Kosten eines Strafverteidigers

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Oft schrecken Mandanten vor den Kosten eines Strafverfahrens zurück! Das kann ich verstehen. Eine hohe Geldstrafe, dann noch die Anwalts- und Gerichtskosten. Das ist fast immer im 4 -stelligen Bereich. Wenn dann noch Nebenklage und Adhäsionsverfahren dazu kommen sind wir bei Zahlen, die ein Jahresgehalt ausmachen können. 

In diesem Beitrag will ich Ihnen kurz aufzeigen, mit welchen Kosten Sie in einem durchschnittlichen Strafverfahren rechnen müssen und warum es nichts bringt mit ihrem Anwalt zu handeln!

1. Das RVG - Das Maß aller Dinge

Die Vergütung eines Rechtsanwalts ist gesetzlich geregelt im Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (kurz RVG). Dieses Gesetz gibt vor, wie viel ein Anwalt mindestens für seine Dienstleistung nehmen muss! Darunter darf er grundsätzlich nicht arbeiten!

Das RVG gilt im gesamten Bundesgebiet und beinhaltet sowohl Regelungen für Strafrecht als auch alle anderen Rechtsgebiete. Ich werde mich hier auf den strafrechtlichen Teil konzentrieren. 

Das RVG besteht aus drei Teilen. Der erste Teil ist das Gesetz selbst. Es wird geregelt, was anzurechnen ist und was nicht, wie hoch eine Erstberatung sein dar und wann man einen Vorschuss nehmen darf. Alles wie gehabt. Ein Gesetz mit viel Text. 

Für den Mandanten sind die beiden Anhänge viel wichtiger. Da geht es um Zahlen! 

Der zweite Anhang beinhaltet die Gebührentabelle. Diese ist vor allem im Zivilrecht wichtig, weil es dort fast immer um Gebühren abhängig vom Streitwert geht. 

Für mich als Strafverteidiger ist in der Regel der erste Anhang entscheidend. 

Das Vergütungsverzeichnis regelt für alle Rechtsgebiete, in welchem Fall welche Gebühr entsteht. 

Die Vergütung in Strafsachen ist in Teil 4 geregelt. 

Lassen sie mich ein Beispiel geben:

Sie haben einen Fall und kommen zu einem Anwalt. Die Sache liegt noch bei der Polizei/Staatsanwaltschaft und befindet sich daher im sog. Ermittlungsverfahren (manchmal auch Vorverfahren genannt). Sie haben eine Beschuldigtenladung der Polizei bekommen und beauftragen ihren Rechtsanwalt, Akteneinsicht zu nehmen. Um nun zu wissen, was der Spaß sie kostet, können Sie im 4. Teil der Vergütungsverzeichnisses zur sog. Grundgebühr gehen. Diese Gebühr trägt die Ordnungsnummer 4100. Neben der Ordnungsnummer steht, was von der Gebühr gedeckt wird. Daneben tauchen zwei weitere Felder auf. Eines der Felder zeigt eine Spanne von 44 - 396 EUR und das Zweite zeig einen Wert von 176 EUR. Die erste Spalte ist für den Wahlanwalt, die Zweite ist für den Pflichtverteidiger. 

Während der Pflichtverteidiger einen Festbetrag bekommt, kann der Wahlverteidiger aus einer Spanne wählen. In der Regel wird er den sog. Mittelwert (Mittelgebühr) ansetzten. Dazu rechnet man den kleiner und den größeren Wert zusammen und teilt das Ergebnis durch 2. In unserem Fall also 44 + 396= 440: 2=220 EUR. Die durchschnittliche Grundgebühr beträgt also 220 EUR.   

Und so gehen sie alle Aufgaben durch, die der Anwalt hat. 

2. Entsteht immer die Mittelgebühr?

Nein! 

Grundsätzlich geht der Anwalt von der Mittelgebühr aus. Aber er muss dann auch bedenken, wie kompliziert und zeitaufwändig der Fall war. Auch darf er seine eigene Qualifikation mit in die Waagschale werfen. Ein Fachanwalt hat immer mehr Erfahrung und Wissen in seinem Fachgebiet als ein allgemeiner Anwalt. Sie zahlen beim Kardiologen ja auch mehr als bei ihrem Allgemeinarzt! 

Es kann also sein, dass ein einfach gelagerter Fall (sehr einfach gelagerter Fall) der von einem Allgemeinanwalt mit wenig Berufserfahrung für eine Grundgebühr von 100 EUR gemacht wird (also im unteren Viertel der Grundgebühr) von einem erfahren Kollegen für eben jene 220 EUR erledigt wird. 

Oder ein Fall der von einem Allgemeinanwalt für 220 EUR Grundgebühr gemacht wird (weil es sich um einen durchschnittlichen Fall handelt), von einem Fachanwalt für 250 EUR Grundgebühr bearbeitet wird. 

All das ist zulässig und für den Laien nicht einfach zu durchschauen. 

Daher sollte ihnen ein guter Anwalt immer auch eine (zumindest ungefähre) Kostenprognose vorlegen und ihnen erklären, warum er welche Gebühren verlangt. 

3. Leider nicht komplett

Leider ist das RVG nicht vollständig. Es deckt nicht alle denkbaren Tätigkeiten ab, die der Anwalt vornimmt. Deshalb wurden die bereits viele Klagen geführt, die klären, wann welche Gebühr entsteht. So wird von der Verfahrensgebühr nach 4104 nach Ansicht der Rechtsprechung auch die Erstellung und Einlegung der sog. Haftbeschwerde abgedeckt. Eine Haftbeschwerde ist ein enormer Aufwand. Man muss quasi ein Gerichtsverfahren im Kopf durchspielen und sich dann noch überlegen, wie wird das Gericht entscheiden? All das geschieht unter enormem Druck, denn der Mandant sitzt im Gefängnis und es ist unsere Aufgabe, ihm so gut wie möglich zu helfen. 

Das steht aber nicht bei 4104. Dort steht nur: 

" Die Gebühr entsteht für eine Tätigkeit in dem Verfahren bis zum Eingang der Anklageschrift, des Antrags auf Erlass eines Strafbefehls bei Gericht oder im beschleunigten Verfahren bis zum Vortrag der Anklage, wenn diese nur mündlich erhoben wird".

Das kann ein Schreiben sein, das kann eine gesamte neue Beweisaufnahme sein, die man im Vorfeld vorbereitet (abhängig vom Fall und der Aktenlage). 

4. Mit dem RVG auf der sicheren Seite - nicht ganz

Das RVG ist, wie bereits erwähnt eine Richtschnur, die angibt, welchen Wert der Anwalt nicht unterschreiten darf. 

Es ist aber auch möglich, höhere Gebühren zu nehmen. 

Anwaltsverträge sind Dienstleistungsverträge! 

Wie bei jeder Dienstleistung kann der Anwalt sein Honorar frei bestimmen. Es ist also möglich, durch einen gesonderten Vertrag (eine sog. Honorarvereinbarung) mehr als die gesetzlichen Gebühren zu verlangen! 

Ob sie eine solche Honorarvereinbarung abschließen wollen, ist abhängig davon, was sie sich leisten können und wie dringen sie einen Anwalt brauchen. 

Darüber hinaus muss sich der Anwalt teilweise Zahlungen aus einer Honorarvereinbarung anrechnen lassen. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn der Anwalt als Pflichtverteidiger bestellt ist.

Auch ein Pflichtverteidiger darf grundsätzlich eine Honorarvereinbarung schließen!

Ein guter Anwalt wird sie grundsätzlich dahingehend beraten, wann er sich welche Gebühr anrechnen lassen muss.

Ich sage meinen Mandanten immer (so genau es die Situation erlaubt) was auf Sie zu kommt. 

5. Beispielrechnung

Nach all dieser Theorie und den kleinen Einblicken will ich Ihnen eine kleine Beispielrechnung geben. 

Folgender Fall: 

Sie bekommen ein Schreiben der Polizei. In diesem steht, dass sie beschuldigt werden, eine Straftat (sagen wir mal einen Diebstahl) begangen zu haben. 

Sie gehen mit diesem Schreiben zum Anwalt und sagen ihm: "Besorg dir die Akte!"

Die Vollmacht wird unterschrieben und vier Wochen später meldet sich der Anwalt und will einen Temin machen: Er hat die Akte bekommen. Sie machen einen Termin. Dar Anwalt erklärt ihnen, wie die Beweislage aussieht und befragt Sie dazu, ob sie für den Tattag ein Alibi haben. 

Sie geben an, dass sie am Tattag auf dem Weg zu ihrer Arbeit waren. Ihre Vorgesetzte kann das bestätigen. Der Anwalt schreibt genau das der Staatsanwaltschaft. 

Die Staatsanwaltschaft erhebt aber dennoch Anklage und es kommt zum Gerichtsverfahren. Sie werden, weil ihre Vorgesetze anders aussagt oder verstorben ist (auf jeden Fall keine Aussage zu ihren Gunsten macht), zu einer Geldstrafe verurteilt. Das Ganze nimmt einen Gerichtstermin vor dem Amtsgericht in Anspruch. 

Die Kostenrechnung sieht dann so aus: 

Grundgebühr (4100 RVG Anlage 1)               220,00 EUR 

Verfahrensgebühr (4104 RVG Anlage 1)       181,50 EUR 

Verfahrensgebühr (4106 RVG Anlage 1)       181,50 EUR      

Termingebühr (4108 RVG Anlage 1)               302,50 EUR

Postpauschale (7002 RVG Anlage 1)                40,00 EUR 

Gesamtbetrag Netto                                         925,50 EUR

Auslagenpauschale für die Akteneinsicht        12,00 EUR 

Rechnungsbetrag netto                                      937,50 EUR

Umsatzsteuer (7008 RVG Anlage 1/ 19%)        178,13 EUR 

Rechnungsbetrag (brutto)                               1.115,63 EUR 

Das klingt viel. Doch bedenken Sie: Es geht um die Frage, Knast oder kein Knast!


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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