Kündigung und Strafanzeige wegen Diebstahl am Arbeitsplatz - Was jetzt?

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Diebstahl am Arbeitsplatz und die rechtlichen Folgen

Der Diebstahl geringwertiger Sachen kann zum Bereich der Bagatellkriminalität gezählt werden. Studien zeigen, dass viele Menschen mindestens einmal in ihrem Leben Sachen genommen haben, die ihnen nicht gehören. Geschieht sowas auf der Arbeit, kann dies weitreichende rechtliche Konsequenzen haben.

Trotz dieser Konsequenzen kann es oft schnell gehen: Ein paar Blätter Druckerpapier, eine Büroklammer oder eine Scheibe Wurst von der Fleischtheke wechseln ohne Kenntnis des Arbeitgebers den Besitzer. Bei derart geringwertigen Sachen fehlt es dem Arbeitnehmer zwar oft am Unrechtsbewusstsein, in der rechtlichen Praxis hat sich jedoch gezeigt, dass der Diebstahl am Arbeitsplatz weitreichende Konsequenzen haben kann. Die Tragweite derartiger Sachverhalte soll in diesem Rechtstipp dargestellt werden. Bei weiteren Fragen kontaktieren Sie uns einfach direkt via WhatsApp!


Diebstahl am Arbeitsplatz – Strafrechtliche Konsequenzen

Zunächst drohen dem Arbeitnehmer selbstverständlich strafrechtliche Konsequenzen. Der Diebstahl, also die Wegnahme fremder beweglicher Sachen, wird in Deutschland gem. § 242 StGB mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bestraft. Der Diebstahl geringwertiger Sachen ist ein sogenanntes relatives Antragsdelikt. Das bedeutet, dass entweder der Antragsteller einen Strafantrag gegen den Arbeitnehmer stellen oder die Staatsanwaltschaft das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung bejahen muss. Geringwertig bedeutet nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass der Warenwert 25,00 € nicht übersteigen darf.


Kündigung durch den Arbeitgeber bei Diebstahl

Einschneidender als die strafrechtlichen Konsequenzen können für den Arbeitnehmer allerdings die arbeitsrechtlichen Konsequenzen sein. Im Arbeitsrecht kommt es nämlich anders als im Strafrecht grundsätzlich nicht auf den Warenwert an. Begeht der Arbeitgeber einen Diebstahl zulasten seines Arbeitgebers, seiner Kollegen oder eines Kunden, verletzt er damit seine arbeitsvertragliche Pflicht. Darin liegt in den überwiegenden Fällen ein wichtiger Grund für eine außerordentliche Kündigung seitens des Arbeitgebers. Dies ist auch in Fällen möglich, in denen der Schaden wenige Euro- oder gar Centbeträge umfasst und in denen der Diebstahl zum ersten Mal begangen wurde.

Allerdings gibt es inzwischen Rechtsprechung zu Fällen, in denen eine Kündigung abgelehnt wurde. Grund dafür ist, dass die fristlose Kündigung in jedem Fall eine Interessenabwägung verlangt. Bekannt geworden ist in diesem Zusammenhang vor allem die sogenannte Emmely-Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts. Hier wurde einer Kassiererin und Mutter, die über drei Jahrzehnte beanstandungsfrei ihrem Betrieb angehörte, vorgeworfen, eigenmächtig fremde Pfandbons im Wert von 1,30 € eingelöst zu haben. 

Die Kassiererin legte Kündigungsschutzklage ein. Der Fall wurde schließlich in der letzten Instanz vor dem Bundesarbeitsgericht zu ihren Gunsten entschieden. Das Gericht stellte fest, dass eine fristlose Kündigung einer Interessenabwägung nicht standhielt. Eine Abmahnung wäre ausreichend gewesen, den entstandenen Vertrauensverlust wieder auszugleichen.

Dem Urteil schlossen sich danach weitere Gerichte in verschiedenen Sachverhalten an. Dies zeigt, dass die Interessenabwägung nicht immer zugunsten des Arbeitnehmers ausgehen muss. Es muss in jedem Fall eine Interessenabwägung für den konkreten Einzelfall durchgeführt werden. Chancen, dass der Arbeitgeber die fristlose Kündigung zurücknehmen muss, bestehen also durchaus.

Hinsichtlich der Frage, ob überhaupt bewiesen werden kann, ob ein Diebstahl stattgefunden hat, hat das Bundesarbeitsgericht im Übrigen entschieden, dass bereits der dringende Verdacht ausreicht, um dem Arbeitnehmer fristlos zu kündigen. Den Diebstahl oder die dringenden Verdachtsmomente müsste der Arbeitgeber im Fall einer Kündigungsschutzklage vor Gericht darlegen. Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass dafür im Einzelfall sogar verdeckte Videoaufnahmen zulässig sind. Diese dürfen jedoch nur für den Fall herangezogen werden, in dem ein konkreter Verdacht auf eine Straftat besteht.


Sperre beim Arbeitslosengeld wegen Diebstahl am Arbeitsplatz

Kommt es doch zu einer Kündigung, stellt sich die Frage, wie es nun weitergeht. Selbst für den Fall, dass man versucht, gegen die Kündigung mit einer Kündigungsschutzklage vorzugehen, braucht es Geld für die Übergangszeit. Sofern man nicht sofort eine neue Arbeitsstelle findet, bleibt oft nur der Gang zur Agentur für Arbeit. Hier droht nach einer Kündigung wegen Diebstahls am Arbeitsplatz jedoch eine Sperrfrist beim Arbeitslosengeld.

Eine solche kann zwischen einer und zwölf Wochen andauern und ist grundsätzlich möglich, wenn die Kündigung auf einem Fehlverhalten des Arbeitnehmers basiert. Es ist jedoch auch möglich, dass sich die Sperrfrist in bestimmten Fällen verkürzt. Zum Beispiel dann, wenn der Arbeitsvertrag ohnehin in absehbarer Zeit geendet hätte oder wenn die Sperrfrist eine unangemessene Härte darstellen würde.

Gegen die Festsetzung einer Sperrfrist beim Arbeitslosengeld ist der Widerspruch und eine anschließende Anfechtungsklage statthaft. Die Sperrfrist kann abgewendet werden, wenn es gelingt, in dem Kündigungsschutzverfahren für unwirksam zu erklären.

Sollte versucht werden, die Kündigung durch einen Aufhebungsvertrag zu umgehen, droht ebenfalls eine Sperrfrist, da die Agentur für Arbeit davon ausgeht, dass Sie die Arbeitslosigkeit selbst herbeigeführt haben.


Kündigung wegen Diebstahls am Arbeitsplatz? Jetzt zum Rechtsanwalt!

Wurden Sie wegen eines Diebstahls am Arbeitsplatz gekündigt oder steht eine solche Kündigung kurz bevor, ist es ratsam, sich den Rat eines erfahrenen Rechtsanwalts zu suchen. Gerade bei Bagatelldiebstählen gibt es einige Punkte, die durch eine gute rechtliche Verteidigung aufgegriffen werden können. Dem Arbeitgeber gelingt es oft nicht, im Kündigungsschutzverfahren den Diebstahl zu beweisen. 

Auch sind oft Denunziationen unter Kollegen Ausgangspunkt einer Kündigung. Besonders in solchen Fällen wären Ansprüche auf Schadensersatz und Unterlassung gegen die Arbeitskollegen möglich. In jedem Fall ist eine genaue rechtliche Einzelfallprüfung erforderlich. Da eine Kündigung wegen Diebstahls am Arbeitsplatz weitreichende Folgen in finanzieller und strafrechtlicher Hinsicht haben kann, sollte der Betroffene nichts dem Zufall überlassen.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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