Internationales Familienrecht - Kein Rückführungswille bei (konkludenter) Zustimmung - D/ENG-Version

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Kein Rückführungsanspruch des Vaters bei (konkludenter) Zustimmung zur Ausreise

Ein Kindesvater hat keinen Anspruch auf Rückführung seines Kindes, wenn die Mutter die Ausreise vorher per SMS angekündigt hat und der Vater ihr daraufhin nicht widersprochen hat. Der Gerichtsentscheidung des 11. Senats für Familiensachen des OLG Hamm lag der Sachverhalt zugrunde, dass ein im Dezember 2010 geborenes Mädchen, das die Mutter im August 2012 von Sizilien nach Deutschland verbracht hat, nicht nach den Vorschriften des Haager Übereinkommens über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung vom 25.10.1980(HKÜ) nach Italien zurückgebracht werden muss. Damit widersprach der 11. Senat der erstinstanzlichen Entscheidung des Amtsgerichts – Familiengericht – Hamm.

Die Kindesmutter war im Jahre 1987 geboren und hatte die italienische und deutsche Staatsangehörigkeit inne. Sie siedelte 2008 von Deutschland nach Sizilien über, wo sie den im Jahre 1990 geborenen Kindesvater, einen italienischen Staatsangehörigen, kennenlernte. Im Dezember 2010 kam die gemeinsame Tochter zur Welt. Im November 2011 verließ die Kindesmutter mit der fast einjährigen Tochter die Wohnung und zog zu ihrer in der Nähe wohnenden Schwester. Die Tochter wurde weiterhin, zumindest zeitweise während der Arbeitszeiten der Mutter, vom Vater versorgt. Im Juni/Juli 2012 tauschten sich die Eltern über SMS u. a. darüber aus, ob die Kindesmutter mit der Tochter nach Deutschland ziehen sollte. Ende August 2012 reiste die Mutter mit ihrer Tochter nach Deutschland und lebt zur Zeit in Herne.

Der Kindsvater beantragte auf der Grundlage des HKÜ die Rückführung der Tochter nach Italien. Er behauptete, die Ausreise im August 2012 sei ohne seine Zustimmung erfolgt. Jedenfalls aber, sofern er in den Monaten zuvor eine Zustimmung erteilt habe, habe er diese zwischenzeitlich widerrufen.

Entscheidung des OLG Hamm:

Der 11. Senat für Familiensachen des Oberlandesgerichts Hamm hat es abgelehnt, die Rückführung des Mädchens nach Italien anzuordnen und den Antrag des Vaters damit abgewiesen. Die Rückführung des Kindes nach Italien könne nicht verlangt werden, wenn der Vater der Ausreise nach Deutschland zugestimmt habe. Eine solche Zustimmung, die formlos und auch durch schlüssiges Verhalten erklärt werden könne, habe der Vater hier nach Ansicht der Richter erteilt. Dies ergebe sich aus dem SMS-Verkehr. In diesem habe die Kindesmutter ihre Ausreise angekündigt. Mit ihren Mitteilungen habe sich der Vater auseinandergesetzt, ohne zum Ausdruck zu bringen, dass er mit einer Ausreise seiner Tochter nicht einverstanden sei. Hieraus habe die Mutter auf seine Zustimmung zum Verbringen des Kindes nach Deutschland schließen dürfen. Diese Zustimmung habe der Vater nicht wirksam widerrufen. Der beweisbelastete Vater, der einen Widerruf nicht nachgewiesen habe, konnte seine prozessuale Darlegung- und Beweispflicht nicht erbringen. Auch bezüglich eines Widerrufs, der ebenfalls schlüssig oder konkludent erklärt werden könne, fehle es im vorliegenden Fall aber an Umständen, denen die Kindesmutter entnehmen musste, dass der Vater einer Ausreise der Tochter nunmehr widersprechen wolle.

English version:

No return claim of the father with (implied) consent to leave

A child's father is not entitled to repatriate his child if the mother had previously announced the departure by text message and the father had subsequently not contradicted her.

A girl born in December 2010, who moved with her mother from Sicily to Germany in August 2012, does not have to be brought back to Italy under the provisions of the Hague Convention on the Civil Aspects of International Child Abduction of 25 October 1980 (HKÜ). The 11th Senate for Family Affairs of the Higher Regional Court of Hamm ruled with a modification of the first-instance decision of the District Court – Family Court – Hamm.

Born in 1987, the both Sicilian and German-born child mother moved from Germany to Sicily in 2008 where she met her father, an Italian citizen born in 1990. In the summer of 2010, both moved into a shared apartment, in December 2010 their daughter was born. In November 2011 the child's mother left home with the nearly one-year-old daughter and moved to her sister's home. The daughter continued to be cared for by the father at least temporarily during mother's working hours. In June / July 2012, parents exchanged their messages via SMS and others about whether the child's mother should move to Germany with the daughter. At the end of August 2012 the mother traveled with her daughter to Germany and currently lives in Herne.

On the basis of the HKÜ the father asked for the return of the daughter to Italy and claims that the departure in August 2012 took place without his consent. If he had given consent in the months before he had meanwhile revoked it.

Essential reasons for the decision

The 11th Senate for Family Affairs of the Higher Regional Court of Hamm has refused to order the return of the girl to Italy. The return of the child to Italy, the father of the child can not demand if he has consented to the departure to Germany. Such an agreement, which could be explained informally and also by conclusive behavior was granted by the father. That results from the SMS traffic of the involved ones. In this the child's mother announced her departure. Her father's statements were addressed by her without expressing his disapproval of leaving his daughter. From this on, the mother was allowed to conclude his consent to the child's transfer to Germany. The father did not effectively revoke this consent. The senate has to assume that because the father who was burdened with evidence in this respect did not prove a revocation. Also a revocation can be explained informally and by conclusive behavior until the completed departure. In that regard, however, in the present case there are no circumstances in which the child's mother had to infer that the father now wishes to object to the daughter's departure.

For any more information and all other questions concerning the matter of international family law please contact my law firm per telephone or via e-mail.

Best regards,

Vera Mueller-Lehnert

-lawyer-


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