Im Moment finden viele Prozesse wegen sog. Impfpassfälschungen statt. Worauf sollten Betroffene achten?

  • 3 Minuten Lesezeit

1.

Eine Urkunde ist eine verkörperte Gedankenerklärung, die ihrem gedanklichen Inhalt nach geeignet und bestimmt ist, für ein Rechtsverhältnis Beweis zu erbringen und die ihren Aussteller erkennen lässt.

Die Erklärung muss den Austeller der Urkunde als den Urheber der Erklärung bezeichnen oder erkennbar machen, weil die Urkunde ihren Beweiswert erst dadurch erhält, dass ihr Urheber hinter der beurkundeten Erklärung steht und für diese eintritt. 

Stets muss aus der Urkunde selbst eine bestimmte Person als Aussteller erkennbar sein.

An einer Urheberangabe fehlt es in den Fällen offener Anonymität. Dies ist nicht nur dann der Fall, wenn jeder Hinweis auf den Aussteller fehlt, sondern auch dann, wenn das Schriftstück mit einem unleserlichen Kritzel unterzeichnet wird, der jede Feststellung eines Urhebers vereitelt.

In den Fällen, in denen sich im Impfpass lediglich ein Stempel eines Impfzentrums und eine unleserliche Unterschrift, ohne den Namen des Arztes, befindet, lässt sich an der Urkundsqualität des Impfpasses zweifeln.

Denn nur ein vollständig ausgefüllter Impfpass kann eine verkörperte Gedankenerklärung nach der Definition des Urkundenbegriffs sein. Soweit die Impfdokumentation dagegen nicht vollständig ausgefüllt ist, fehlt es an einer Gedankenerklärung und damit an einer Urkunde. Welche Eintragungen ein Impfpass enthalten muss, um als vollständig ausgefüllt zu gelten, bestimmt § 22 Abs. 2 S. 1 IfSG. Hiernach muss gem. § 22 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 und Nr. 5 IfSG insbesondere Name und Anschrift der für die Durchführung der Schutzimpfung verantwortlichen Person sowie die Bestätigung in Schriftform durch die für die Durchführung der Schutzimpfung verantwortlichen Person enthalten sein. Durch die Dokumentationsverpflichtung aus Nr. 4 soll gewährleistet werden, dass der Impfverantwortliche identifizierbar ist.


2.

Den Betroffenen wird vorgeworfen, dass die im Impfpass angegebenen Chargen nicht im besagten Zeitraum oder überhaupt nicht verimpft wurden.

Dies bedeutet aber nicht gleichzeitig, dass die Impfung nicht durchgeführt wurde. Es gibt viele Gründe dafür, dass eine Chargennummer im System nicht gefunden werden kann.

Bei der Übertragung der Chargennummern kann es beispielsweise in Einzelfällen zu Fehlern, wie z.B. Zahlendrehern, kommen.


Der Deutsche Apothekerverband (DAV) betont selbst, dass bei einer im System nicht gefundenen Charge, nicht zwangsläufig von einer Fälschung auszugehen ist (https://preview-www.pharmazeutische-zeitung.de/tipps-zur-char-gen-pruefung-im-dav-portal-130405/).

Zudem kann man davon ausgehen, dass nicht alle Impfungen dokumentiert wurden, vor allem wenn man sich die Massenabfertigung in Impfzentren vor Augen führt. Auch wurde mehrmals von Pannen bei der Impfdokumentation in den Medien berichtet.


3.

Wenn die Chargenaufkleber im Impfpass eine schlechte Qualität aufweisen, ist dies ebenfalls noch kein Beweis für eine Impfpassfälschung.

Das System der Chargenaufkleber und -nummern ist nicht auf Fälschungssicherheit ausgelegt. Zudem sind die impfenden Stellen nicht verpflichtet, die werksseitig zur Verfügung gestellten Chargenaufkleber zu verwenden. Auch ein handschriftlicher Eintrag der Chargennummer im Impfpass ist zulässig. Es kann auch vorkommen, dass Impfzentren ihre eigenen Aufkleber ausgedruckt haben.



Nach alldem lässt sich festhalten, dass es durchaus Chancen für eine erfolgreiche Verteidigung geben kann. Allerdings muss dies selbstverständlich jeweils im Einzelfall geprüft werden. Ohne anwaltliche Beratung sollten die Betroffenen aber auf keinen Fall Angaben gegenüber der Polizei machen.

Viktoria Dannenmaier

Rechtsanwältin und Strafverteidigerin

Im Moment finden viele Prozesse wegen sog. Impfpassfälschungen statt. Den Betroffenen wird meist Urkundenfälschung nach § 267 Abs. 1 StGB vorgeworfen. Doch worauf sollten Betroffene achten? - HAINTZ legal Rechtsanwalts-GmbH (haintz-legal.de)

Foto(s): Shutterstock - Ralf Geithe

Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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