Kinderpornografie (un)beabsichtigt aus Chatgruppen

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Das Problem

Im Rahmen meiner Tätigkeit begegnet uns regelmäßig die Fallgestaltung, dass der Mandant eine einscheidende Durchsuchungsmaßnahme erleiden musste, da ihm der Vorwurf des Besitzes kinderpornografischen Materials zum Vorwurf gemacht wird. Häufig sitzt der erste Schock der Durchsuchung tief und dem Mandanten wird im Zuge der Durchsuchung noch ein Bild oder ein Screenshot vorgelegt mit der Aufforderung hierzu etwas zu sagen. Eine tatsächlich ordnungsgemäße Belehrung erfolgt in diesen Fällen, so unsere Erfahrung, meist nicht oder nur unzureichend. Meist lässt sich aus dem Durchsuchungsbeschluss bereits der Betreiber eines sozialen Netzwerkes erkennen und durch die Beamten erfolgt dann der Hinweis auf eine Chatgruppe. 

Der Weg des Verfahrens 

Regelmäßig sind unsere Mandanten in teilweise völlig harmlosen Chatgruppen angemeldet. Leider stellt ein Mitglied einer solchen Gruppe ein Bild, einen Sticker oder ein kurzes Video mit kinderpornografischem Inhalt ein, oft ohne sich der weitreichenden Folgen für die Beteiligten der Gruppe bewusst zu sein. Die Anbieter der Plattformen, aber auch Unternehmen wie Facebook, Google, DropBox und Microsoft und deren reichlichen Tochterunternehmen, müssen mit einer halbstaatlichen Organisation in den USA zusammenarbeiten, der NCMEC  (National Center for Missing and Exploited Children). Von dort erfolgt eine Meldung solcher Fälle an das Bundeskriminalamt (BKA) und dort wird unmittelbar ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Das BKA erhält einen sog. CyberTipline Report mit den notwendigen Angaben, wie IP-Adresse, GeoIP, den Benutzernamen und ggfs. auch einer Emailanschrift. Über die Zuordnung der IP-Adresse erfolgt eine Zuordnung zu dem Beschuldigten oder offenbart den Anschlussinhaber. Über das LKA geht die Ermittlungsakte an die örtlich zuständige Staatsanwaltschaft, welche einen Durchsuchungsbeschluss beantragt und diesen dann vollstreckt. 

Häufig eben auch wegen einzelner Bilder oder Sticker in einer Chatgruppe. 

Vielfach ist den Mandanten der Besitz dieser Daten überhaupt nicht bewusst, da sie nicht alle Nachrichten gelesen bzw. alle Bilder angesehen haben. Es erfolgt jedoch regelmäßig ein Download der Dateien aus diesen Gruppen, wenn eine solche Einstellung des Endgeräts vorliegt. Wir verteidigen in Fällen in denen im Sekundentakt Nachrichten und Bilder eingegangen sind. Eine vollständige Wahrnehmung ist überhaupt nicht möglich. Auch haben wir bei diesen Gruppen -häufig- eine Übersendung ohne oder gegen den Willen. Rechtlich sind diese Fälle interessant und führten aktuell auch zu einem interessanten Vorlagebeschluss an das Bundesverfassungsgericht. Bei einer Erwachsenen Person sieht das Gesetz aktuell noch eine Mindeststrafe von einem Jahr Freiheitsstrafe vor. Häufig werden allein hierdurch Karrieren bereits zerstört, was es aus der Sicht der Verteidigung unbedingt zu verhindern gilt. Allein Teilnehmer der Gruppe zu sein reicht aus um die Durchsuchung und damit ein Ermittlungsverfahren zu rechtfertigen.

Der Vorlagebeschluss (2 BvL 3/23)

Das Amtsgericht Buchen hatte einen solchen Fall und hat diesem dem Bundesverfassungsgericht zur Vorlage vorgelegt (vgl. 2 BvL 3/23).  

Der Vorlage liegt folgender Fall zu Grunde: Die im Tatzeitpunkt 22-jährige Angeschuldigte war Mitglied in mehreren überregionalen Chatgruppen mit Teilnehmern ihrer Altersgruppe. In der Chatgruppe gab es einen regen Austausch über aktuelle Themen der jungen Erwachsenen, aber auch den Austausch von belanglosen oder inhaltsleeren „Nachrichten“. Teilweise wurden im Sekundentakt und auch zur Nachtzeit Nachrichten geteilt und „lustige“ Memes, Videos und Bilder in die Gruppen eingestellt. Auch in diesem Fall erfolgte das oben geschilderte Prozedere. Im Rahmen einer anschließenden Durchsuchung wurde festgestellt, dass auf dem Smartphone der Angeschuldigten wenige Bilddateien kinderpornographischen Inhalts gespeichert sind, welche - was der Angeschuldigten bewusst war - automatisch aus einzelnen Chatgruppen auf ihr Smartphone heruntergeladen wurden. 

Das Amtsgericht Buchen ist nunmehr der Auffassung, dass die nach § 184b Abs. 3 StGB für den Besitz von kinderpornographischen Dateien vorgesehene Mindeststrafe von einem Jahr Freiheitsstrafe hier gegen das Schuldprinzip verstoße.

Die Strafverteidiger in Deutschland, aber auch vielfach Stimmen aus der Richterschaft, haben sich gegen diesen Paragrafen ausgesprochen, da er keine Möglichkeiten lässt Fälle, wie den oben geschilderten Fall des Amtsgerichts Buchen, sinnvoll zu lösen. Da es sich um einen Verbrechenstatbestand handelt, ist eine Einstellung z.B. gegen eine Geldauflage nicht möglich.

Es gilt gerade bei solchen Fällen im Ermittlungsverfahren bereits genau hinzusehen und die jeweilige Fallkonstellation vollständig auszuwerten.  Es ist zu hoffen, dass der Gesetzgeber eine zeitnahe Änderung der Norm vornimmt. Dieses ist relativ zeitnah zu erwarten, aber aktuell noch nicht der Fall.

Sollten Sie Beschuldigter eines solchen Verfahrens sein, so nehmen Sie unmittelbar Kontakt zu uns auf. Hierbei ist es unerheblich aus welcher Region Deutschlands Sie kommen, da wir erfolgreich deutschlandweit tätig sind. Wir erklären Ihnen ausführliche das weitere Vorgehen und machen Ihnen eine vertrauenswürdiges Angebot zu Ihrer Fallgestaltung. 

Rufen Sie uns unter 0201/310 4600 an oder schreiben Sie mir direkt unter mail@rechtsanwalt-scharrmann.de

Ihr Timo Scharrmann

Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht 

und Verkehrsrecht

Foto(s): mail@rechtsanwalt-scharrmann.de

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