Impfpflicht am Arbeitsplatz

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Können Arbeitnehmer zu einer Covid-19-Impfung verpflichtet werden? 

Die Entwicklung verschiedener Vakzine gegen das Coronavirus ist ein Wendepunkt der Pandemie. Der Erfolg der Pandemiebekämpfung hängt wiederum stark von der Impfbereitschaft der Bevölkerung ab. Im Arbeitsverhältnis ist der Schutz von Kollegen und Dritten besonders von Bedeutung. Dabei ist fraglich, in welcher Weise der Arbeitgeber auf die Impfung von Arbeitnehmern Einfluss nehmen darf. Nachfolgend wird die Frage erörtert, ob der Arbeitgeber den Arbeitnehmern eine Pflicht zur Durchführung einer Impfung auferlegen kann. 

Gibt es eine gesetzliche Impfpflicht? 

Grundsätzlich sind gesetzliche Impfpflichten zulässig. Eine gesetzliche Impfpflicht besteht etwa derzeit gemäß § 20 VIII-XII IfSG für die Erkrankung Masern.  

§ 20 VI IfSG bemächtigt das Bundesgesundheitsministerium, nach Zustimmung des Bundesrates eine Rechtsverordnung über eine Impfpflicht zu erlassen. Solange das Bundesgesundheitsministerium von dieser Berechtigung keinen Gebrauch macht, sind die Landesregierungen gemäß § 20 VII IfSG befugt, eine entsprechende Rechtsverordnung zu erlassen.  

Aktuell ist weder von Seiten der Bundesregierung noch von Landesregierungen eine Impfpflicht gegen das SARS-CoV-2-Virus in Planung. Daher besteht nach aktuellem Stand in Deutschland keine gesetzliche Impfpflicht für das Coronavirus. 

Ist eine vertragliche Impfpflicht möglich? 

Auch wenn keine gesetzliche Impfpflicht besteht, ist eine private Anordnung einer Impfpflicht nicht ausgeschlossen bzw. unzulässig oder verboten.  

In Arbeitsverhältnissen ist es nicht unüblich, verpflichtende Regelungen zu schaffen, die sich mit ärztlichen Eingriffen befassen. Es gibt bereits tarifvertragliche Vorschriften, die die Gesundheit und körperliche Unversehrtheit der Arbeitnehmer tangieren. Ebenso können Arbeitgeber Regelungen über ärztliche Eingriffe in einer Betriebsvereinbarung bestimmen oder individualvertraglich mit dem Arbeitnehmer entsprechende Regelungen vereinbaren. 

Im Jahr 2018 befasste sich das Bundesarbeitsgericht mit der Frage, inwiefern Arbeitnehmer ärztliche Eingriffe im Arbeitsverhältnis -gemäß tarifvertraglichen Regelungen- dulden müssen. (BAG, Urt. v. 25.1.2018 – 2 AZR 382/17) 

Das BAG gelangt zu dem Ergebnis, dass die Tarifvertragsparteien bei der tariflichen Normsetzung nicht unmittelbar grundrechtsgebunden sind, aber Tarifregelungen, die ein Grundrecht unangemessen beschränken, unzulässig sind.         

Ärztliche Untersuchungen und die Offenlegung personenbezogener Daten an den Arbeitgeber stellen regelmäßig einen Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Arbeitnehmers gemäß Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG dar. Des Weiteren wird die körperliche Unversehrtheit gemäß Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG der Arbeitnehmer tangiert.                                         

Der Arbeitgeber wiederum kann sich auf die in Art. 12 GG und Art. 14 GG geschützte unternehmerische Freiheit und das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb berufen.  

Die Pflicht eines Arbeitnehmers, eine ärztliche Untersuchung zu dulden und an ihr mitzuwirken, verstößt demnach nicht generell gegen höherrangiges Recht. Dies bedeutet allerdings nicht, dass ein Arzt ohne jede Einschränkung alle Untersuchungen vornehmen darf, die er oder der Arbeitgeber für zweckdienlich halten.

Das Interesse des Arbeitgebers an der geforderten Untersuchung muss stets gegen das Interesse des Arbeitnehmers an der Wahrung seiner Intimsphäre und körperlichen Unversehrtheit abgewogen werden.  

Diese Grundsätze lassen sich auf die Frage übertragen, wann der verpflichtende ärztliche Eingriff in Form einer Impfung erlaubt ist. 

Wegen des Eingriffs in die informationelle Selbstbestimmung und die körperliche Unversehrtheit der Arbeitnehmer wird man eine Impfpflicht nicht pauschal für unzulässig erachten können. Es ist im Einzelfall zu entscheiden, ob ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers an einer Impfung besteht, welches das grundrechtlich geschützte Interesse des Arbeitnehmers am allgemeinen Persönlichkeitsrecht und der körperlichen Unversehrtheit überwiegt. 

Eine durchgeimpfte Belegschaft bringt dem Arbeitgeber viele Vorteile. Denn finanzielle Belastungen und Einschränkungen des Betriebs, welche in Folge von Erkrankungen durch das Coronavirus entstehen, werden gemindert oder sogar ausgeschlossen. Für eine Impfpflicht spricht zudem, dass der Arbeitgeber so seiner Schutzpflicht gegenüber seinen Beschäftigten gemäß § 618 BGB i.V.m. § 3 ArbSchG nachkommt.  

Das Interesse des Arbeitgebers, über die Arbeitsfähigkeit des einzelnen Arbeitnehmers Aufschluss zu erhalten, ist grundsätzlich hoch, denn dies ist Voraussetzung für die ordnungsgemäße Durchführung des Arbeitsverhältnisses. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass eine Corona-Impfung regelmäßig keine Voraussetzung für die ordnungsgemäße Durchführung der Tätigkeit ist.  

Aufgrund der Schwere der Grundrechtseingriffe der Arbeitnehmer, die mit einer Impfpflicht einhergehen, kann dennoch ein Impfschutz nur dann als Bedingung für eine ordnungsgemäße Arbeitsleistung angesehen werden, wenn durch die Umstände des Arbeitsverhältnisses erhebliche Gefahren für andere Personen vermieden werden können. Insbesondere sind hiervon Berufsgruppen betroffen, die mit besonders gefährdeten Personengruppen wie Patienten, die einer Risikogruppe angehören, eng zusammenarbeiten. Denn bei diesen Berufsgruppen, steht der Schutz und die Pflege der vulnerablen Personengruppen im Vordergrund der Tätigkeit.  

Orientiert man sich bei der Abwägung an den Wertungen der Empfehlung der ständigen Impfkommission und des Gesetzgebers, dürfte das Interesse des Arbeitgebers an einer Impfplicht nach aktuellem Stand allenfalls für Arbeitnehmer überwiegen können, die gem. § 2 Nr. 2 ff. der CoronaImpfV mit höchster Priorität zu impfen sind.                                        

In allen anderen Fallgruppen dürfte eine Impfpflicht bislang auszuschließen sein. Daran anknüpfend stellt sich die Frage der Überprüfbarkeit in Form einer Impfstatusabfrage, welche die politische Debatte aktuell bewegt. 

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*Anmerkung; Aus Gründen besserer Lesbarkeit wurde im Text die männliche Form gewählt, nichtsdestoweniger beziehen sich die Angaben auf Angehörige aller Geschlechter


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