Inflationsausgleich bei Betriebsrenten darf nicht wegen hohen Verlusten während Corona-Pandemie verweigert werden

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Betriebsrentner:innen haben gem. § 16 BetrAVG einen Anspruch auf regelmäßige Prüfung einer Erhöhung ihrer Betriebsrenten durch den ehemaligen Arbeitgeber. Grundsätzlich muss die sog. Anpassungsentscheidung billigem Ermessen entsprechen. Dies wird regelmäßig angenommen, wenn die Betriebsrente gem. § 16 Abs. 2 Nr. 1 BetrAVG mindestens auf das Niveau des Verbraucherpreisindex (Inflationsausgleich) erhöht wird. 

Hierbei ist aber die wirtschaftliche Lage und insbesondere eine angemessene Eigenkapitalverzinsung des Arbeitgebers zu berücksichtigen. Droht dem Arbeitgeber bei Erhöhung der Betriebsrenten z.B. eine Kapitalauszehrung, darf er die Anpassung verweigern. Hierbei muss der Arbeitgeber seine Anpassungsentscheidung auf Prognosen der zukünftigen wirtschaftlichen Entwicklung des Unternehmens stützen.

Wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers muss detailliert dargelegt werden

Die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers kann zwar als Begründung für eine unterbliebene Betriebsrentenanpassung herangezogen werden, aber der Arbeitgeber sollte die Anpassung nicht mit einem bloßen Verweis auf außerordentlich hohe Aufwendungen bzw. Rückstellungen, die wegen der Corona-Pandemie getätigt bzw. aufgebaut wurden, verweigern dürfen. Denn diese müssen bei der Prognose zur wirtschaftlichen Entwicklung herausgerechnet werden, um ein sog. bereinigte Eigenkapitalrendite darstellen zu können. Allein diese ist dann bei der gerichtlichen Überprüfung der Anpassungsentscheidung ausschlaggebend.

Arbeitgeber müssen also detailliert dazu vortragen, wie sie das Betriebsergebnis um außerordentliche Belastungen bereinigt haben. Dies entschied das Arbeitsgericht Frankfurt in seinem Urteil v. 30.6.2022 (Az.: 26 Ca 905/22) im Falle eines Betriebsrentners einer deutschen Großbank. Dem Betriebsrentner wurde die Anpassung seiner Betriebsrente auf Niveau des Verbraucherpreisindex (4,9 Prozentpunkte), mit Verweis auf die negative Eigenkapitalverzinsung der Bank verweigert. Stattdessen gewährte ihm die Bank - freilich ohne Anerkennung einer Rechtspflicht - lediglich eine Erhöhung um 2 Prozentpunkte. 

Damit war der Betriebsrentner aber nicht einverstanden und klagte erstinstanzlich erfolgreich gegen die Anpassungsentscheidung seines ehemaligen Arbeitgebers. Hierbei wurde er von Rechtsanwalt Ulukaya, Kanzlei RVU Arbeitsrecht aus Frankfurt am Main vertreten. Der Spiegel berichtete.

Außerordentliche Verluste dürfen nicht berücksichtigt werden

Die Bank argumentierte, dass ihre Eigenkapitalverzinsung - auch wegen der außerordentlich hohen Rückstellungen und Aufwendungen, die sie wegen der Corona-Pandemie hatte - negativ sei und einer Anpassung der Betriebsrente entgegen stünde. Allein dieser Vortrag reiche jedoch nicht aus, so das Arbeitsgericht in erster Instanz, um eine Anpassung der Betriebsrente zu verweigern. Dem Betriebsrentner sprach das Arbeitsgericht daher die Anpassung seiner Betriebsrente auf 4,9 Prozentpunkte erstinstanzlich zu. Die von der Bank angekündigte Berufung vor dem LAG Hessen war jedoch teilweise erfolgreich, eine Urteilsbegründung steht noch aus.

Die o.g. Ansicht des ArbG Frankfurt ist nach hiesigem Dafürhalten überzeugend. Die wirtschaftlichen Ergebnisse des Arbeitgebers bedürfen einer Korrektur, soweit betriebswirtschaftlich überhöhte Abschreibungen getätigt wurden. Außerordentliche Verluste, wie sie z.B. während der Corona-Pandemie auftraten, sind in der Regel nicht repräsentativ für die weitere Ertragslage und deshalb bei der Ermittlung einer angemessenen Eigenkapitalverzinsung regelmäßig nicht zu berücksichtigen. 

Corona-Pandemie, Energiepreise, Ukrainekrieg und Fachkräftemangel dürfen Betriebsrentner:innen nicht belasten

In der Tat hatte das hier dargestellte betriebsrentnerfreundliche Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt vor dem LAG Hessen leider keinen Bestand. Es bleibt aber die Forderung, dass die Verluste der Unternehmen während der Corona-Pandemie als außerordentliche Verluste nicht herangezogen werden dürfen, um eine Erhöhung der Betriebsrente zu verweigern. 

Gleichzeitig ist nicht davon auszugehen, dass sich die Lage für Betriebsrentner:innen in Zukunft entspannt. Die hohe Inflation dürfte eine stark erhöhte Betriebsrente nötig machen, um den Kaufkraftverlust aufzufangen. Zugleich haben aber viele Unternehmen mit hohen Energiekosten, wirtschaftlichen Einschränkungen aufgrund des Ukrainekriegs und dem gerade erst beginnenden Fachkräftemangel zu kämpfen. Sie werden eine hohe Anpassung der Betriebsrente nicht ohne Weiteres auf sich nehmen wollen und entsprechende negative Anpassungsentscheidungen treffen. 

Wer sich hiergegen wehren möchte, muss eine 3-monatige Widerspruchsfrist einhalten. Ansonsten gilt die nicht vorgenommene Erhöhung der Betriebsrente gem. § 16 Abs. 4 Satz 2 BetrAVG als zurecht unterblieben. Gern unterstütze ich Sie dabei, Ihre Ansprüche auf eine auskömmliche Betriebsrente zu sichern.





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