Insolvenz und Arbeitsverhältnisse

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Ausgangspunkt Insolvenz

Jede Insolvenz eines Unternehmens bedroht Arbeitsplätze, Massenentlassungen sind im Rahmen einer Unternehmensabwicklung kein Einzelfall. Doch welchen konkreten Einfluss hat die Insolvenz überhaupt auf bestehende Arbeitsverhältnisse?

Rechtswirkungen der Insolvenzeröffnung auf den Inhalt der Arbeitsverhältnisse

Mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens tritt der Insolvenzverwalter kraft Gesetzes in die Arbeitgeberfunktion ein. Die Insolvenzeröffnung berührt die Fortgeltung des allgemeinen Arbeitsrechts im Unternehmen allerdings nicht. Die vier Regelungsbausteine des Arbeitsrechts

  • Arbeitsvertragsrecht;
  • gesetzliches Arbeitnehmerschutzrecht;
  • Betriebsverfassungsrecht und
  • Tarifrecht

gelten folglich auch im Insolvenzunternehmen. Der Insolvenzverwalter ist in seiner Ausübung der Arbeitnehmerfunktion an bestehende Regelungen gebunden. Er hat keine erweiterten Arbeitgeberbefugnisse alleine wegen der wirtschaftlichen Schieflage des Insolvenzunternehmens. Auch das Direktionsrecht des Insolvenzverwalters reicht nicht weiter als das Direktionsrecht eines Arbeitgebers ohne den wirtschaftlichen Notfall „Insolvenz“. 

Umgekehrt bestehen auch die Rechte und Pflichten des Arbeitnehmers nach der Insolvenzeröffnung fort. Der Arbeitnehmer hat weiterhin seine Arbeitsleistung zu erbringen, kann dafür die aber selbstverständlich auch arbeitsvertraglich festgelegte Vergütung verlangen.

Rechtswirkungen der Insolvenzeröffnung auf den Bestand der Arbeitsverhältnisse

Arbeitsverhältnisse enden durch die Insolvenzeröffnung nicht, schon gar nicht „automatisch“. Bestand wie Inhalt der Arbeitsverhältnisse bleiben unberührt. Dies folgt aus § 108 Abs. 1 InsolvenzO (InsO).

Möchte der Insolvenzverwalter bestehende Arbeitsverhältnisse beenden, muss er – wie jeder andere Arbeitgeber auch – eine Kündigung in Schriftform aussprechen. Es muss für den Arbeitnehmer deutlich werden, dass es der Insolvenzverwalter ist, der die Kündigung erklärt. Der Kündigungsschutz der Beschäftigten wird im Insolvenzverfahren nicht ausgehebelt. Es kann nur eine „sozial gerechtfertigte Kündigung“ (§ 1 Abs. 1 KündigungsschutzG) Bestand vor einem Arbeitsgericht haben. D. h., auch der Insolvenzverwalter kann nur eine betriebs-, personen- oder verhaltensbedingte Kündigung nach § 1 Abs. 2 KündigungsschutzG aussprechen. 

Wie gesagt, die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist kein Kündigungsgrund! Lediglich hinsichtlich der Kündigungsfrist und für an sich unkündbare Arbeitsverhältnisse enthält die Insolvenzordnung eine Sonderbestimmung, die die ordentliche Kündigung von Arbeitsverhältnissen „ohne Rücksicht auf eine vereinbarte Vertragsdauer oder einen vereinbarten Ausschluss des Rechts zur ordentlichen Kündigung“ erlaubt. 

Für die Kündigungen nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens gilt daher für den Insolvenzverwalter und für den Arbeitnehmer eine Kündigungsfrist von drei Monaten, wenn nicht für das Arbeitsverhältnis außerhalb der Insolvenz eine noch kürzere Kündigungsfrist maßgeblich ist.

Chancen des Arbeitnehmers in der Insolvenz

Eine wirksame, sozial gerechtfertigte Kündigung auszusprechen, die vor einem Arbeitsgericht „hält“, ist für den Insolvenzverwalter alles andere als einfach. Es lasse sich nicht verkennen, so schreibt der Insolvenzrechtsexperte Peter Gottwald in seinem Standardwerk „Insolvenzrechtshandbuch“ auf Seite 1597, dass durch das Arbeitsrecht ein rechtliches „Gestrüpp“ für den Insolvenzverwalter geschaffen worden ist, das dessen „Stolpern“ in die rechtlichen „Fallen“ des Arbeitsrechts geradezu nahe lege.

In der Praxis ist es nicht selten, dass der Insolvenzverwalter tatsächlich in rechtliche Fallen tappt. Denn häufig versuchen Insolvenzverwalter das Insolvenzunternehmen noch vor dem Verkauf durch den Abbau von Arbeitsplätzen für einen Erwerber „aufzuhübschen“ und regelrecht „zurechtzutrimmen“, schon um nicht die gesamte Belegschaft mit übergehen zu lassen (vgl. § 613a BGB). Wer Eigentumsteile aus der Insolvenzmasse kaufen möchte oder ganze Unternehmensteile, hat in der Regel kein Interesse an den Beschäftigten an sich oder nur an einem „Pool“ von Beschäftigten, der im Rahmen der Betriebsfortführung für besonders geeignet gehalten wird. 

Was jedoch häufig übersehen wird, dass der Ausspruch einer Kündigung aus betriebsbedingten Gründen auch für den Insolvenzverwalter kein „Selbstläufer“ ist. Wie jeder andere Arbeitgeber auch ist der Insolvenzverwalter voll darlegungs- und beweispflichtig dafür, dass die Kündigung rechtmäßig war.

Der Arbeitnehmer ist vor diesem Hintergrund gut beraten, Handlungen des Insolvenzverwalters kritisch gegenüber zu stehen und eigene Chancen genau abzuwägen. Nicht selten ist der wirtschaftliche Druck, der auf dem Insolvenzverwalter lastet, ein geeigneter Hebel, um das Ergebnis einer streitigen Auseinandersetzung im Gefolge z. B. einer Kündigung für den Arbeitnehmer zu verbessern.

Kündigung und Kündigungsschutzklage

Erhält der Arbeitnehmer eine Kündigung vom Insolvenzverwalter, ist Eile geboten. Denn gegen die Kündigung muss binnen drei Wochen nach Zugang der schriftlichen Kündigung Klage beim Arbeitsgericht erhoben werden, dass die Kündigung unwirksam ist (§ 4 Satz 1 KündigungsschutzG). Unterbleibt dies, so bleibt die Kündigung wirksam, auch wenn sie krass ungerecht und rechtswidrig sein sollte! Nur in Ausnahmefällen kann dann noch mit Erfolg ein Kündigungsschutzverfahren durchgeführt werden.


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