Fortbildungs- und Rückzahlungsvereinbarungen

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Bundesarbeitsgericht
Urteil vom 01.03.2022 – 9 AZR 260/21


Das Bundesarbeitsgericht stellt hohe Anforderungen an die Wirksamkeit von Rückzahlungsvereinbarungen im Zusammenhang mit Ausbildungen oder Fortbildungen.
Bereits mit Urteil vom 06.08.2013 entschied das BAG, dass eine vertragliche Rückzahlungsklausel über Weiterbildungskosten unwirksam ist, wenn die Klausel nicht zumindest Art und Berechnungs-grundlage der gegebenenfalls zu erstattenden Kosten angibt. Wir berichteten hierüber in unserer Mandanteninfo 12/2013. In einem neuen Urteil aus dem März 2022 hat das BAG die Anforderungen an die Wirksamkeit einer Rückzahlungsvereinbarung nun noch einmal erhöht:


Im Einzelnen:


1. Sachverhalt:


Die Klägerin war im Zeitraum von 01.06.2017 bis zum 31.01.2020 bei der Beklagten, einer Rehaklinik als Altenpflegerin zu einer monatlichen Bruttovergütung in Höhe von knapp 3.000 € angestellt. Die Arbeitnehmerin und der Arbeitgeber schlossen am 10.02.2019 einen Fortbildungsvertrag, demzufolge die Arbeitnehmerin in der Zeit von 04.06.2019 bis zum 03.12.2019 an 18 Arbeitstagen eine Fortbildung zum „Fachtherapeut Wunde ICW“ teilnehmen sollte. Die Klinik ver-pflichte sich, in § 2 des Fortbildungsvertrags zur Übernahme der durch die Teilnahme an der Fort-bildung entstehenden Kosten in Höhe von ca. 4.000 €, die sich aus Kursgebühren in Höhe von 1.900 € und einer bezahlten Freistellung in Höhe von 2.100 € zusammensetzt. Des Weiteren hieß es im Fortbildungsvertrag:
„§ 3 Bindungsfrist und Rückzahlungsfrist
(1) Der Arbeitnehmer verpflichtet sich, das Arbeitsverhältnis nach dem Ende der Fortbildung für mindestens 6 Monate fortzusetzen.
(2) Scheidet der Arbeitnehmer aufgrund einer eigenen ordentlichen nicht vom Arbeitgeber zu vertretenden oder einer eigenen außerordentlichen nicht vom Arbeitgeber zu vertre-tenden Kündigung oder aufgrund einer vom Arbeitgeber erklärten verhaltensbedingten ordentlichen oder außerordentlichen Kündigung vor Ablauf der in Abs. 1 genannten Bindungsfrist aus den Diensten des Arbeitgebers aus, so hat der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber die vom Arbeitgeber übernommenen Gesamtkosten an diesen zurückzuzahlen. Die Rückzahlungspflicht gilt auch im Falle einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch einen vom Arbeitnehmer veranlassten Aufhebungsvertrag.
Für je einen vollen Monat der Beschäftigung nach dem Ende der Fortbildung werden 1/6 des gesamten Rückzahlungsbetrages erlassen.
(3) Ebenso besteht die Rückzahlungspflicht, wenn der Arbeitnehmer die Fortbildung aus in seiner Sphäre liegenden und von ihm zu vertretenden Gründen vorzeitig abbricht.“
Die Arbeitnehmerin schloss die Fortbildung am 03.12.2019 erfolgreich ab. Bereits vor Ende der Fortbildung kündigte sie das Arbeitsverhältnis zum 01.02.2020. Die daraufhin erhobene Klage des Arbeitgebers auf Rückzahlung der anteiligen Fortbildungskosten blieb vor dem Bundesarbeitsge-richt erfolglos.


2. Die Entscheidung des BAG:


Das BAG urteilte, die Rückzahlungsklausel halte einer AGB-Kontrolle nicht stand. Durch die Klausel werden auch Kündigungen des Arbeitnehmers erfasst, die dieser ausspricht, weil er unverschuldet und ohne Verursachungsbeitrag des Arbeitgebers aus Gründen in seiner Person dauerhaft nicht (mehr) in der Lage ist, die Qualifikation, die er mit der vom Arbeitgeber finanzierten Weiterbildung erworben hat, im Rahmen der vertraglich geschuldeten Arbeitsleistung zu nutzen. Das BAG begründet sein Urteil damit, dass ein Arbeitgeber kein berechtigtes Interesse daran haben dürfe, einen Arbeitnehmer an das Arbeitsverhältnis zu binden, wenn dieser unverschuldet dauerhaft nicht mehr in der Lage sei, die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu erbringen. Der Umstand, dass sich die Investition in die Fortbildung eines Arbeitnehmers aufgrund unverschuldeter dauerhafter Leistungsunfähigkeit für den Arbeitgeber nicht mehr auszahle, ist dem unternehmerischen Risiko des Arbeitgebers zuzurechnen und dürfe nicht zu einer Rückzahlungsverpflichtung des Arbeitneh-mers führen. Da die Rückzahlungsklausel im Fortbildungsvertrag der Arbeitnehmerin diese Fälle bei der Beendigung des Arbeitsverhältnisses aber nicht ausnehme, erklärte das BAG die Rückzahlungsklausel für insgesamt unwirksam.
Für die Beurteilung der Wirksamkeit der Rückzahlungsklausel ist es darüber hinaus nach ständiger Rechtsprechung des BAG unerheblich, ob der Arbeitnehmer im konkreten Einzelfall durch personenbedingte Gründe im vorgenannten Sinne zur Eigenkündigung veranlasst wird oder nicht. Die gesetzlichen Vorschriften gemäß §§ 305 ff. BGB, anhand derer eine AGB-Kontrolle stattfindet, missbilligen bereits das Stellen inhaltlich unangemessener Klauseln, nicht erst deren unangemesse-nen Gebrauch im konkreten Einzelfall.


3. Beurteilung:


Ein sehr erfreuliches Urteil für Arbeitnehmer. Das BAG verschärft seine strenge Rechtsprechung zu Rückzahlungsklauseln in Ausbildungs- und Fortbildungsverträgen mit dem vorliegenden Urteil noch einmal. Nach der Rechtsprechung des BAG müssen die Rückzahlungsklauseln in Ausbildungs- und Fortbildungsverträgen bestimmte Voraussetzungen erfüllen:
a) Arbeitgeber dürfen Arbeitnehmer unabhängig von der Art der Fortbildung nicht länger als fünf Jahre an sich binden.
b) Die Rückzahlungsvereinbarung muss im Falle der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine ratierliche, monatliche Staffelung vorsehen. Das heißt bei einer dreijährigen Bindung des
Arbeitnehmers an den Arbeitgeber darf eine Staffelung nicht lediglich für jedes Jahr einer Reduzierung der Rückzahlungsschuld um 1/3 vorsehen, sondern muss für jeden Monat 1/36 betragen.
Darüber hinaus war bisher durch das BAG anerkannt, dass Rückzahlungsklauseln in drei eng definierten Fällen eine Rückzahlung vorsehen können:
• Für den Fall einer Eigenkündigung, die nicht vom Arbeitgeber veranlasst wurde oder mitveranlasst wurde.
• Für den Fall einer Arbeitgeberkündigung, aus einem vom Arbeitnehmer zu vertretenden Grund.
• Für den Fall eines Aufhebungsvertrages aufgrund von verhaltensbedingten Pflichtverletzungen des Arbeitnehmers.
Durch das neue BAG-Urteil sind Rückzahlungsklauseln auch dann unwirksam und der Arbeitgeber kann sich nicht auf eine Verpflichtung zur Rückzahlung berufen, wenn der Arbeitgeber eine Eigen-kündigung des Arbeitnehmers wegen unverschuldeter Leistungsunfähigkeit nicht von der Rück-zahlungsverpflichtung ausnimmt.


Wir empfehlen daher allen Arbeitnehmer, die vor oder nach der Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses von ihrem Arbeitgeber dazu aufgefordert werden, eventuelle Fortbildungskosten zurückzuzahlen, die Rückzahlungsklausel anwaltlich prüfen zu lassen, da ein Großteil der Fortbildungsvereinbarungen und Rückzahlungsklauseln unwirksam sind und Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen daher nicht zur Rückzahlung verpflichtet sind.


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