Kein arbeitsfreier Tag an Rosenmontag aus betrieblicher Übung?

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Der 11.11.2017 steht bevor, die Karnevalshochburgen bereiten sich auf die närrische Zeit vor. Das Landesarbeitsgericht Hamm hat mit Urteil vom 14.06.2017 (2 Sa 307/17) entschieden, dass es regelmäßig keinen Anspruch auf Arbeitsbefreiung am Rosenmontag aus betrieblicher Übung gibt, es sei denn, es gilt eine besondere Ausnahmesituation. Die Einzelheiten erläutert im Folgenden Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Bert Howald.

Eine Zusage, anlässlich des karnevalistischen Brauchtums für den Tag des Hauptumzugs Arbeitsbefreiung zu erteilen, werde nicht hauptsächlich zu dem Zweck erteilt, die erbrachte Arbeitsleistung zu vergüten. Arbeitsbefreiung an Rosenmontag sei für ein Arbeitsverhältnis weder wesensnotwendig noch von besonderer Bedeutung; sie habe sekundären, außergewöhnlichen Charakter.

Das Gericht hat allerdings eingeräumt, dass es in Ausnahmefällen besondere Anhaltspunkte geben könnte, die diese Annahme rechtfertigen könnten. Diese müssten aber vorgetragen werden. Allein die Tatsache, dass die bezahlte Arbeitsbefreiung am Rosenmontag jahrelang beim Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes ohne besonderen Vorbehalt gewährt worden sei, begründe keinen besonderen Vertrauensschutz, der die Annahme der Begründung einer betrieblichen Übung rechtfertigen würde. Neben einer langjährigen Gewährung, die im Bereich des öffentlichen Dienstes allein für die Begründung einer betrieblichen Übung nicht ausreicht, müssten zusätzliche tatsächliche Umstände vorgetragen werden, die dieses Vertrauen rechtfertigen könnten.

LAG Hamm v. 14.06.2017 – Aktenzeichen 2 Sa 307/17

1. Arbeitnehmer klagte auf Arbeitsbefreiung am Rosenmontag

Der Arbeitnehmer ist beim Arbeitgeber seit 1988 beschäftigt, der zunächst eine Anstalt des öffentlichen Rechts war, welche in Zusammenarbeit mit den Sparkassen Versicherungsgeschäft betrieb. Im Jahr 2002 wurde der Arbeitgeber zu einer Aktiengesellschaft. Zuvor noch wurde beim Arbeitgeber eine „Dienstvereinbarung über die Gestaltung der Arbeitszeit“ geschlossen. Später, nach dem Rechtsformwechsel schloss der Arbeitgeber mit dem Betriebsrat eine Betriebsvereinbarung über die Gestaltung der Arbeitszeit, in der es unter anderem heißt, dass „für […] Brauchtumstage […], die auf die Wochentage Montag bis Freitag entfallen, … die tägliche Sollarbeitszeit gutgeschrieben“ wird. Diese Betriebsvereinbarung wurde später geändert, sodass es nunmehr hieß: „Rosenmontag ist ein Arbeitstag.“

Der Kläger ist damit nicht einverstanden. Er meint, dass er einen Anspruch auf bezahlte Freistellung am Rosenmontag habe. Den Entzug des arbeitsfreien Rosenmontags durch die Betriebsvereinbarung hält er für unwirksam. Er gibt an, dass er seit mehr als 25 Jahren den meist auch freien Rosenmontag nutzt, um eine einwöchige Ski-Freizeit für die Betriebssportgemeinschaft zu organisieren. Im Vorjahr noch sei der Rosenmontag als freier Tag ausgewiesen worden. Seit 1988 sei der Rosenmontag immer bezahlt arbeitsfrei gewesen. Er beruft sich dabei auf das Rechtsinstitut der „betrieblichen Übung“. Auch wenn es im öffentlichen Dienst keine betriebliche Übung gebe, spiele dies für ihn keine Rolle, da die Rechtsform ja im Jahr 2002 geändert worden sei. Der Betriebsratsvorsitzende sei bei Abschluss der Betriebsvereinbarung nicht mehr im Amt gewesen, da er älter als 65 Jahre sei und das Arbeitsverhältnis bei Erreichen dieser Altersgrenze eigentlich automatisch ende.

Das Arbeitsgericht hat die Klage des Arbeitnehmers abgewiesen, weil ein etwaiger Anspruch aus betrieblicher Übung aufgrund der Betriebsvereinbarung zur Gestaltung der Arbeitszeit aufgehoben worden sei. Auch das Landesarbeitsgericht weist die Berufung des Arbeitnehmers zurück. Es sei aufgrund einer betrieblichen Übung kein Anspruch des Klägers auf eine bezahlte Arbeitsbefreiung an Rosenmontag entstanden.

2. Wie begründet das Landesarbeitsgericht seine Entscheidung?

Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Bert Howald: Als betriebliche Übung werde nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers verstanden, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder eine Vergünstigung auf Dauer eingeräumt werden. Dabei komme es nicht entscheidend darauf an, ob ein Verpflichtungswille des Arbeitgebers bestehe, sondern darauf, wie die Arbeitnehmer als Erklärungsempfänger die Erklärung oder das Verhalten des Arbeitgebers unter Berücksichtigung aller Begleitumstände verstehen mussten.

Wolle der Arbeitgeber verhindern, dass aus der Stetigkeit seines Verhaltens eine in die Zukunft wirkende Bindung entstehe, müsse er einen entsprechenden Vorbehalt erklären. Erforderlich sei, dass der Vorbehalt klar und unmissverständlich kundgetan wird. Dabei stehe die Form des Vorbehalts dem Arbeitgeber frei. Er könne den Vorbehalt sowohl durch Aushang oder Rundschreiben als auch durch Erklärung gegenüber dem einzelnen Arbeitnehmer bekanntgeben. Für den Inhalt einer betrieblichen Übung sei allerdings nicht nur das tatsächliche Verhalten des Arbeitgebers entscheidend. Auch Art, Bedeutung und Begleitumstände der üblich gewordenen Leistung seien zu berücksichtigen. Da die betriebliche Übung zu typisierten Leistungsbedingungen führe, sei das Verhalten des Arbeitgebers losgelöst von den Umständen des Einzelfalles nach objektiven Kriterien auszulegen.

Der Arbeitnehmer des öffentlichen Dienstes müsse dabei in aller Regel davon ausgehen, dass ihm sein Arbeitgeber nur die Leistungen gewähren wolle, zu denen er rechtlich verpflichtet sei. Im Zweifel gelte „Normvollzug“. Der Arbeitnehmer dürfte grundsätzlich nur auf eine korrekte Anwendung der aktuell geltenden rechtlichen Regelungen vertrauen. Ohne besondere Anhaltspunkte dürfe er daher auch bei langjähriger Gewährung von überobligatorischen Vergünstigungen nicht annehmen, die Übung sei Vertragsinhalt geworden und werde unabhängig von den zugrundeliegenden normativen Regelungen unbefristet beibehalten.

Ein Anspruch aus betrieblicher Übung könne außerdem nur entstehen, wenn keine andere kollektiv- oder individualrechtliche Anspruchsgrundlage für die Gewährung der Vergünstigung bestehe.

Ausgehend von diesen Grundsätzen sei ein Anspruch des Klägers auf bezahlte Arbeitsbefreiung am jeweiligen Rosenmontag aufgrund einer betrieblichen Übung nicht entstanden. Der Arbeitgeber sei bis 2002 als Anstalt des öffentlichen Rechts Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes gewesen. Eine Zusage, anlässlich des karnevalistischen Brauchtums für den Tag des Hauptumzugs Arbeitsbefreiung zu erteilen, würde nicht hauptsächlich zu dem Zweck erteilt, die erbrachte Arbeitsleistung zu vergüten. Arbeitsbefreiung an Rosenmontag ist für ein Arbeitsverhältnis weder wesensnotwendig noch von besonderer Bedeutung; sie habe sekundären, außergewöhnlichen Charakter. Besondere Anhaltspunkte, die eine solche Annahme rechtfertigen könnten, seien weder ersichtlich noch vom Kläger vorgetragen.

Allein die Tatsache, dass die bezahlte Arbeitsbefreiung am Rosenmontag während der Zugehörigkeit der Rechtsvorgängerin der Beklagten zum öffentlichen Dienst bis zur Privatisierung jahrelang ohne besonderen Vorbehalt gewährt worden sei, begründe auch keinen besonderen Vertrauensschutz, der die Annahme der Begründung einer betrieblichen Übung rechtfertigen würde. Neben der langjährigen Gewährung, die im Bereich des öffentlichen Dienstes allein für die Begründung einer betrieblichen Übung nicht ausreiche, liege auch nach dem Vorbringen des Klägers kein zusätzlicher tatsächlicher Umstand vor, der dieses Vertrauen rechtfertigen könnte.

Nach dem Rechtsformwechsel im Jahr 2002 hätte außerdem schon deswegen keine betriebliche Übung entstehen können, weil die Frage der Arbeitsbefreiung an Brauchtumstagen, die an einen Wochentag von Montag bis Freitag fallen, in der Betriebsvereinbarung ausdrücklich geregelt wurde, sodass dem Kläger seit 2002 nicht wenigstens drei Mal ohne Vorbehalt und ohne eine kollektive Regelung eine bezahlte Arbeitsbefreiung am Rosenmontag gewährt worden sei, die eine betriebliche Übung hätte begründen können.

3. Welche Schlussfolgerungen kann man daraus für andere Arbeitsverhältnisse ziehen?

Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. Bert Howald sieht es so: Die Entscheidung enthält die Besonderheit, dass der Arbeitnehmer zunächst viele Jahre im öffentlichen Dienst gearbeitet hat, wo überaus hohe Anforderungen an die Entstehung einer betrieblichen Übung gestellt werden. Aber selbst wenn man außer Acht ließe, dass der Arbeitnehmer bei einer Anstalt des öffentlichen Rechts beschäftigt war, die später in eine Aktiengesellschaft umgewandelt wurde, bleibt doch das Problem bestehen, dass die Betriebsparteien die Frage der Arbeitszeit in einer Betriebsvereinbarung geregelt haben und daher ein Anspruch auf Arbeitsbefreiung nicht aufgrund einer betrieblichen Übung entstanden sein konnte. Die Betriebsparteien können auch ungünstigere Regelungen mit dem Arbeitgeber vereinbaren, ohne dass Arbeitnehmer sich auf der Individualebene auf eine betriebliche Übung berufen könnten.

4. Wie sollten Arbeitnehmer vorgehen, wenn keine Arbeitsbefreiung gewährt wird?

Möglicherweise gibt es – anders als im o. g. Fall – einen Anspruch aus dem Arbeitsvertrag, einer Betriebsvereinbarung oder aus betrieblicher Übung nach allgemeinen Grundsätzen, wenn der Arbeitgeber in den vergangenen Jahren bezahlte Arbeitsbefreiung für den Rosenmontag gewährt hat, ohne dies unter einen Vorbehalt gestellt zu haben.

Wenn der Arbeitgeber die Arbeitsbefreiung verweigert, sollte man aber nicht einfach trotzdem frei nehmen oder sich selbst beurlauben. Denn außerdem gibt es natürlich die Möglichkeit, einen Urlaubstag am Rosenmontag zu nehmen. Der Urlaub muss aber natürlich rechtzeitig beantragt werden. Der Arbeitgeber muss bei Beantragung des Urlaubs über den Urlaubswunsch nach § 7 des Bundesurlaubsgesetzes entscheiden. Vorrangig sind dann ggf. die Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer nach sozialen Gesichtspunkten oder entgegenstehende, dringende betriebliche Erfordernisse.

Dr. Bert Howald

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Arbeitsrecht

Anwaltskanzlei Gaßmann & Seidel, Stuttgart 


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