Knie-TEP falsch eingebaut: 19.000 Euro

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Am 21.01.2022 hat das Landgericht Hagen ein Krankenhaus verurteilt, an meine Mandantin 19.000 Euro zu zahlen. Das Krankenhaus ist verpflichtet worden, alle weiteren materiellen Schäden für die Zukunft und Vergangenheit auszugleichen. Die Klinik muss auch meine außergerichtlichen Gebühren übernehmen.


Die 1958 geborene Angestellte erhielt wegen seit zwei Jahren andauernder Schmerzen im rechten Kniegelenk unter der Diagnose Gonarthrose rechts eine Kniegelenksendototalprothese (Knie-TEP rechts) implantiert. Nah der Operation litt die Mandantin unter starken Schmerzen im rechten Kniegelenk und bemerkte, dass es bei Bewegung ihres rechten Kniegelenkes zu einem deutlichen Klappern und Klackern kam.


Während der stationären Anschlussheilbehandlung bestand eine erhebliche Funktionseinschränkung des rechten Kniegelenkes. Umfangreiche Krankengymnastik und eine Bewegungsschiene führten nicht zu einer Besserung der Schmerzen. Ein Nachbehandler kam nach Röntgenaufnahmen des rechten Kniegelenkes zu dem Ergebnis, dass die tibiale Prothese viel zu groß sei. Sie überrage das mediale und laterale Tibiaplateau. Hierdurch würden bei Bewegung die Schmerzen und die Geräusche ausgelöst. Ein Jahr später wurde in einem Folgekrankenhaus die Prothese ausgebaut und eine neue schaftverankerte Prothese eingesetzt. Nach dieser Revisionsoperation kam es zu einem verzögerten Heilungsverlauf mit Einsteifung des Gelenkes und erheblichen Schmerzen. Diese konnten nur durch langwierige Rehabilitationsmaßnahmen über Monate gebessert werden.


Ich hatte den Operateuren mit einem Privatgutachten vorgeworfen, der Mandantin eine zu große Knie-TEP rechts eingebaut zu haben. Die Tibiaprothese Größe 5 überrage sowohl medial als auch lateral den Knochen. Bereits die intraoperativen Printaufnahmen zeigten einen deutlichen Überstand der tibialen Komponente bei ansonsten regelrechter Implantation sowohl des Femurschildes als auch der Tibiaprothesenkomponentenausrichtung. Im seitlichen Printbild sei ein dorsaler Überstand, insbesondere der tibialen Prothese nicht erkennbar. Es zeige sich jedoch ein deutlicher Überstand der ventralen femoralen Prothese. Auch die postoperativen AP-Aufnahmen belegten sowohl die zu große femorale als auch tibiale Prothesenkomponente im Sinne eines Overstuffings. Die Röntgenaufnahmen des Krankenhauses, welches die Revisionsoperation durchgeführt habe, bestätigten den lateralen Überstand im Tibiaplateau sowie den vorderen Überstand der femoralen Prothese.


Der gerichtliche Sachverständige hatte diese Vorwürfe bestätigt. Die tibiale Komponente sei deutlich zu groß gewählt worden, weil sie das Tibiaplateau medial und vor allem auch lateral deutlich überrage. Hierdurch käme es zu weiteren Irritationen des Kapselbandapparates, vor allem medial. Der mediale und laterale Überstand mit einem Mismatch von 0,5 cm sei keineswegs mehr tolerabel. Der Einbau einer zu großen Prothese hätte auch vermieden werden können, weil bei dem eingebauten Prothesensystem einzelne Prothesenkomponenten in Größenunterschieden von jeweils 2,5 mm zueinander gewählt werden könnten. Die tibiale Komponente sei deshalb zwei Größen, jedenfalls aber deutlich mehr als eine Größe, zu groß gewählt worden. Das hätte jederzeit intraoperativ durch eine einfache Kontrolle bemerkt werden können. Es wäre auch in dieser Operation problemlos möglich gewesen, die zu große Komponente zu entfernen und auf die richtige Größe hier zu wechseln. Angesichts des Ausmaßes und der Art des sowohl lateralen als auch medialen Überstandes handele es sich um einen groben Behandlungsfehler.


Die Kammer hat ein Schmerzensgeld in Höhe von 17.500 Euro für angemessen gehalten. Der Feststellungsantrag sei ebenfalls begründet. Die Klägerin habe auch Anspruch auf die Erstattung der mit 1.500 Euro angefallenen Kosten für das private außergerichtliche Sachverständigengutachten.


Ein verständiger und wirtschaftlich denkender Mensch in der Lage der Klägerin dürfe es für zweckmäßig und notwendig halten, die Frage des Behandlungsfehlers durch ein privates Sachverständigengutachten vorab zu überprüfen. Ein wirtschaftlich denkender Mensch sei nicht gehalten, einen kostenträchtigen Arzthaftungsprozess ins Blaue hinein nur aufgrund mündlicher Aussagen von Nachbehandlern zu führen. Auch die außergerichtlichen Gebühren des Anwaltes der Klägerin seien zu ersetzen.


(Landgericht Hagen, Urteil vom 21.01.2022, AZ: 4 O 311/20)

Christian Koch, Fachanwalt für Medizinrecht

Foto(s): adobe stock fotos


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