Kein Barvermögen im Nachlass? Warum oft ein Insolvenzantrag der richtige Weg sein kann..
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In unserer Kanzlei, der RA Cocron GmbH & Co. KG, beraten wir regelmäßig Erben, Pflichtteilsberechtigte und Nachlasspfleger in komplexen erbrechtlichen Situationen. Ein aktueller Fall zeigt sehr anschaulich, warum ein Insolvenzantrag manchmal unvermeidlich ist, um einen völlig verstrickten Nachlass effizient abzuwickeln:
Der Sachverhalt:
Ein Sohn war testamentarisch als Erbe eingesetzt, während die zum Nachlass gehörende Immobilie einem langjährigen Freund des Erblassers als Vermächtnis zugewandt wurde. Barvermögen war kaum vorhanden, die Bestattungskosten waren noch nicht bezahlt. Erste Verhandlungen über eine gütliche Einigung scheiterten, woraufhin der anwaltlich beratene Sohn des Erblassers die Erbschaft ausschlug und stattdessen seinen Pflichtteilsanspruch gegenüber dem Nachlass geltend machte.
Der Vermächtnisnehmer hielt dagegen: Seiner Ansicht nach sei die Erbschaft durch schlüssiges Verhalten angenommen worden. Der Streit eskalierte, und weil damit die Erbfolge zunächst unklar blieb, wurde auf Antrag des Pflichtteilsberechtigten ein Nachlasspfleger nach § 1961 BGB eingesetzt.
Nach einer ersten Bestandsaufnahme kontaktierte der Nachlasspfleger einen Anwalt.
Unser Fazit war schnell klar: Ohne Insolvenzantrag würde der Nachlasspfleger zwischen die Fronten geraten, mit massiven rechtlichen und wirtschaftlichen Folgen.
Warum ein Insolvenzantrag hier der richtige Schritt ist:
- Komplexe Rechtsstreitigkeiten vermeiden Ohne Insolvenzverfahren drohen dem Nachlasspfleger mehrere Klageverfahren – entweder von Seiten des Pflichtteilsberechtigten oder des Vermächtnisnehmers. Da das Vermächtnis nach § 2318 BGB zu kürzen ist, müsste der Pfleger mehrere Streitverkündungen aussprechen, was absehbar zu einem aufwändigen und teuren Prozess auf Staatskosten führen würde.
- Zahlungsunfähigkeit des Nachlasses: Bereits die offenen Beerdigungskosten und die Verfahrenskosten machten klar: Der Nachlass war praktisch zahlungsunfähig, trotz Immobilienvermögen
- Überschuldung liegt nahe
Unter Berücksichtigung des Pflichtteilsanspruchs war eine Überschuldung des Nachlasses kaum mehr zu vermeiden. - Bessere Befriedigung im Insolvenzverfahren
Was viele Erben nicht wissen: Nach § 327 Abs. 1 InsO wird der Pflichtteil im Insolvenzverfahren bevorzugt behandelt und vor einem Vermächtnis erfüllt. - Effizienterer Streitmechanismus
Im Insolvenzverfahren können Pflichtteilsansprüche und vermächtnisrechtliche Streitigkeiten im Rahmen der Forderungsanmeldung (§ 179 Abs. 1 InsO) geklärt werden – schnell & effizient.
Wer sich mit Nachlassabwicklungen beschäftigen muss – sei es als Erbe, Pflichtteilsberechtigter, Nachlasspfleger oder Testamentsvollstrecker –, sollte den Insolvenzantrag als strategisches Instrument kennen und anwenden. Er schafft klare Verhältnisse, schützt die Beteiligten vor unkalkulierbaren Risiken und spart erhebliche Verfahrenskosten.
Weitere Informationen und aktuelle Beiträge zum Erbrecht finden Sie auf https://ra-cocron.de/rechtsgebiete/erbrecht-ihre-rechte-und-pflichten/
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