Kann man Überstunden im Arbeitsvertrag pauschal abgelten? Das müssen Arbeitgeber wissen!
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In der Praxis verwenden viele Arbeitgeber in Arbeitsverträgen Klauseln, mit denen von Arbeitnehmern erarbeitete Überstunden pauschal abgegolten werden sollen. Bei der Formulierung derartiger „Pauschalvergütungsabreden“ ist jedoch Vorsicht geboten. Im folgenden Rechtstipp möchte ich Ihnen daher erläutern, was bei der Formulierung derartiger „Pauschalvergütungsabreden“ aus arbeitsrechtlicher Perspektive zu beachten ist.
Warum sollte man als Arbeitgeber überhaupt über die Aufnahme einer „Pauschalvergütungsabrede“ in Arbeitsverträge nachdenken?
Arbeitgeber sollten vor allem über die Aufnahme einer „Pauschalvergütungsabrede“ in Arbeitsverträge nachdenken, um zusätzliche Lohnkosten in unklarer Höhe zu vermeiden. Denn wenn ein Arbeitsvertrag keine „Pauschalvergütungsabrede“ enthält, wird der Arbeitgeber in vielen Fällen vom Arbeitnehmer angehäufte Überstunden zusätzlich zum regulären Arbeitsentgelt vergüten müssen. Dies liegt an der gesetzlichen Regelung in § 612 Absatz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Denn nach § 612 Absatz 1 BGB gilt eine Vergütung immer dann „als stillschweigend vereinbart, wenn die Dienstleistung den Umständen nach nur gegen eine Vergütung zu erwarten ist“. Auch über die Höhe der Vergütung von Überstunden kann in diesen Konstellationen Streit entstehen, da
§ 612 Absatz 2 BGB nicht etwa auf den vertraglichen Stundenlohn des Arbeitnehmers, sondern auf eine „taxmäßige Vergütung“ bzw. den wenig konkreten Begriff der „übliche[n] Vergütung“ abstellt.
Darf man im Arbeitsvertrag pauschal alle Überstunden eines Arbeitnehmers abgelten?
Ein Arbeitgeber könnte nun auf die Idee kommen, einfach pauschal alle von einem Arbeitnehmer angehäuften Überstunden abzugelten. Er könnte etwa in einen Arbeitsvertrag die Klausel aufnehmen, dass „der Arbeitnehmer für geleistete Überstunden keine Vergütung erhält, da diese bereits mit dem Grundgehalt abgegolten sind.“
Eine derart weitreichende „Pauschalvergütungsabrede“ ist jedoch nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (siehe z.B. Bundesarbeitsgericht, Urteil v. 22.02.2012 – 5 AZR 765/10) unwirksam. Denn eine die pauschale Vergütung von Überstunden regelnde Klausel ist nach Ansicht der Richterinnen und Richter nur dann wirksam, wenn der Arbeitnehmer aus dem Arbeitsvertrag selbst erkennen kann, welche Arbeitsleistungen in welchem zeitlichen Umfang von ihr umfasst werden. Eine „Pauschalvergütungsabrede“ muss daher in der Praxis zwingend so formuliert werden, dass der zeitliche Umfang der pauschal abgegoltenen Überstunden für den Arbeitnehmer zu erkennen ist.
Wie viele Überstunden dürfen mit einer „Pauschalvergütungsabrede“ abgegolten werden?
In einer weiteren Entscheidung aus dem Jahr 2012 (Bundesarbeitsgericht, Urteil v. 16.05.2012 – 5 AZR 331/11) hat sich das Bundesarbeitsgericht mit dem zulässigen zeitlichen Umfang einer „Pauschalvergütungsabrede“ befasst. In diesem Urteil hat das Bundesarbeitsgericht eine „Pauschalvergütungsabrede“, nach der „die ersten zwanzig Überstunden im Monat“ pauschal abgegolten sind, noch für zulässig erachtet. Insbesondere sei eine derartige Regelung auch keine überraschende Klausel im Sinne des § 305c Absatz 1 BGB, da vergleichbare „Pauschalvergütungsabreden“ im Arbeitsleben weit verbreitet sind.
Aber Achtung:
Die zitierte Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts erging vor dem Inkrafttreten des Mindestlohngesetzes (MiLoG). Die Vereinbarung einer „Pauschalvergütungsabrede“, nach der „die ersten zwanzig Überstunden im Monat“ pauschal abgegolten sind, setzt nach heutiger Rechtslage voraus, dass durch die Klausel der gesetzliche Mindestlohn nicht unterschritten wird. Je nach Branche ist zudem zu beachten, dass auch der relevante Branchenmindestlohn nicht unterschritten wird. Denn Branchenmindestlöhne gehen gemäß § 1 Absatz 3 MiLoG dem gesetzlichen Mindestlohn vor, sofern sie höher als der gesetzliche Mindestlohn sind.
Wie kann man sich als Arbeitgeber zusätzlich vor Lohnforderungen von Arbeitnehmern für geleistete Überstunden schützen?
Zusätzlich zu einer rechtssicher formulierten „Pauschalvergütungsabrede“ sollte unbedingt im Arbeitsvertrag auch eine arbeitsvertragliche Ausschlussfrist vereinbart werden. Durch eine arbeitsvertragliche Ausschlussfrist lässt sich verhindern, dass Arbeitnehmer, falls es irgendwann zu einer Rechtsprechungsänderung bezüglich „Pauschalvergütungsabreden“ kommen sollte, plötzlich Überstunden aus irgendwelchen Vorjahren geltend machen. Doch auch bei der Formulierung von Ausschlussfristen ist Vorsicht geboten. Denn eine Ausschlussfrist kann den Arbeitgeber nur dann vor Nachforderungen schützen, wenn sie rechtssicher formuliert ist und den Anforderungen der diesbezüglichen Rechtsprechung genügt. Arbeitsvertragliche Ausschlussfristen sollten daher idealerweise durch eine Rechtsanwältin formuliert werden und zudem periodisch auf ihre Rechtssicherheit überprüft werden.
Bitte beachten Sie, dass diese Informationen keine Beratung im Einzelfall ersetzen können. Gerne berate ich Sie persönlich oder auch online zu Ihren Rechtsthemen im Arbeitsrecht.
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