Kündigung und Kündigungsschutz von Schwerbehinderten

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Schwerbehinderte sind nicht unkündbar, aber durch ein formales Verfahren vor Ausspruch einer Kündigung besonders geschützt. Der besondere Kündigungsschutz gilt für Schwerbehinderte und ihnen gleichgestellten Personen. Der Arbeitgeber muss aber das Integrationsamt vor Ausspruch der Kündigung um Zustimmung bitten.

Das Problem

Was ist denn, wenn der schwerbehinderte Arbeitnehmer während seines Arbeitsverhältnisses die Schwerbehinderteneigenschaft erlangt hat, aber den Arbeitgeber hierüber nicht informiert hat? Nun kommt es zu Kündigungen im Betrieb. Ist diese Kündigung dann überhaupt wirksam? Schließlich konnte der Arbeitgeber ja nicht die erforderliche Zustimmung des Integrationsamtes einholen, wenn er nichts von der Schwerbehinderung seines Arbeitnehmers weiß.

Ist ein schwerbehinderter Arbeitnehmer nach einer ausgesprochenen Kündigung dazu verpflichtet, seinem Arbeitgeber, der bislang nichts von dieser Schwerbehinderung wusste und deshalb vor der Kündigung nicht die notwendige Zustimmung des Integrationsamtes einholen konnte, mitzuteilen, dass bei ihm eine Schwerbehinderung vorliegt?

Der praktische Fall

Die Schwerbehinderteneigenschaft eines Arbeitnehmers wird anerkannt, eine Mitteilung hierüber an den Arbeitgeber erfolgt jedoch nicht. In den darauffolgenden Jahren muss der Arbeitgeber Kündigungen aussprechen und es trifft auch den Arbeitnehmer. Nunmehr informiert auch der Arbeitnehmer seinen Arbeitgeber über die Schwerbehinderung und geht im Klagewege gegen die Kündigung vor.

Der Arbeitnehmer hält die Kündigung für unwirksam. Die Zustimmung des Integrationsamtes sei auch dann erforderlich, wenn der Arbeitsgeber nichts von der Schwerbehinderung wisse. Entscheidend sei allein die Anerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft.

Der Arbeitgeber ist jedoch der Auffassung, dass die Kündigung auch weiterhin rechtens sei. Er habe ja nichts von der Schwerbehinderung seines Arbeitnehmers gewusst. Dies hätte sein Arbeitnehmer ihm auch mitteilen müssen. Außerdem habe er so zu keinem Zeitpunkt die Möglichkeit gehabt vorab die Zustimmung des Integrationsamtes zur Kündigung einholen.

Wie ist die Rechtslage?

(angelehnt an den Fall vom ArbG Kassel, Urteil vom 19.11.04, Az. 3 Ca 323/04)

Die Lösung

Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines schwerbehinderten Menschen durch den Arbeitgeber bedarf der vorherigen Zustimmung des Integrationsamtes, § 85 SGB IX. Fehlt die Zustimmung, ist die Kündigung unwirksam.

Wenn der Arbeitgeber jedoch nichts von der Schwerbehinderung seines Arbeitnehmers weiß, kann er auch denknotwendig vor der Kündigung keinen Antrag auf Zustimmung beim Integrationsamt stellen.

Das Zustimmungserfordernis nach § 90 Abs. 2a SGB IX findet jedoch dann keine Anwendung, wenn im Zeitpunkt der Kündigung die Schwerbehinderteneigenschaft nicht nachgewiesen ist.

Als Nachweis reicht jedoch bereits aus, wenn der entsprechende Feststellungsbescheid über die Schwerbehinderteneigenschaft vorliegt (ArbG Kassel, Urteil vom 19.11.04, Az. 3 Ca 323/04).

Der Kündigungsschutz nach § 85 SGB IX hängt demnach also nicht davon ab, ob der Arbeitgeber von der Schwerbehinderung gewusst hat oder eben nichts davon gewusst hat.

Dann könnte aber der gekündigte schwerbehinderte Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage erheben und erst Monate später mitteilen, dass er schwerbehindert ist. Folglich müsste der Arbeitgeber für diesen Zeitraum das Gehalt nachzahlen, ohne dass er dafür eine Arbeitsleistung bekommen hat. Dieses Risiko würde man zu Unrecht dem Arbeitgeber auferlegen.

Daher trifft den Arbeitnehmer bei Unkenntnis des Arbeitsgebers die Pflicht, innerhalb einer angemessenen Frist auf die Schwerbehinderteneigenschaft hinzuweisen. Die Arbeitsgerichte sehen als angemessene Frist drei Wochen an. Der Arbeitgeber erfährt somit frühzeitig, dass die ausgesprochene Kündigung unwirksam war und kann entsprechend darauf reagieren. 

Die Autorin vertritt bundesweit die Interessen von schwerbehinderten Menschen.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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