Kenntnis der Steuerdaten seitens der Finanzbehörde

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Es herrscht noch immer große Unsicherheit, wer unter welchen Umständen eine Einkommensteuererklärung abzugeben hat. Mit dem Urteil des Finanzgerichts Münster vom 24.06.2022 (Az. 4 K 135/19 E) wird dem Steuerpflichtigen ein Stück weit die Angst genommen, eine unvollständige Erklärung abzugeben.

Im besagten Fall, welcher vor dem FG Münster entschieden worden ist, ändert sich die Lebenslage eines Ehepaares. Mit der Aufnahme einer nichtselbstständigen Tätigkeit der Frau folgte ein Wechsel von Antrags- zur Pflichtveranlagung. Neun Jahre später fiel dem Finanzamt auf, dass das
 Ehepaar verpflichtet war, eine Einkommensteuererklärung abzugeben (§ 149 Abs.1 S. 1 AO
 i. V. m.§ 25 des EStG, § 46 Abs. 2 Nr. 3a EStG und § 56 Abs. 1 Nr. 1 lit. b EStDV).

Festsetzungsfrist 

Eine derart späte Korrektur der Steuererklärung ist nur in Ausnahmefällen möglich.

Ausschlaggebend ist die sogenannte Festsetzungsfrist. Sie bezeichnet die Frist, nach deren Ablauf eine Steuerfestsetzung sowie ihre Aufhebung oder Änderung nicht mehr möglich ist.

Es gilt grundsätzlich die regelmäßige Festsetzungsfrist von vier Jahren, § 169 Abs. 1 S. 1 AO. Liegt jedoch eine leichtfertige Steuerverkürzung vor, verlängert sich diese Frist auf fünf Jahre. Bei einer Steuerhinterziehung sogar auf bis zu zehn Jahre, § 169 Abs. 2 S. 2 AO.

Im Großen und Ganzen bedeutet dies, dass das Finanzamt in solchen Fällen einen alten Steuerbescheid noch bis zu zehn Jahre korrigieren kann. Und auch Steuervorteile dürfen nach Ablauf der Festsetzungsfrist nicht mehr durchgesetzt werden.


Verspätungszuschlag

Des Weiteren kann das Finanzamt beim Versäumen der Abgabefrist einen sogenannten Verspätungszuschlag gemäß § 152 AO festsetzen. Voraussetzung hierfür ist, dass eine Steuererklärungspflicht besteht. Mit der Aufnahme einer nichtselbstständigen Tätigkeit entsteht genau solch eine Pflicht zur Abgabe einer Steuererklärung.

Der Verspätungszuschlag darf bis zu 10 % der festgesetzten Steuer, jedoch nicht mehr als 25.000 € betragen. Bei der Bemessung des Zuschlags ist der Zweck hiervon zu beachten. Er liegt darin, den Steuerpflichtigen zur rechtzeitigen Abgabe anzuhalten. In die Bemessung mit einzubeziehen ist die Dauer der Fristüberschreitung, die Höhe des Zahlungsanspruchs sowie die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen.


Leichtfertige Steuerverkürzung oder Steuerhinterziehung 

Folglich ist die Art und Weise der potenziellen Steuerhinterziehung maßgeblich dafür, wie lange das Finanzamt eine Steuererklärung noch korrigieren kann. Zu unterscheiden ist die Steuerhinterziehung von einer leichtfertigen Steuerverkürzung. Dies bestimmt sich nach §§ 370; 378 AO.

Eine in § 370 AO verankerte Steuerhinterziehung begeht jemand, der vorsätzlich (durch aktives Tun oder pflichtwidriges Unterlassen) eine Steuerverkürzung herbeiführt oder einen nicht gerechtfertigten Steuervorteil erlangt.

Eine leichtfertige Steuerverkürzung gemäß § 378 AO wird hingegen angenommen, wenn jemand leichtfertig, durch ein aktives Tun oder pflichtwidriges Unterlassen, eine Steuerverkürzung herbeiführt oder einen nicht gerechtfertigten Steuervorteil erlangt. Leichtfertig handelt jemand, der fahrlässig in einem besonders hohen Grad der Nachlässigkeit handelt. Die Sorgfalt muss von dem Steuerpflichtigen außer Acht gelassen worden sein.

Es besteht insofern eine enge Verwandtschaft zwischen § 370 AO und § 378 AO. Dies erschwert die Unterscheidung der beiden Tatbestände, welche von erheblicher Bedeutung ist.

Hervorzuheben ist der Unterschied von „in Unkenntnis lassen“ und „pflichtwidrigem Unterlassen“. Der § 370 Abs.1 Nr. 2 AO knüpft ausdrücklich an ein In-Unkenntnis-Lassen und nicht an ein pflichtwidriges Unterlassen. Denn Sinn und Zweck der Norm ist es öffentlichen Interesses am rechtzeitigen und vollständigen Aufkommen der betroffenen Steuern zu schützen und gerade nicht die steuerliche Mitwirkungs- und Erklärungspflicht.


Kenntnis des Finanzamtes

Trotz dessen führt nicht jedes In-Unkenntnis-Lassen in Form von Vergessen der Abgabe einer Steuererklärung zu einer Steuerhinterziehung oder einer leichtfertigen Steuerverkürzung.

Ein In-Unkenntnis-Lassen scheidet in den Fällen aus, in denen die Finanzbehörde zum maßgeblichen Zeitpunkt von den für die Steuerfestsetzung wesentlichen tatsächlichen Umständen bereits Kenntnis hat. Für den zuständigen Bearbeiter müssen diese Daten zugänglich sein.

In solch einem Fall lässt der Steuerpflichtige die Behörde regelmäßig nicht in Unkenntnis.

Die Finanzbehörde ist zum Beispiel über die maßgeblichen Umstände informiert, wenn sie über eine elektronische Lohnsteuererklärung der Eheleute verfügt und diese mit der gemeinsamen Steuernummer verknüpft ist. Auch eine frühere Einkommensteuererklärung kann die Finanzbehörde in Kenntnis setzen, wenn diese mit der Steuernummer verknüpft ist.


Unser Rechtstipp:

Zwar wird die Finanzbehörde durch eine verknüpfte elektronische Lohnsteuererklärung über eine Steuerpflichtigkeit in Kenntnis gesetzt, jedoch ist es in der Finanzverwaltung durchaus üblich, dass in gewöhnlichen Arbeitnehmerfällen gänzlich unterlassen wird, eine Akte anzulegen. Dies hat verwaltungsökonomische Gründe.

Dies hat zur Folge, dass der Steuerpflichtige nicht in jedem Fall beurteilen kann, ob es sich um eine Pflichtveranlagung handelt und demzufolge eine Einkommensteuererklärung einzureichen ist. Die Gefahr, einer Steuererklärungspflicht nicht nachzukommen und dadurch eine zumindest leichtfertige Steuerverkürzung zu begehen, besteht demnach weiterhin.

Wir empfehlen Ihnen daher sorgsam zu prüfen, ob eine Abgabepflicht besteht und sich dahingehend von einem Experten beraten zu lassen.


Zu allen steuerrechtlichen Themen beraten wir Sie gerne umfassend. Sie erreichen uns unter der Rufnummer 040/528 403 – 0 oder per E-Mail unter info@rugefehsenfeld.de.

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