Insolvenzantrag durch gesetzliche Krankenkasse: Wann ist zu früh?

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Das gesetzliche Krankenkassen Druck machen sollen, wenn Arbeitgeber die Sozialversicherungsbeiträge nicht zahlen, ist grundsätzlich o. k. – schließlich will jeder gesetzlich Versicherte, dass die Krankenkasse in der Lage ist, seine dringende Herz-OP zu bezahlen.

Trotzdem übertreiben Krankenkassen im Einzelfall bei der Beitreibung. Ein Klassiker ist dabei eine sehr frühe Insolvenzantragstellung. Da die Insolvenzantragstellung letztendlich eine existenziell gefährliche Maßnahme für den Beitragsschuldner ist, wehren diese sich oft rechtlich gegen die Antragstellung, wenn sie der Meinung sind, die Krankenkasse stelle zu früh Insolvenzantrag.

Dabei versuchen die Krankenkassen oft, eine manchmal etwas arg heftige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auszunutzen, der bei 6 Monaten Zahlungsrückständen für Sozialversicherungsbeiträge davon ausgeht, dass im Zweifelsfall Zahlungsunfähigkeit vorliege. Allerdings existieren diverse Einzelsachverhalte, bei denen Gerichte niederer Instanzen im Zweifelsfall auch mal anderer Meinung sind.

Ein typischer Fall dessen landete beim Landgericht Hamburg (Beschluss vom 25.10.2023 – 303T 15/23)

Eine Krankenkasse hatte Forderungen in Höhe von knapp 10.000 € aus rückständigen Beiträgen vom Mai 22 bis Juni 23, also 14 Monate. Der daraufhin gestellte Insolvenzantrag (Fremdantrag) oder der Krankenkasse allerdings vom erstinstanzlich zuständigen Amtsgericht um die Ohren gehauen: Ungeachtet der Dauer der Rückstände genüge dies nicht, wenn der Gläubiger (hier die Krankenkasse) nicht im Zeitraum kurz vor der Insolvenzantragsstellung einmal versucht habe, vorab im Wege der Einzelzwangsvollstreckung zu vollstrecken.

Die Krankenkasse war uneinsichtig und trug vor, sie habe zwar versucht, bei einem Hauptzollamt als Vollstreckungsorgan eine Einzelzwangsvollstreckung zu beantragen, das habe aber seine Zuständigkeit abgelehnt. Also sei zwar nichts geschehen, aber man habe genug getan.

Das Landgericht Hamburg war anderer Meinung: Zum einen kritisierte es die obige Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, zum anderen bekam die Krankenkasse zu hören, letztendlich nichts getan zu haben,  reiche nicht.

Diese Rechtsprechung erscheint in zweierlei Hinsicht als richtig: Zum einen erscheint die Vorgehensweise der Krankenkasse unter Berücksichtigung der rechtlichen und wirtschaftlichen Folgen eines erfolgreichen Insolvenzantrag als im verfassungsrechtlichen Sinne unverhältnismäßig und damit rechtswidrig. Zum anderen könnte mit dem Argument, man habe bei irgendeinem (dem Schuldner unbekannten) Vollstreckungsorgan fehlender Zuständigkeit einen Antrag gestellt, die Warnfunktion einer Einzelzwangsvollstreckung für den Schuldner umgangen werden.

Rechtsanwalt Klaus Maier

Fachanwalt für Arbeitsrecht
Fachanwalt für Insolvenzrecht
Spezialist für Insolvenzanfechtungsrecht
Insolvenzverwalter
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