Ist eine Pflichtverteidigung immer eine schlechte Verteidigung oder eine Verteidigung 2. Wahl?

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Ist eine Pflichtverteidigung immer eine schlechte Verteidigung oder eine Verteidigung 2. Wahl?


Die Frage kann man so pauschal nicht beantworten. Die typische Antwort eines Juristen darauf wäre, es kommt darauf an. Stimmt aber.

Wir haben schon Strafverfahren von Kollegen erlebt, bei denen die Pflichtverteidigung eine gute bis sehr gute Verteidigung war.

Meist ist aber eine Pflichtverteidigung eine schlechtere als die einer Wahlverteidigung.


Warum ist das so?  

Ein Faktor für eine gute Verteidigung ist immer die Zeit, die euer Verteidiger sich nimmt und das Geld, welches man für seine Verteidigung aufwendet..
 
Je mehr Arbeitszeit ein Verteidiger in einem Fall investieren kann, desto besser ist meist das Verhandlungsergebnis. Arbeitszeit bedeutet auch aber immer gleichzeitig Geld und Kosten.
 
Auch ein Strafverteidiger lebt nicht nur von Luft und Liebe allein.
Eine 1- Mann Strafverteidiger Kanzlei wird nach unserer Einschätzung einen Stundensatz von mindestens 150,00 € verlangen müssen, damit ihre Kosten für Mitarbeitergehälter, Büromieten, Versicherungen, Kanzlei PKW und natürlich auch den Unterhalt für sich selbst gedeckt sind. Unterhalt des Rechtsanwalts bedeutet hier einen Verdienst auf Mindestlohnniveau von 12,00 € die Arbeitsstunde.
 
Großkanzleien mit Büros in 1A Lagen und großem Back Office rufen hier teilweise über 400,00 € als Stundensatz auf, um kostendeckend arbeiten zu können.
 
Pflichtverteidiger werden aber nicht nach ihrem zeitlichen Arbeitsaufwand bezahlt, sondern bekommen Pauschalen je Fall. Das heißt, je weniger Arbeitszeit sie für ein einzelnes Mandat aufwenden, desto höher ist ihr Stundensatz und damit ihr Verdienst.

Wenn also ein Mandat oder Fall zeitlich sehr aufwendig ist, der Mandant sitzt zum Beispiel in Untersuchungshaft, die Ermittlungsakten sind sehr umfangreich, es müssen umfangreiche Anträge gestellt werden oder die mündliche Verhandlung dauert sehr lange und man wendet als Verteidiger hierfür beispielsweise 40 Arbeitsstunden auf, dann bräuchte da der Einzelanwalt mit 150,00 € Stundensatz rund 6.000,00 € Einnahmen. Die Großkanzlei mit 400,00 € Stundensatz bräuchte schon 16.000,00 € an Gebühren, um kostendeckend arbeiten zu können.
 
Tatsächlich erhält er aber nur eine Pflichtverteidigerpauschale von circa 1.000,00 bis 2.000,00 €. Da seine laufenden Kanzlei Kosten aber höher sind, verdient der Anwalt an diesem Fall nicht nur nichts. er legt sogar drauf.
 
Auf Dauer wird so eine Arbeitsweise unweigerlich in den Konkurs dieser Kanzlei enden. Im Ergebnis wird dieser Pflichtverteidiger hier weniger Arbeitszeit in diese Verteidigung investieren. Vielleicht  zu wenig Arbeitszeit um das beste Verteidigungsergebnis für den Beschuldigten zu erreichen.

In welchem Maße die geringe Vergütung einer Pflichtverteidigung für eine Anwaltskanzlei existenzbedrohend werden kann, wenn der Fall zeit- und arbeitsintensiv ist, kann man auch in der sehr lehrreichen Fernsehdokumentation über die Strafverteidiger Kollegen Heer, Sturm und Stahl, die im NSU Prozess verteidigt haben, sich anschauen.
 
Die 3 Kollegen und Kolleginnen mussten sich von Freunden, der Familie und Kollegen Geld leihen, um überhaupt diese Pflichtverteidigung von Beate Zschäpe erbringen zu können.
 
Wegen der hochdefizitären Pflichtverteidigung wurden diese Kollegen teilweise von ihrem Kanzleikollegen aus den gemeinsamen Anwaltskanzleien rausgemoppt und rausgedrängt.


Weitere Infos finden Sie unter:

GLÜCK - Kanzlei für Strafrecht

Foto(s): GLÜCK - Kanzlei für Strafrecht

Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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