oder unbekannt, gegenwärtig oder zukünftig, vorhersehbar oder nicht vorhersehbar, vorstellbar oder nicht vorstellbar, abgegolten.“

Im August 2011 wandte sich der Kläger dann an die Beklagte und forderte sich zur Übertragung der betrieblichen Altersvorsorge auf ihn auf. Die Beklagte wies dies unter Hinweis auf die vergleichsweise Regelung zurück, weil damit alle wechselseitigen Ansprüche die aus dem Agenturverhältnis herrührten, abschließend geregelt wurden.

Im Klageverfahren vertrat der Kläger dann die Ansicht, dass es sich bei der Altersversorgung um eine unverfallbare Versorgungsanwartschaft i.S.d. § 3 Abs. 1 BetrAVG handele, auf die er nicht verzichtet hat und nicht verzichten konnte. Ein Widerruf der Versorgungszulage sei nicht möglich gewesen.

Entscheidung

Das LG Hannover hat die Klage abgewiesen.

Dies folgt zum einen daraus, dass mit der Klausel im Vergleich deutlich gemacht wurde, dass die Parteien alle Ansprüche mit dem Vergleich abschließend regeln wollten. Hierunter fiele auch die Altersversorgung des Klägers.

Fraglich war somit nur, ob die Parteien nach dem Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen Altersversorgung BetrAVG – auch Betriebsrentengesetz genannt – über den Versorgungsanspruch überhaupt verfügen konnten oder ob dieser unverfallbar war.

Allgemein anerkannt ist, dass die Regelung des § 3 BetrAVG über § 17 Abs. 1 Satz 2 BetrAVG auch für den Handelsvertreter gilt. Danach dürfen unverfallbare Anwartschaften nur nach den abschließenden Regelungen des § 3 BetrAVG abgefunden werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann ein Arbeitnehmer aufgrund der Vorschrift auch nicht auf seine unverfallbaren Anwartschaften verzichten.

Das LG Hannover hat in Abweichung zu dieser Rechtsprechung jedoch entschieden, dass ein selbständiger Handelsvertreter durch die Norm nicht gehindert sei, vollständig auf den Anspruch zu verzichten. Nach dem Verständnis des LG Hannover führe § 3 BetrAVG nur dazu, dass er sich den Anspruch nicht auszahlen lassen könnte.

Begründet hat das LG die abweichende Ansicht damit, dass der Kläger als Kaufmann geschäftserfahren sei und daher besser als ein Arbeitnehmer die Folgen des Verzichts einschätzen könne.

Fazit

Ohne dass mir die genauen Hintergründe des konkreten Sachverhalts bekannt sind, darf vermutet werden, dass die Parteien bei Abschluss des Vergleichs die Altersversorgung nicht im Blick hatten. Jedenfalls dürfte das in den allermeisten Parallelkonstellationen der Fall sein, schon weil ein Interesse des Unternehmens die unverfallbare Anwartschaft nicht zu übertragen, selten gegeben sein dürfte.

Die Problematik im vorliegenden Fall dürfte also nur daher rühren, dass die Parteien, eine übliche Klausel verwandt haben, um sicherzustellen, dass man sich zukünftig über den Handelsvertretervertrag nicht mehr streiten muss und sicher getrennt ist.

In der Sache dürfte die Entscheidung zu begrüßen sein. § 3 BetrAVG ist nach der herrschenden Rechtsprechung insbesondere für Organe und Handelsvertreter nicht dahingehend auszulegen, dass damit eine Verfügung über unverfallbare Anwartschaften generell verhindert werden soll. Die Regelung zielt vielmehr im Kern darauf ab, dass der Berechtigte nicht bei kurzfristigem Liquiditätsbedarf auf seine Altersversorgung zugreifen soll. Dieser Ansatz, dass die staatlich geförderten Altersversorgungsprodukte nicht vorzeitig aufgelöst werden können, ist nicht anzugreifen. Er entmündigt die Parteien aber darüber hinaus nicht, Vereinbarungen über die Versorgung zu schließen.

Dies gilt insbesondere im Falle des Handelsvertreters, da für diesen anerkannt ist, dass die Versorgungszusage auch unter Bedingung erteilt werden kann.

Als Lehre aus der Entscheidung sollte jedoch festgehalten werden, dass vor Abschluss von Vergleichen sorgsam geprüft werden sollte, ob eine abschließende Klausel u.U. auch Forderungen betrifft, die die Parteien evtl. bei Abschluss nicht im Sinne hatten.

RA Heiko Effelsberg, LL.M.

Fachanwalt für Versicherungsrecht



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