Kleines 1x1 Steuerstrafverfahren

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Wer zum ersten mal mit der Steuerfahndung zu tun bekommt, weiß meist nicht was zu tun ist. Dieser Beitrag soll einen groben Überblick schaffen.

Zahlen:

Verfahren wegen Steuerhinterziehung sind häufig. Im Jahr 2019 wurden 54.000 Verfahren wegen Steuervergehen geführt. Dabei wurden Mehrsteuern von 2,8 Mrd. € festgestellt und Freiheitsstrafen rd. 1200 Jahren verhängt. Die meisten Verfahren enden jedoch nicht mit einer Gefängnisstrafe. Mehr als die Hälfte der Verfahren wir mangels Tatverdacht oder wegen Geringfügigkeit eingestellt. Weitere 25 % der Verfahren werden gegen Zahlung einer Geldauflage beendet. D.h., ein Gerichtsverfahren oder sogar eine Verurteilung durch ein Strafgericht lässt sich sehr oft ganz vermeiden.

Selbst wenn ein Fall bei Gericht landet gibt es noch viele Möglichkeiten zu einem guten Ende oder zumindest zu einer tragbaren Lösung zu finden. Auch bei Gericht wird ca. ein Drittel der Verfahren eingestellt. Aber: Freisprüche sind selten. In 2019 wurden 11.700 Strafverfahren wg. Steuerdelikten rechtskräftig abgeschlossen. Nur in 55 Fällen kam es zu einem Freispruch. Eine engagierte Verteidigung muss deshalb schon lange vor einem Gerichtsverfahren ansetzen.

Quelle: https://www.bundesfinanzministerium.de/Monatsberichte/2020/10/Inhalte/Kapitel-3-Analysen/3-5-verfolgung-von-steuerstraftaten-pdf.pdf?__blob=publicationFile&v=5

Ermittler:

Bei Steuerstraftaten ermittelt meistens die Steuerfahndung. Steuerfahnder sind aber keine Polizisten, sondern Finanzbeamte, die polizeiliche Aufgaben wahrnehmen. Ihr Auftrag ist es Steuerstraftaten aufzudecken (Polizeiarbeit) und für eine gesetzmäßige Steuerfestsetzung zu sorgen (Finanzbeamter). In vielen Bundesländern ist die Steuerfahndung ein eigenes Finanzamt, in Niedersachsen z.B. das Finanzamt für Fahndung und Strafsachen.

Die Vorgesetzte der Steuerfahndung ist die Bußgeld- und Strafsachenstelle. Wenn die Ermittlungen in einem Verfahren abgeschlossen sind, entscheidet diese Stelle über den Abschluss des Verfahrens. Die Bußgeld- und Strafsachenstelle ist ebenfalls Teil des Finanzamtes für Fahndung und Strafsachen und sie arbeitet in der Regel sehr eng mit der Steuerfahndung zusammen.

Die Staatsanwaltschaft kommt nur ins Spiel wenn es richtig ernst wird. Sie kann Verfahren an sich ziehen oder von der Bußgeld- und Strafsachenstelle übertragen bekommen. Das passiert bei besonders schweren Taten, z.B. Umsatzsteuerkarusselle, oder wenn neben Steuerstraftaten noch wegen anderer Delikte ermittelt wird.

Der Anfang:

Die Steuerfahndung leitet ein Verfahren ein, wenn der Verdacht einer Steuerstraftat besteht. Es genügt ein Anfangsverdacht, d.h. die Steuerfahnder dürfen auch dann ermitteln, wenn eine Steuerstraftat nicht besonders wahrscheinlich ist. Die Steuerfahndung kann zunächst ermitteln, ohne den Beschuldigten informieren zu müssen. Irgendwann wird das Verfahren aber aufgedeckt. Meistens tritt dann einer von zwei Fällen ein:

1. Der Beschuldigte erhält von der Fahndung eine Einleitungsverfügung. In dieser wird er über die Art und den Umfang des Ermittlungsverfahrens informiert und über seine Rechte belehrt. Die Reaktion auf diese Einleitungsverfügung ist eine wichtige Weichenstellung für den weiteren Gang des Verfahrens.

2. Es kommt zu einer Hausdurchsuchung. Die Ermittler stehen früh morgens mit einem gerichtlichen Durchsuchungsbeschluss vor der Tür. Es werden gleichzeitig alle Wohn- und Geschäftsanschriften durchsucht. Unterlagen werden Beschlagnahmt und die IT wird forensisch gesichert (kopiert). Standartmäßig wird auch die Person und der PKW durchsucht und das Handy kann beschlagnahmt werden. Nicht selten wird auch der Steuerberater durchsucht und es werden Auskunftsersuchen an alle bekannten Banken gestellt. In einem solchen Fall heißt es Ruhe bewahren. Am Tag der Durchsuchung gibt es wenig zu gewinnen und viel zu verlieren.

Die Mitte:

Der weitere Gang des Verfahrens kann sehr unterschiedlich sein. Auf jeden Fall sollte man Akteneinsicht nehmen. Als Beschuldigter hat man allerdings nur Anspruch auf einzelne Auskünfte aus der Akte. Für eine vollständige Akteneinsicht benötigt man leider bereits zwingend einen Verteidiger. Nach Durchsicht der Akte ist dann eine Strategie für das weitere Verfahren festzulegen. Diese kann von vollständiger Kooperation bis zur kompromisslosen Opposition reichen. Hier kommt es einfach auf den jeweiligen Fall an. Wichtig ist zu wissen, dass es fast immer zwei Verfahren gibt.

1. Ein Strafverfahren in dem die Regeln der StPO und die Sondervorschriften der AO gelten.

2. Ein steuerliches Verfahren in dem die steuerlichen Verhältnisse geprüft werden. In diesem Verfahren gelten die Regeln der AO.

Um den Fall abzuschließen ist in der Regel eine Lösung in beiden Verfahren sinnvoll und erforderlich. Eine einheitliche Lösung zu finden kann aber schwierig sein.

Beispiel: Einem Beschuldigten wird vorgeworfen er habe eine Teil seiner Einkünfte nicht erklärt. Hierauf gibt es Hinweise aber keine handfesten Beweise. Die Buchhaltung des Betriebes ist allerdings fehlerhaft.

Problem: Im Strafverfahren könnte der Beschuldigte einfach Schweigen. Er muss sich nicht selbst belasten und Schweigen darf nicht negativ ausgelegt werden. Im Besteuerungsverfahren gibt es aber eine Mitwirkungspflicht. Der Beschuldigte muss Auskünfte erteilen. Tut er dies nicht, darf das Finanzamt unter Umständen die Einkünfte schätzen, z.B. weil die Buchführung fehlerhaft ist. Die Schätzung darf auch sehr hoch ausfallen, weil der Steuerpflichtige aus der Verweigerung der Mitwirkung keinen Vorteil ziehen soll. Will der Steuerpflichtige eine überhöhte Schätzung abwenden, so ist er praktisch dazu gezwungen Angaben zu seinem Betrieb zu machen. Diese Angaben können aber im Strafverfahren gegen ihn verwendet werden. Ein klassisches Dilemma. Deswegen ist es wichtig klare Verteidigungsziele zu verfolgen. Um diese Ziele zu erreichen muss man zwischen den beiden Verfahren, zwischen Steuerfahndung und Finanzamt unterscheiden, um angemessen auf die Maßnahmen des jeweiligen Gegenüber reagieren zu können.

Eine Patentlösung gibt es leider nicht. Es müssen beide Verfahren in den Blick genommen werden. Die Wechselwirkungen sind sorgfältig abzuwägen. Nicht selten findet sich am Verhandlungstisch ein tragfähiger Kompromiss. Idealerweise werden Strafverfahren und Besteuerungsverfahren gemeinsam abgeschlossen. In manchen Fällen bleibt es streitig und der Fall muss zu Gericht. Das steuerliche Verfahren geht an das Finanzgericht. Für das Steuerstrafverfahren sind die Strafgerichte zuständig. 

Das Ende:

Zum Glück sind Gerichtsverfahren eher die Ausnahme. Steuerstrafverfahren werden meistens wie folgt abgeschlossen:

  • Einstellung mangels Tatverdacht (keine Sanktion, keine Eintragung in das Bundeszentralregister)
  • Einstellung wegen Geringfügigkeit (keine Sanktion, keine Eintragung in das Bundeszentralregister)
  • Einstellung gegen Zahlung einer Geldauflage (Zahlung Steuer plus Zahlung einer Geldbuße, Strafklageverbrauch, keine Eintragung in das Bundeszentralregister)
  • Strafbefehl (steht einem Urteil gleich, jedoch keine Gerichtsverhandlung, Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu 1 Jahr, Eintragung in das Bundeszentralregister, Strafklageverbrauch)


Verhaltenstipps:

Strafverfahren lassen sich nicht an einem Nachmittag erledigen. Behalten Sie die Ruhe und einen langen Atem.

Erst Nachdenken, dann Reden. Im Zweifel erstmal Schweigen.

Akteneinsicht organisieren.

Ziele definieren und eine sinnvolle Strategie festlegen.

Beratung suchen. Ideal sind ein Verteidiger und ein Steuerberater, die den Fall in Kooperation bearbeiten.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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