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Kündigung eines Arbeitnehmers nach Löschung von Daten, Abmahnung entbehrlich?

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Mit dieser Thematik befasst sich ein Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 17. September 2020.

LAG Baden-Württemberg Urt. v. 17.9.2020 – 17 Sa 8/20, BeckRS 2020, 29204

Über folgenden Sachverhalt hatte das Gericht zu entscheiden:

Der Kläger war bei der Beklagten seit Februar 2016 als Key Account Manager im Außendienst tätig. Nachdem der Kläger Ende 2018 abgemahnt worden war, fand am 5. Februar 2019 ein Gespräch mit ihm statt über eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses. Hierauf konnten sich die Parteien jedoch nicht verständigen. Nach diesem Gespräch verabschiedete sich der Kläger mit den Worten „man sieht sich immer zweimal im Leben“. 2 Tage später löschte der Kläger Daten auf dem Server der Beklagten in einem Verzeichnis, welches speziell für ihn vorgesehen war. Der Kläger löschte ca. 8 GB an Daten. Wegen der Löschung dieser Daten kündigte die Beklagte dem Kläger fristlos, hilfsweise fristgerecht, nachdem sie den Kläger zunächst zu den Vorwürfen angehört hatte und der Kläger sich hierzu nicht geäußert hat. Innerhalb des Prozesses hat der Kläger sich zu dem Vorwurf der Daten Löschung u.a. so geäußert, dass der Vorwurf der Beklagten zu pauschal sei. Er könne sich hierzu nur bedingt einzeln einlassen, weil die von der Beklagten vorgelegte Aufstellung der Dateien nicht vollständig sei. Die Beklagte hat vorgetragen, dass die Daten in dem von ihr dargelegten Umfang von dem Kläger gelöscht worden sein. Sämtliche Dateien stünden als Arbeitsergebnisse des Klägers ausschließlich der Beklagten zu. Beispielsweise habe der Kläger ein von ihm erstelltes Excel Kalkulationstool gelöscht, für welches es keinen anderen Speicherort gebe. Dieses Tool müsse daher neu erstellt bzw. programmiert werden.

 

Die Gerichte haben folgendes entschieden:

Das Arbeitsgericht hat entschieden, dass das Arbeitsverhältnis zwar nicht durch die fristlose Kündigung, jedoch durch die hilfsweise fristgerechte Kündigung beendet worden ist. Zur Begründung hat das Gericht ausgeführt, dass der Kläger „nur“ Dateien gelöscht hat, die sich in „seinem“ Ordner befunden haben. Eine vorsätzliche Schädigungsabsicht des Klägers gegenüber der Beklagten sei nicht zu erkennen. Allerdings habe der Kläger durch die Löschung der Dateien gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen, da sämtliche Arbeitsergebnisse der Beklagten zustünden. Aus diesem Grund werde das Arbeitsverhältnis durch die hilfsweise ordentliche Kündigung beendet, einer vorherigen Abmahnung habe es wegen der Offensichtlichkeit des Pflichtenverstoßes nicht bedurft. Der Kläger hat gegen das Urteil Berufung und die Beklagte Anschlussberufung eingelegt. Der Kläger hat seine Berufung insbesondere mit dem Vorbringen begründet, das Arbeitsgericht habe nicht annehmen dürfen, dass eine Abmahnung entbehrlich gewesen ist. Daher sei im Ergebnis auch die fristgerechte Kündigung nicht rechtswirksam. Die Beklagte hat in der Anschlussberufung insbesondere vorgetragen, dass der Kläger die Daten planmäßig und vorsätzlich in unmittelbaren Zusammenhang mit der zwischen den Parteien diskutierten Beendigung des Arbeitsverhältnisses gelöscht hat. Das Arbeitsgericht habe zu Recht angenommen, dass eine Abmahnung entbehrlich sei. Daher sei im Ergebnis auch die fristlose Kündigung rechtswirksam. Das Landesarbeitsgericht hat im Ergebnis der Beklagten Recht gegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die fristlose Kündigung der Beklagten als rechtswirksam angesehen. Nach Ansicht des Gerichts liegt ein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung vor. Die Löschung der Daten durch den Kläger stelle einen solchen wichtigen Grund dar. Es gehört zu den vertraglichen Nebenpflichten eines Arbeitnehmers, seinem Arbeitgeber den Zugriff auf betriebliche Daten nicht unmöglich zu machen. Die Rücksichtnahmepflicht verlange von beiden Parteien des Arbeitsverhältnisses gegenseitig auf die Rechtsgüter und Interessen der anderen Partei Rücksicht zu nehmen. Hiergegen hat der Kläger verstoßen. Das Gericht hat festgestellt, dass eine vorherige Abmahnung in diesem Fall entbehrlich gewesen ist. Einer vorherigen Abmahnung bedarf es dann nicht, wenn bereits im Vorfeld erkennbar ist, dass eine Vertragsänderung zukünftig auch nach einer Abmahnung nicht zu erwarten ist. Außerdem ist eine Abmahnung auch dann entbehrlich, wenn es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren einmalige Hinnahme dem Arbeitgeber unzumutbar ist. Der Kläger konnte nicht annehmen, dass das unbefugte Löschen von geschäftlichen Daten von dem Arbeitgeber hingenommen werde. Er konnte daher nicht mit einer Billigung des Arbeitgebers rechnen. Im Ergebnis war eine Abmahnung somit entbehrlich. Das Landesarbeitsgericht hat auch die vorzunehmende Interessenabwägung zu Gunsten der Beklagten entschieden. Es hat insoweit berücksichtigt, dass das Arbeitsverhältnis nur ca. 3 Jahre bestanden hat. Außerdem war der Kläger vorher aus einem anderen Grund abgemahnt worden, das Arbeitsverhältnis sei daher nicht ungestört verlaufen. Zu Gunsten der Beklagten hat das Gericht berücksichtigt, dass die Pflichtverletzung des Klägers in Form der Löschung der Daten erheblich gewesen ist. Auch die Aussage des Klägers „man sieht sich im Leben immer zweimal“ wurde dem Kläger negativ ausgelegt. Auch hierdurch sei das Vertrauen der Beklagten in die Redlichkeit des Klägers unwiederbringlich zerstört, der Kläger habe im Ergebnis „verbrannte Erde“ hinterlassen wollen. Aus diesem Grunde hat das Landesarbeitsgericht die fristlose Kündigung als wirksam angesehen.

 

Fazit:

Das Landesarbeitsgericht hat die bisherige Rechtsprechung bestätigt, dass ein schwerwiegender Pflichtverstoß, wie vorliegend die Datenlöschung, den Arbeitgeber auch zu einer fristlosen Kündigung berechtigen kann. Bei einem solch schwerwiegenden Pflichtenverstoß bedarf es auch nicht einer vorherigen Abmahnung, wenn erkennbar ist, dass eine Verhaltensänderung in Zukunft auch nach einer Abmahnung nicht zu erwarten ist. Es bedarf auch dann keiner vorherigen Abmahnung, wenn es sich um einen so schweren Pflichtenverstoß handelt, dass selbst deren einmalige Hinnahme dem Arbeitgeber nicht zugemutet werden kann.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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