Kita-Schließung – Rechte und Pflichten für Arbeitnehmer und Arbeitgeber

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Einleitung

Kindertagesstätten (Kitas) sind für viele berufstätige Eltern unverzichtbar. Fällt die Betreuung plötzlich aus – sei es aufgrund von Grippewelle, Personalmangel oder Streiks – stehen Arbeitnehmer und Arbeitgeber vor zahlreichen Fragen:

  • Welche Ansprüche haben Arbeitnehmer auf Freistellung und Vergütung?

  • Welche Pflichten treffen Arbeitgeber zur Fürsorge und Flexibilisierung?

  • Wie lassen sich Konflikte rechtssicher lösen?

Der folgende Rechtstipp beleuchtet die gesetzlichen Grundlagen, erläutert typische Szenarien und gibt praxisnahe Handlungsempfehlungen für beide Seiten.


Rechtliche Grundlagen im Überblick

Gesetzliche RegelungAnwendungsbereichLeistungsumfang
§ 616 BGBKurzfristige Verhinderung aus persönlichen GründenVergütungsanspruch für nicht erhebliche Zeit
§ 45 SGB VPflege kranker Kinder (bis 12 Jahre)Unbezahlte Freistellung + Kinderkrankengeld
§ 56 Abs. 1a IfSGBehördliche Schließung wegen InfektionsschutzEntschädigung (67 % des Verdienstausfalls)
BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 7Mitbestimmung Betriebsrat bei ArbeitszeitregelungenBetroffene Beteiligung bei Regelungen

§ 616 BGB – Bezahlte Freistellung für „nicht erhebliche Zeit"

  • Voraussetzungen: Unverschuldetes Hinaushalten von der Arbeit; kein vertraglicher Ausschluss.

  • Dauer: Rechtsprechung sieht meist 1–5 Tage als „nicht erhebliche Zeit“ an.

  • Hinweis für Arbeitgeber: Viele Arbeits- oder Tarifverträge schließen § 616 BGB aus. Prüfen Sie Ihre Musterverträge und kommunizieren Sie klare Regelungen.

SGB V – Kinderkrankengeld bei Erkrankung

  • Nur bei tatsächlicher Erkrankung des Kindes, nicht bei Kita-Schließung.

  • Leistung: Bis zu 10 Tage pro Elternteil, Alleinerziehende 20 Tage jährlich.

Infektionsschutzgesetz (§ 56 IfSG)

  • Gilt bei behördlich angeordneter Schließung (z. B. Quarantäne).

  • Entschädigung: 67 % des Verdienstausfalls, max. 10 Wochen pro Elternteil.


Aus Arbeitnehmersicht: Handlungsmöglichkeiten und Rechte

Unverzügliche Kommunikation

  • Pflicht zur Information: Melden Sie sich sofort beim Arbeitgeber und reichen Sie einen Nachweis ein (z. B. Kita-Schreiben).

  • Transparenz zahlt sich aus: Je früher der Arbeitgeber informiert ist, desto eher kann er Ersatz organisieren.

Anspruch auf Vergütung nach § 616 BGB

  • Prüfafragen:

    • Ist § 616 BGB im Arbeitsvertrag ausgeschlossen?

    • Liegt eine kurzfristige, unverschuldete Verhinderung vor?

    • Wie lange dauert die Schließung an?

  • Dokumentation: Sammeln Sie E-Mails/Schreiben der Kita, um den Zeitraum zu belegen.

Alternativen: Homeoffice und Urlaub

  • Homeoffice: Verhandeln Sie für den Schließungszeitraum mobiles Arbeiten, sofern möglich.

  • Urlaub/Überstunden: Beantragen Sie bezahlten Jahresurlaub oder den Abbau von Überstunden als Ersatz.

  • Unbezahlte Freistellung: Falls alle Stricke reißen, prüfen Sie unbezahlte Freistellung und planen Sie finanziell vor.

Kinderkrankengeld und IfSG-Entschädigung

  • Kinderkrankengeld gilt nur bei Krankheit.

  • IfSG-Entschädigung bei behördlicher Schließung: Antragsstellung bei zuständigen Behörden, Nachweis Kita-Schließung.


Aus Arbeitgebersicht: Pflichten und gute Praxis

Fürsorgepflicht und Gleichbehandlung

  • AG muss die Belange der Eltern angemessen berücksichtigen und darf nicht willkürlich unterscheiden.

  • Betriebsrat einbeziehen: Arbeitszeitregelungen und Homeoffice-Vereinbarungen sind mitbestimmungspflichtig (§ 87 Abs. 1 Nr. 7 BetrVG).

Vertragsgestaltung: § 616 BGB regeln

  • Musterverträge prüfen: Soll § 616 BGB angewendet oder ausgeschlossen werden? Klare Klauseln schaffen Rechtssicherheit.

Flexible Arbeitsmodelle etablieren

  • Homeoffice-Richtlinie: Legen Sie Rahmenbedingungen für mobiles Arbeiten fest.

  • Zeitkonten: Bieten Sie Gleitzeitkonten an, damit Eltern Stunden ansparen und flexibel nehmen können.

Kommunikation und Dokumentation

  • Frühwarnsystem: Bitten Sie Mitarbeitende, Betreuungsengpässe rechtzeitig anzukündigen.

  • Schriftliche Nachweise: Verlangen Sie eine Kopie der Kita-Schließungsmitteilung.

  • Vermeidung von Konflikten: Klare Prozesse minimieren Missverständnisse.


Praxisbeispiele und Musterformulierungen

Arbeitgeber-Praxisfall: Homeoffice statt Ausfall

Sachverhalt: Kita schließt für 3 Tage wegen Personalmangels.
Lösung: AG gewährt Homeoffice, sichert Vergütung nach § 616 BGB für 2 Tage und verrechnet 1 Urlaubstag.

Muster-Mail Arbeitgeber an Mitarbeiter:

Sehr geehrte/r Frau/Herr Muster,

aufgrund der kurzfristigen Schließung Ihrer Kita bieten wir Ihnen für den Zeitraum vom 5.–7. Mai Homeoffice an. Für die ersten beiden Tage gilt eine Freistellung auf Basis § 616 BGB, am 7. Mai wird ein Urlaubstag verrechnet. Bitte bestätigen Sie kurz.

Arbeitnehmer-Praxisfall: Freistellung nach § 616 BGB

Sachverhalt: Plötzlicher Streik im öffentlichen Dienst führt zur Kita-Schließung.
Vorgehen: Arbeitnehmer informiert umgehend, legt Streikankündigung als Nachweis vor, fordert Vergütung für 1 Tag.

Muster-Anfrage Arbeitnehmer an Arbeitgeber:

Sehr geehrte/r Frau/Herr Muster,

anbei die Mitteilung der Kita zur Schließung am 12. Juni aufgrund des Streiks. Ich bitte um Freistellung unter Fortzahlung des Gehalts gemäß § 616 BGB für diesen Tag.


Zusammenfassung und Empfehlungen

  • Arbeitnehmer informieren sofort, prüfen § 616 BGB und sammeln Nachweise.

  • Arbeitgeber halten Vertragsklauseln transparent, fördern Homeoffice und gestalten flexible Arbeitszeitmodelle.

  • Betriebsrat frühzeitig einbinden und klare Betriebsvereinbarungen abschließen.

  • Dokumentation ist das A und O – beidseitig.

Durch proaktive Kommunikation und eine klare Vertragsgestaltung lassen sich Betreuungsengpässe in den meisten Fällen ohne Konflikte und ohne finanzielle Einbußen lösen.


Rechtsanwalt & Fachanwalt für Arbeitsrecht Dr. jur. Jens Usebach LL.M. von der kanzlei JURA.CC bearbeitet im Schwerpunkt das Kündigungsschutzrecht im Arbeitsrecht. Der Fachanwalt für Arbeitsrecht vertritt Mandanten außergerichtlich bei Aufhebungsverträgen und Abwicklungsverträgen bei der Kündigung des Arbeitsvertrages durch den Arbeitgeber. Soweit erforderlich erfolgt eine gerichtliche Vertretung bei der Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht mit dem Ziel für den Arbeitnehmer eine angemessene und möglichst hohe Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes, ein sehr gutes Arbeitszeugnis für zukünftige Bewerbungen oder auch die Rücknahme der Kündigung und die Weiterbeschäftigung zu erzielen.

Mehr Informationen unter www.JURA.CC oder per Telefon: 0221-95814321

Foto(s): kanzlei JURA.CC

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