Keine Verjährung des Urlaubsanspruchs ohne Aufforderung Urlaub zu nehmen

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Europäischer Gerichtshof (EuGH) - Urteil vom 22.09.2022 – C-120/21


Wenn Arbeitgeber zum Jahresende Arbeitnehmer über bestehende Resturlaubsansprüche nicht aufklären und nicht dazu auffordern, diese Urlaubsansprüche zu nehmen, ist eine Verjährung des Urlaubs europarechtlich ausgeschlossen.
Grundsätzlich ist gemäß § 7 Abs. 3 Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) der gesetzliche Mindesturlaubs-anspruch von vier Wochen innerhalb des Kalenderjahres zu übernehmen und er verfällt, wenn nicht dringende betriebliche oder persönliche Gründe dem Urlaub bis zum Jahresende entgegenstehen. In diesen Fällen wird er auf das Folgejahr übertragen und muss dann bis spätestens Ende März genommen werden. Auf diesen gesetzlichen Verfall des Urlaubs kann sich ein Arbeitgeber aber nur dann berufen, so die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs, wenn Arbeitgeber ihre Arbeitnehmer zuvor rechtzeitig auf die Gefahr des Urlaubsverfalls hinweisen und sie auffordern, den Urlaub zu nehmen (EuGH, Urteil vom 06.11.2018 – C-684/16 [Shimizu]; Bundesarbeits-gericht, Urteil vom 19.02.2019 – 9 AZR 541/15). In diesen Fällen geht also der Urlaub am Jahresende nicht unter, sondern kommt zum Urlaubsanspruch des Folgejahres dazu. Dadurch können möglicherweise über Jahre hinweg stetig wachsende Urlaubsansprüche erworben werden.


Für dauerhaft erkrankte Arbeitnehmer hat der Europäische Gerichtshof und mit ihm in Überein-stimmung das Bundesarbeitsgericht darauf entschieden, dass Urlaubsansprüche, die wegen dauer-hafter Arbeitsunfähigkeit nicht erfüllt werden konnten, 15 Monate nach dem Ende des Urlaubsjahres verfallen, in dem sie entstanden sind. Grundsätzlich sei zwar, so der EuGH, ein legitimes Interesse von Arbeitgebern anzuerkennen, nicht mit Forderungen nach Urlaub oder Urlaubsabgeltung konfrontiert zu werden, die auf mehr als drei Jahre alte Rechtsansprüche gestützt werden. Dies sei jedenfalls im Fall der Arbeitsunfähigkeit gerechtfertigt, weil der Arbeitgeber in diesen Fällen das ständige Anwachsen von Urlaubsansprüchen nicht beeinflussen kann (Krankheit). Dadurch unterscheiden sich aber solche Fälle, in denen der Arbeitnehmer ohne arbeitsunfähig erkrankt zu sein, seinen Urlaub über längere Zeit nicht in Anspruch genommen hat und dazu vom Arbeitgeber auch nicht aufgefordert worden ist, wie es seine Pflicht gewesen wäre. Wenn aber der Arbeitgeber das ständige Anwachsen von Urlaubsansprüchen durch Verletzung seiner Hinweispflichten selbst herbeiführt, sei er insoweit nicht schutzwürdig. Deshalb können auch Urlaubsansprüche nicht infolge von nationalen Verjährungsvorschriften verjähren, wenn der Arbeitgeber über Jahre hinweg seine dem Arbeitnehmerschutz dienende Hinweispflicht und seine Verpflichtung auf die tatsächliche Urlaubsnahme verletzt.


Der EuGH hat diese neue Entscheidung am 22.09.2022 auf Grundlage einer Vorlage des Bundes-arbeitsgerichts an den EuGH vom 29.09.2020 getroffen (9 AZR 266/20). Wie erwartet hat der sogenannte „Urlaubssenat“ des Bundesarbeitsgerichts, der 9. Senat, am 20.12.2022 diese Rechtsprechung des EuGH (Urteil vom 06.11.2018 – C 684/16) bestätigt.


Wichtig: Will man möglicherweise später nicht verfallene Urlaubsansprüche geltend machen, sollte man rechtzeitig dokumentieren wann wie viel Urlaub genommen wurde.

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