Kein Rückruf nach Unterlassungsverpflichtung: 200.000,00 € Ordnungsgeld – und dann doch nicht

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Bei einem Wettbewerbsverstoß oder auch einer Markenrechtsverletzung geht es auf dem ersten Blick ausschließlich um eine Unterlassung. Eine Unterlassung ist in die Zukunft gerichtet. Ein fehlerhaft gekennzeichnetes Produkt oder eine Werbeaussage darf zukünftig nicht mehr gemacht werden.

Neben Unterlassungsansprüchen gibt es jedoch u.a. im Wettbewerbsrecht auch einen Beseitigungsanspruch. Obwohl es weder einer Unterlassungserklärung noch einem Unterlassungsurteil oder einer einstweiligen Verfügung auf Unterlassung explizit zu entnehmen ist, bedeutet Unterlassung auch gleichzeitig Beseitigung. Dies kann insbesondere zu einem Problem werden, wenn z.B. ein fehlerhaft gekennzeichnetes Produkt (z.B. mit einer Werbeaussage, einer Marke oder Kennzeichnungsmängeln) in den Verkehr gebracht worden ist, ohne dass eine entsprechende Aussage in Werbemitteln wie z.B. Katalogen enthalten ist.

In diesem Fall gibt es für den Schuldner eine Rückrufverpflichtung. Die gewerblichen Abnehmer in der Lieferkette sind je nachdem, welcher Verfahrensstand vorliegt (einstweilige Verfügung oder Hauptsacheurteil auf Unterlassung bzw. Unterlassungserklärung) vereinfacht gesagt verpflichtet, ihre Abnehmer zu informieren. Diese Informationspflicht kann sich entweder darauf beschränken, das Produkt zunächst nicht weiter in den Verkehr zu bringen, anzubieten oder zu bewerben, es kann jedoch auch die Verpflichtung geben, Produkte oder Werbematerial aus den Vertriebswegen zurückzurufen. Dies gilt insbesondere dann, wenn das abgemahnte Unternehmen die Produkte z.B. als Hersteller oder als Großhändler gegenüber gewerblichen Abnehmern vertreibt.

Aufgrund dieser Rückrufverpflichtung sollte in derartigen Fällen im Übrigen niemals (!) eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben werden. Ein rechtlich ausreichender Produktrückruf bzw. eine Information der Abnehmer muss zu diesem Zeitpunkt bereits erfolgt sein, was aufgrund der kurzen Zeitabläufe und des Risikos einer Vertragsstrafe in der Praxis häufig nicht möglich ist.

Ordnungsgeld von 200.000,00 € 

Das Landgericht Hagen (LG Hagen, Beschluss vom 27.09.2023, Az. 21 O 123/18) hatte gegen einen sogenannten Schuldner (so wird der Antragsgegner im einstweiligen Verfügungsverfahren auf Unterlassung genannt bzw. der Beklagte in einem Unterlassungsurteil) eine gerichtliche Untersagung im Wege einer einstweiligen Verfügung erlassen, für ein Arzneimittel mit bestimmten Äußerungen zu werben. Das Landgericht Hagen verhängte ein Ordnungsgeld von 200.000,00 € (Diese Entscheidung wurde später aufgehoben, dazu unten mehr).

Der Schuldner hatte das Produkt nur in unzureichender Form zurückgerufen. In diesem Zusammenhang hatte das Landgericht ausgeführt, dass der Schuldner im Rahmen seiner Pflicht zur Verhinderung weiterer Verletzungen gehalten ist, auf Dritte, deren Handeln ihm wirtschaftlich zugutekommt, im Rahmen des Möglichen, Erforderlichen und Zumutbaren einzuwirken. Gegenüber seinen Abnehmern muss der Schuldner daher mit Nachdruck und Ernsthaftigkeit sowie unter Hinweis auf den rechtsverletzenden Charakter der Erzeugnisse, deren Rückerlangung versuchen. Es reicht dabei nicht aus, so das Gericht, die betreffenden Dritten nur über den Inhalt der Unterlassungspflicht zu informieren und sie zu einem entsprechenden Verhalten aufzufordern.

Vielmehr muss die Einhaltung der Anordnung auch überwacht werden, angedrohte Sanktionen müssen bei Verstößen auch verhängt werden, um ihre Durchsetzung sicherzustellen.

In diesem Zusammenhang kann der Schuldner seine Abnehmer natürlich nur in aller Deutlichkeit auffordern, Werbung zu unterlassen oder Produkte zurückzurufen.

Im vorliegenden Fall hatte die Schuldnerin nicht substantiiert vorgetragen, wann sie entsprechende Informationen an Ihre Abnehmer übermittelt hatte, und dass sie die Abnehmer nach der entsprechenden Information in geeigneter Weise überwacht hatte. Zudem wurde auf große Abnehmer nicht eingewirkt, dass diese ihre Werbung anpassen.

Das Landgericht stellt hier insbesondere auf eine Überwachung ab, was natürlich in der Praxis nur eingeschränkt möglich ist. Man wird jedoch ggf. verlangen können, bei den Abnehmern nachzuhaken.

Warum Ordnungsgeld von 200.000,00 €?

Bei Verstoß gegen eine Unterlassungsverpflichtung beträgt das maximale Ordnungsgeld 250.000,00 €. Die Höhe des Ordnungsgeldes hängt von verschiedenen Faktoren ab, dazu gehört Art, Umfang und Dauer des Verstoßes, der Verschuldensgrad und der Vorteil des Verletzers aus der Verletzungshandlung, nicht zuletzt auch die wirtschaftlichen Verhältnisse des Schuldners.

Die Titelverletzung soll sich für den Schuldner nicht lohnen.

Das Gericht ging davon aus, dass mit dem Produkt in den Sommermonaten ein Umsatz von 500.000,00 € je Monat erzielt wurde, ausgehend von einem erheblichen Gewinn wurde daraufhin ein hohes Ordnungsgeld festgesetzt.

Derart hohe Ordnungsgelder sind selten. In derartigen Fällen muss es für das Gericht Indizien geben, dass der Schuldner mit einem quasi vorsätzlichen Verstoß viel Geld verdient hat.

Produktrückruf nicht vergessen 

Bei einer Abmahnung, die sich auf Werbeaussagen, die Produktgestaltung oder die Produktkennzeichnung oder z.B. auch Katalogwerbung bezieht, muss immer berücksichtigt werden, dass ggf. ein Rückruf notwendig ist.

Dieser Rückruf sollte in aller Deutlichkeit unverzüglich gegenüber den Abnehmern in der Lieferkette erfolgen. Anderenfalls drohen erhebliche Sanktionen.

Warum dann doch kein Ordnungsgeld

Ordnungsgeldbeschluss des Landgerichtes Hagen wurde später aufgehoben.

Der Ordnungsgeldbeschluss des Landgerichtes Hagen wurde später durch das Landgericht aufgrund einer sofortigen Beschwerde der Schuldnerin aufgehoben. Hintergrund war, dass das zu vollstreckende Urteil des OLG Hamm mit Beschluss des Bundesgerichtshofs (BGH Az. I ZR11 / 23) aufgehoben worden war, was keiner der Parteien in einer mündlichen Verhandlung offengelegt hatte.

Wenn später der Unterlassungstitel entfällt, kann auch kein Ordnungsgeld mehr verhängt werden, bzw. Ordnungsgeldbeschlüsse sind dann aufzuheben.

Schadenersatz

Diese Aufhebung des Ordnungsgeldbeschlusses, weil die zugrundeliegende Unterlassungsentscheidung später aufgehoben wird, verdeutlicht einen wichtigen Aspekt bei der Durchsetzung von Unterlassungsansprüchen im gewerblichen Rechtsschutz:

Unterlassungsansprüche lassen sich im Wege eines einstweiligen Verfügungsverfahrens häufig schnell und effektiv durchsetzen. Eine einstweilige Verfügung auf Unterlassung ist durch den Schuldner sofort einzuhalten.

Wenn die einstweilige Verfügung später aufgehoben wird (sei es durch einen Widerspruch, die Berufung gegen ein Verfügungsurteil oder ein späteres Hauptsacheurteil), kann bei dem Schuldner durch einen Produktrückruf ein erheblicher Schaden entstanden sein. Diesen entstandenen Schaden kann er gegenüber dem Abmahner dann nach § 945 ZPO durchsetzen.

Auf der Abmahnerseite ist die Durchsetzung von Unterlassungsansprüchen im Wege der einstweiligen Verfügung daher ein Damoklesschwert: auf der einen Seite können Unterlassungsansprüche (die ggf. Rückrufansprüche zur Folge haben) schnell durchgesetzt werden, auf der anderen Seite droht ein erheblicher Schadenersatzanspruch, wenn die Entscheidung keinen Bestand hat.

Ich berate Sie bei produktbezogenen Unterlassungsansprüchen und einem Produktrückruf.  

Zu mir und meiner Tätigkeit:

Ich berate als Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz in meiner Kanzlei Internetrecht-Rostock.de regelmäßig im gewerblichen Rechtsschutz und verfüge daher über Erfahrung aus einer Vielzahl von Abmahnverfahren.

Die Kanzlei Internetrecht-Rostock.de informiert auf ihrer gleichnamigen Internetseite seit mehr als 20 Jahren mit inzwischen über 3.000 Beiträgen über Themen für Online-Händler und berät eine Vielzahl von Online-Händlern bei der Absicherung ihrer Auftritte.

Ich berate Sie bundesweit auch kurzfristig telefonisch. Im Rahmen meiner Beratung erörtere ich mit Ihnen die Rechtslage und die verschiedenen Handlungsalternativen mit den jeweiligen Vor- und Nachteilen. Selbstverständlich erhalten Sie von mir auch konkrete Empfehlungen für das weitere Vorgehen.  

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Johannes Richard
 Rechtsanwalt
 Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz



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