Kündigungsschutzklage: mehrmalige Durchführung eines bEM innerhalb eines Jahres

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Das LAG Düsseldorf hatte sich in einem kürzlich entschiedenen Fall (12 Sa 554/20) mit der Frage auseinanderzusetzen, ob ein durchgeführtes betriebliches Eingliederungsmanagement (bEM) erneut durchzuführen ist, wenn der Arbeitnehmer nach dem ersten bEM innerhalb eines Jahres erneut sechs Wochen arbeitsunfähig erkrankt oder ob dies erst nach Ablauf eines Jahres erforderlich ist.

Was war geschehen?

In dem zu entscheidenden Fall stritten die Parteien über die Wirksamkeit einer ordentlichen, krankheitsbedingten Kündigung. Der Kläger war bei der Beklagten seit 2001 beschäftigt. Seit dem Jahr 2010 war dieser wiederholt arbeitsunfähig erkrankt und erhielt Entgeltfortzahlungen.

Am 05.03.2019 führte die Beklagte aufgrund der anhaltenden Kurzerkrankungen des Klägers ein bEM durch. Am 26.02.2020 kündigte die Beklagte dem Kläger krankheitsbedingt. Gegen diese Kündigung richtete sich der Kläger mit einer Kündigungsschutzklage.

Fragestellung:

Im Rahmen dieses Kündigungsschutzprozesses war insbesondere streitig, ob die Beklagte vor dem Ausspruch der Kündigung erneut ein bEM hätte durchführen müssen. § 167 Abs. 2 SGB IX bestimmt, dass ein bEM durchzuführen ist, wenn der Arbeitnehmer innerhalb eines Jahres mehr als sechs Wochen arbeitsunfähig erkrankt ist. Unstreitig war seit Durchführung des bEM am 05.03.2019 seit Ausspruch der Kündigung am 26.02.2020 noch kein Jahr abgelaufen.

Entscheidung:

Das LAG entschied, dass die Beklagte vor Ausspruch der Kündigung erneut ein bEM hätte durchführen müssen. Hierzu führt es aus:

„Der Arbeitgeber muss gem. § 167 Abs. 2 SGB IX nach einem durchgeführten bEM erneut ein bEM durchführen, wenn der Arbeitnehmer nach Abschluss des ersten bEM innerhalb eines Jahres erneut länger als sechs Wochen ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig wird.

Der Abschluss eines bEM ist dabei der Tag „Null“ für einen neuen Referenzzeitraum von einem Jahr. Ein „Mindesthaltbarkeitsdatum“ hat ein bEM nicht. Es ist erneut durchzuführen, wenn der Beschäftigte nach Abschluss des bEM bzw. der Umsetzung des beschlossenen Maßnahmen wieder länger als sechs Wochen arbeitsunfähig war. Eine Begrenzung der rechtlichen Verpflichtung auf eine nur einmalige Durchführung des bEM im Jahreszeitraum des § 167 Abs. 2 S. 1 SGB IX lässt sich dem Gesetz nicht entnehmen.“

Da ein erneutes bEM nach Abschluss des ersten bEM im Jahr 2019 nicht durchgeführt wurde, erachtete das LAG die Kündigung als unwirksam und die Klage des Arbeitnehmers, wie auch schon das Arbeitsgericht Düsseldorf in erster Instanz, als begründet.

Das LAG ließ die Revision zum Bundesarbeitsgericht mit folgender Begründung zu:

Das LAG begründete diese Auslegung des § 267 Abs. 2 S. 1 SGB IX insbesondere mit dem Zweck des bEM. Zweck des bEM ist die Gesundheitsprävention am Arbeitsplatz. Mit Hilfe des bEM soll die bestehende Arbeitsunfähigkeit überwunden und das Arbeitsverhältnis möglichst dauerhaft gesichert werden.

Mit diesem Schutzzweck sei es nicht vereinbar, wenn erst nach Ablauf eines Jahres ein neuer Zeitraum beginnt, in welchem der Beschäftigte nach einer erneuten Arbeitsunfähigkeit Anspruch auf ein bEM hat.

Fazit:

Die Durchführung eines bEM ist zwar keine formelle Voraussetzung für eine wirksame krankheitsbedingte Kündigung. Da eine Kündigung nach dem ultima-ratio-Prinzip jedoch stets die letzte Möglichkeit sein muss, konkretisiert § 167 Abs. 2 SGB IX insofern den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Das bEM dient folglich dazu herauszufinden, ob es ein milderes Mittel als eine Kündigung gibt.

Das bEM spielt im Rahmen von krankheitsbedingten Kündigungen folglich eine wichtige Rolle, da die Nichtdurchführung gegebenenfalls zur Unwirksamkeit der Kündigung führen kann, sollte der Arbeitgeber sich nicht anders entlasten können.





LINDEMANN Rechtsanwälte

Rechtsanwalt Stephan Kersten

Fachanwalt für Arbeitsrecht

Foto(s): LINDEMANN Rechtsanwälte

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