Krankmeldung nach Kündigung – Verdacht auf Täuschung?

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Rechte & Pflichten im Arbeitsrecht

Die Krankmeldung nach einer Kündigung ist ein häufiges Streitthema im Arbeitsrecht. Doch wann gilt ein ärztliches Attest als zweifelhaft? Welche Rechte haben Beschäftigte? Und wie können Unternehmen gegen eine vermeintlich vorgetäuschte Krankheit vorgehen? In diesem Artikel werfen wir einen detaillierten Blick auf die aktuellen rechtlichen Entwicklungen und geben wertvolle Hinweise.


Kann ich nach der Kündigung krank machen?

Diese Frage stellen sich viele, die sich nach der Kündigung in einer belastenden Situation befinden. Grundsätzlich gilt: Ja, auch nach der Kündigung des Arbeitsverhältnisses können Mitarbeitende krankgeschrieben werden, wenn eine tatsächliche Erkrankung vorliegt. Emotionale Belastungen oder Stress, die durch die Kündigung ausgelöst werden, können zu realen gesundheitlichen Problemen führen. Wichtig ist, dass die Arbeitsunfähigkeit von einer ärztlichen Fachkraft bescheinigt wird, um den Anspruch auf Entgeltfortzahlung zu gewährleisten.


Krankmeldung nach Kündigung: Was ist erlaubt?

Wenn eine Kündigung ausgesprochen wird, hat dies oft Auswirkungen auf die Gesundheit. Aber was ist, wenn ich in der Kündigungsfrist krank werde? Auch in diesem Fall besteht das Recht, sich bei Krankheit eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausstellen zu lassen.

Diese Bescheinigung dient als Nachweis der Arbeitsunfähigkeit und verpflichtet den Arbeitgebenden zur Fortzahlung des Gehalts während der Kündigungsfrist. Problematisch wird es jedoch, wenn der Verdacht besteht, dass die Krankschreibung nur vorgeschoben ist, um die verbleibende Zeit im Arbeitsverhältnis „auszusitzen“.


Krankmeldung und Kündigung: Was sagt das Bundesarbeitsgericht?

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat in seinem Urteil vom 8. September 2021 (Az. 5 AZR 149/21) wichtige Leitlinien zum Beweiswert von ärztlichen Attesten festgelegt. Demnach ist ein ärztliches Attest grundsätzlich ein starkes Indiz für die Arbeitsunfähigkeit. Doch dieser Beweiswert kann erschüttert werden – insbesondere dann, wenn Zweifel an der tatsächlichen Erkrankung bestehen.


Zweifel an Krankmeldungen: Wann Misstrauen aufkommt

Es gibt bestimmte Konstellationen, in denen der Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung infrage gestellt werden kann. Typische Situationen, die Bedenken erregen, sind:

  • Krankmeldung direkt nach Kündigung: Wenn eine Krankmeldung unmittelbar nach Aussprache der Kündigung erfolgt, kann dies zu Misstrauen führen. Arbeitgeber fragen sich oft, ob die Krankheit „vorgeschoben“ wurde.
  • Passgenaue Krankmeldungen bis zum Ende der Kündigungsfrist: Ebenfalls verdächtig sind Atteste, die genau bis zum letzten Tag der Kündigungsfrist datiert sind.
  • Verstoß gegen Vorgaben der Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie: Atteste, die formale Fehler aufweisen oder gegen die Vorschriften verstoßen, können ebenfalls Zweifel aufkommen lassen.
  • Wiederholte Erkrankungen an Brückentagen: Wenn Arbeitnehmende immer wieder an Tagen krankgeschrieben sind, die auf Brückentage fallen, kann auch dies den Verdacht der Vortäuschung von Arbeitsunfähigkeit wecken.

Für Arbeitgebende ist es jedoch nicht einfach, den Beweiswert eines ärztlichen Attests zu erschüttern. Es müssen konkrete Hinweise und Belege vorliegen, die nahelegen, dass die Arbeitsunfähigkeit nur vorgetäuscht ist.


Rechte und Pflichten der Beschäftigten

Grundsätzlich haben alle Mitarbeitenden das Recht, sich bei Krankheit krankschreiben zu lassen – auch direkt nach einer Kündigung. Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung dient zunächst als Nachweis der Erkrankung und begründet den Anspruch auf Gehalts- und Entgeltfortzahlung während der Kündigungsfrist. Es ist jedoch wichtig zu wissen, dass Arbeitgebende berechtigt sind, eine Krankmeldung anzuzweifeln, wenn berechtigte Bedenken bestehen.

Wer sich jedoch nachweislich „krankmeldet“, ohne tatsächlich arbeitsunfähig zu sein, riskiert schwerwiegende Konsequenzen:

  • Verweigerung der Entgeltfortzahlung: Wenn der Verdacht auf Vortäuschung der Krankheit bestätigt wird, entfällt die Gehaltsfortzahlung für die Dauer der mutmaßlich vorgetäuschten Arbeitsunfähigkeit.
  • Fristlose Kündigung: In gravierenden Fällen kann eine vorgetäuschte Krankheit sogar zur fristlosen Kündigung führen.


Deshalb sollten Mitarbeitende ehrlich mit ihrer Arbeitsunfähigkeit umgehen und gegebenenfalls weitere ärztliche Bestätigungen vorlegen, wenn Zweifel an der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung geäußert werden.


Handlungsmöglichkeiten für Arbeitgebende

Arbeitgebende haben das Recht, eine Krankmeldung infrage zu stellen, wenn sie triftige Gründe dafür haben. Eine Möglichkeit besteht darin, die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) überprüfen zu lassen. Bestätigt der MDK die Zweifel des Unternehmens, entfällt die Entgeltfortzahlung für die Dauer der mutmaßlich vorgetäuschten Krankheit.

Zudem haben Arbeitgebende die Möglichkeit, rechtliche Schritte einzuleiten, wenn der Verdacht auf Arbeitsunfähigkeits-Vortäuschung besteht. In besonders schweren Fällen kann dies zur fristlosen Kündigung führen, wenn die Beweislage eindeutig ist.


Was tun, wenn Unsicherheiten bestehen?

Sowohl Mitarbeitende als auch Arbeitgebende sollten bei Unsicherheiten im Zusammenhang mit einer Krankmeldung besonnen und sachlich vorgehen. Für Mitarbeitende gilt: Ein offenes Gespräch mit dem Unternehmen und eine zusätzliche ärztliche Bestätigung können oft Missverständnisse ausräumen. Arbeitgebende sollten hingegen vermeiden, voreilige Schlüsse zu ziehen, und die rechtlichen Rahmenbedingungen gründlich prüfen.


Fazit: Transparenz und Fairness sind der Schlüssel

Eine Krankmeldung nach einer Kündigung kann ein heikles Thema sein, das leicht zu Konflikten führt. Beide Seiten – Mitarbeitende und Arbeitgebende – sollten ihre Rechte und Pflichten kennen. Eine transparente Kommunikation und eine faire Prüfung der jeweiligen Situation sind der beste Weg, um Missverständnisse und Eskalationen zu vermeiden.


Benötigen Sie in einer solchen Situation rechtlichen Rat? Wir informieren Sie gerne umfassend und unterstützen Sie in allen arbeitsrechtlichen Fragen.



Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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