Hinweisgeberschutzgesetz & Kündigungsschutz: so schützt das Gesetz Hinweisgebende bzw. Whistleblower

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Das Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) ist derzeit in aller Munde – hat es der Gesetzgeber doch geschafft, die EU-Whistleblower-Richtlinie in Bundesrecht umzusetzen: zum 02. Juli 2023 tritt das Hinweisgeberschutzgesetz in Kraft.

In Diskussion steht dabei vor allem die Pflicht unter Compliance-Gesichtspunkten im Fokus, dass Unternehmen ab einer bestimmten Größe interne Meldestellen einrichten müssen. Dabei hat der Hinweisgeberschutz auch eine arbeitsrechtliche Dimension – eben den Schutz von hinweisgebenden Personen vor Benachteiligungen auch im Arbeitsverhältnis.

Der sachliche Anwendungsbereich des Hinweisgeberschutzgesetzes

Bereits der Name des Gesetzes lässt den Anwendungsbereich erahnen: das Hinweisgeberschutzgesetz schützt hinweisgebende Personen – also Personen, die Meldungen oder Offenlegungen über gesetzeswidriges Verhalten von oder in einem Unternehmen machen (wollen).

§ 2 HinSchG listet dafür ausführlich auf, worauf sich die Informationen einer Meldung oder einer Offenlegung beziehen müssen, damit das Hinweisgeberschutzgesetz greift. Hier geht es vor allem um Informationen über Straftaten und Ordnungswidrigkeiten.

Aber auch „sonstige Verstöße gegen Rechtsvorschriften“ fallen in den Anwendungsbereich des Gesetzes. § 2 Abs. 1 Nr. 3 HinSchG listet ausführlich auf, welche Bereiche betroffen sind – und das quer durch alle Rechtsbereiche: angefangen bei der Geldwäsche und Produktsicherheit, über den Bereich Datenschutz bis hin zu Qualitäts- und Sicherheitsstandards in Bezug auf Arzneimittel.

Und doch ist der Schutzumfang des HinSchG nicht grenzenlos: So unterliegen Meldungen und Offenlegungen nicht dem Schutz des Gesetzes, wenn Sicherheitsinteressen oder Verschwiegenheits- und Geheimhaltungsinteressen Vorrang haben (§ 5 HinSchG). Das betrifft u.a. Themen mit Relevanz für die nationale Sicherheit, aber auch Berufsverschwiegenheitsregelungen (RAe, Ärzte etc.).

Der persönliche Anwendungsbereich

Das HinSchG selbst definiert den persönlichen Anwendungsbereich des Gesetzes über die Definition der „hinweisgebenden Person“ in § 1 HinSchG.

Geschützt sind damit in erster Linie natürliche Personen, die „… im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit oder im Vorfeld einer beruflichen Tätigkeit Informationen über Verstöße erlangt haben und diese an die vorgesehenen Meldestellen melden oder offenlegen.

Damit ist der Kreis der vom Gesetz erfassten und geschützten Personen aber nicht geschlossen. Denn auch

  • Personen, die Gegenstand einer Meldung oder Offenlegung sind und
  • Personen, die von einer Meldung oder Offenlegung betroffen sind,

fallen in den Schutzbereich des HinSchG.

Damit zeigt sich, dass sich das HinSchG unternehmensintern – und damit arbeitsrechtlich betrachtet – einerseits auf Mitarbeitende über alle Hierarchie-Ebenen erstreckt, vom Arbeiter bis hin zu Mitgliedern des Vorstandes oder Aufsichtsrates. Gleichzeitig bezieht es sich andererseits u.a. auf Selbstständige wie z.B. Freelancer, ehemalige Mitarbeitende, auf Vertrags- und Kooperationspartner und Personen, die im Unternehmen, aber nicht für das Unternehmen arbeiten (z.B. Reinigungskräfte eines externen Dienstleisters).  

Schutz vor Repressalien: arbeitsrechtlicher Kern des HinSchG

Stellt sich nun die Frage: Welchen Schutz bietet das HinSchG Whistleblowern überhaupt? Das legt das Gesetz in den §§ 35–37 HinSchG fest.

Betrachtet man das Hinweisgeberschutzgesetz unter arbeitsrechtlichen Gesichtspunkten, steht vor allem der Schutz vor Repressalien im Fokus. Denn alle erdenklichen arbeitsrechtlichen Maßnahmen gegenüber einem Whistleblower wegen Whistleblowings – eine Ermahnung, Abmahnung, (fristlose) Kündigung, Versetzung oder auch eine Nichtbeförderung – können „Repressalie“ im Sinne des § 36 HinSchG sein und sind verboten.

Repressalien haben dann unterschiedliche Rechtsfolgen:

  1. Arbeitsrechtliche Maßnahmen wie z.B. eine (fristlose) Kündigung wegen Whistleblowings sind wegen Verstoßes gegen § 36 HinSchG unwirksam. Das wird dann künftig im Zweifel in Kündigungsschutzverfahren genauso zu prüfen sein wie in anderen Fällen des besonderen Kündigungsschutzes.  
  2. Die betroffene Person hat Anspruch auf Schadensersatz, und zwar bereits dann, wenn eine Repressalie lediglich angedroht wird, also z.B. mit der Kündigung oder einer Nichtbeförderung gedroht wird, falls man ein Fehlverhalten melden sollte.  

Beweislastumkehr macht Hinweisgeberschutz im Arbeitsrecht effizient – wenn…

Aber ist all das effizienter Schutz für Whistleblower? Nein – zumindest nicht, wenn Betroffene – wie im deutschen Prozessrecht üblich – beweisen müssen, dass wegen Whistleblowings eine Repressalie gegen sie ergriffen wurde. Denn in solchen Fällen als Einzelperson gegenüber einem oftmals überlegenen Arbeitgeber gerichtsfest Beweis anzutreten, dürfte in vielen Fällen allein aufgrund organisatorischer und finanzieller Übermacht von Unternehmen schwerfallen.

Deswegen hat der Gesetzgeber in § 36 Abs. 2 HinSchG eine Beweislastumkehr aufgenommen: Erfährt eine Person, nachdem sie eine Meldung erstattet hat, eine Repressalie, wird zunächst vermutet, dass es sich dabei um eine Reaktion auf die Meldung und damit um eine verbotene Repressalie handelt.

Für Arbeitgeber und Arbeitnehmer ist allerdings gleichermaßen wichtig zu wissen: die Beweislastumkehr tritt nicht automatisch ein! Nach § 36 Abs. 2 S. 1 HinSchG greift die Beweislastumkehr nur, wenn die betroffene Person geltend macht, dass die arbeitsrechtliche Maßnahme eine Repressalie wegen Whistleblowings ist.

Schadensersatz, aber: kein Anspruch auf Beschäftigung oder beruflichen Aufstieg!

Das Hinweisgeberschutzgesetz stattet Arbeitnehmer also mit durchaus effektiven Rechten und Ansprüchen aus: arbeitsrechtliche Maßnahmen können unwirksam sein und auch nur angedrohte arbeitsrechtliche Repressalien können Schadensersatzansprüche auslösen.

Gleichzeitig stellt § 37 Abs. 2 HinSchG aber klar, dass ein Verstoß gegen das Repressalienverbot keinen Anspruch auf Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses, eines Berufsausbildungsverhältnisses oder eines anderen Vertragsverhältnisses oder auf einen beruflichen Aufstieg gibt.

Damit sind den Rechten von Whistleblowern in Bezug auf ihr Beschäftigungsverhältnis auch Grenzen gesetzt: eine ausgebliebene Beförderung wegen Whistleblowings kann nicht eingeklagt werden, der finanzielle Schaden daraus hingegen durchaus. Abweichende Vereinbarungen z.B. im Arbeitsvertrag sind in diesem Zusammenhang übrigens unwirksam.

Kein Freifahrtschein für unberechtigtes Anschwärzen

Der Schutz von Hinweisgebern ist klares Ziel und Fokus des Gesetzes. Um den Schutz effizient zu gestalten, sind deswegen größere Unternehmen verpflichtet, interne Meldestellen zu errichten und zu betreiben, um anonyme Meldungen zu ermöglichen.

Gleichzeitig sieht das HinSchG aber auch Schutzmechanismen und Ansprüche vor, die präventiv und zugleich repressiv gegen Falschinformationen – also gegen unberechtigtes Anschwärzen – wirken sollen.

So

  • sind Meldungen und Offenlegungen zuerst nicht-öffentlich zu machen. Sich beispielsweise direkt an die Presse zu wenden, ist nicht erlaubt, sich mit einem Hinweis an die Öffentlichkeit zu wenden, ist mit Inkrafttreten des HinSchG nun tatsächlich ultima ratio.
  • genießen Personen, die vorsätzlich oder grob fahrlässig Falschmeldung machen, keinen Identitätsschutz. Betroffene haben in solchen Fällen ein berechtigtes Interesse zu erfahren, wer sie „angeschwärzt“ hat, um z.B. Schadensersatzansprüche erheben zu können.
  • drohen Personen, die vorsätzlich bzw. grob fahrlässig Falschmeldungen platzieren, Schadensersatzforderungen oder Bußgelder.

Fazit

Das neue Hinweisgeberschutzgesetz sorgt für mehr Rechtssicherheit – für Unternehmen, aber auch für (potenzielle) Whistleblower in Unternehmen. Es existieren nun klare Vorgaben, welche Unternehmen in welcher Form interne Meldestellen einrichten und betreiben müssen. Mitarbeitende und andere Personen können u.a. diese Meldestellen nutzen, um Hinweise auf Rechtsverletzungen geben zu können, ohne das Risiko von Repressalien fürchten zu müssen.

Und kommt es doch dazu, dass Whistleblower nicht anonym bleiben, sind Whistleblower – auch und gerade in arbeitsrechtlicher Hinsicht – über das Repressalienverbot des HinSchG z.B. vor Kündigungen geschützt, Unternehmen aber auch vor (bewussten) Falschmeldungen.

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Sehr gerne vereinbare ich einen Termin zur Erstberatung mit Ihnen. 

Ihr Christian Seidel

Christian Seidel
Rechtsanwalt, Fachanwalt für Arbeitsrecht

Telefon + 49 89 547143
oder per E-Mail c.seidel@acconsis.de

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Foto(s): Adobe Stock

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