Kurz und knapp: Wie läuft ein Strafverfahren ab?
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Wer im Fokus der Ermittlungsbehörden ist, befindet sich in einer Ausnahmesituation und kann schnell einmal den Kopf verlieren: Was passiert hier überhaupt mit mir? Wie geht es eigentlich weiter und an welcher Stelle sollte ich einen Anwalt einschalten? Ein kurzer Guide für eine schnelle Übersicht.
Ermittlungsverfahren
An erster Stelle steht immer das Ermittlungsverfahren, welches durch einen sogenannten Anfangsverdacht gegen den Verdächtigen eingeleitet wird. Ein solcher Anfangsverdacht ist gegeben, wenn zureichende Anhaltspunkte für die Begehung einer Straftat vorliegen. Dieser Begriff ist relativ weit gefasst. Wenn Sie bei einer Verkehrskontrolle beispielsweise von der Polizei angehalten werden und es riecht aus dem Auto nach Alkohol, ließe sich unter Umständen eine Trunkenheitsfahrt annehmen, es besteht zumindest die Möglichkeit (genauso wie auch die Möglichkeit besteht, dass es einfach nur die massive Fahne Ihres Beifahrers ist, die durch den gesamten PKW strahlt). Den Ermittlungsbehörden kommt hier ein gewisser Einschätzungsspielraum zu, der je nach Beurteilung der Gesamtsituation enger oder weiter ist (wurden möglicherweise Schlangenlinien gefahren?). Wenn ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wird, sind Sie Beschuldigter; dies kann viel, muss aber noch gar nichts heißen, da Verdachtsmomente auch immer entkräftet werden können und Sie hierfür noch nicht für irgendetwas zur Rechenschaft gezogen werden. Es ist dennoch wichtig zu wissen, da dem Beschuldigten aufgrund möglicher Eingriffe durch Ermittlungsmaßnahmen in seine Grundrechte (hier zum Beispiel durch einen drohenden Eingriff in die körperliche Unversehrtheit durch einen Nadelstich) einige wichtige Rechte zustehen, wie etwa das besonders wichtige Recht zu schweigen, von dem Sie ausnahmslos immer(!) Gebrauch machen sollten. Nachteile können Ihnen hieraus nicht erwachsen. Insoweit gilt immer und jederzeit: Reden ist Silber – Schweigen ist Gold.
Sollte sich der Anfangsverdacht im Laufe der Ermittlungen zu einem sogenannten hinreichenden Tatverdacht verdichten, dann wird gegen Sie durch die Staatsanwaltschaft Anklage erhoben (oder aber ein Strafbefehl beantragt). Von einem hinreichenden Tatverdacht spricht man, wenn die Staatsanwaltschaft nach Abschluss der Ermittlungen mit überwiegender Wahrscheinlichkeit davon ausgeht, Ihnen die Tat nachweisen und eine Verurteilung erreichen zu können. Anderenfalls wird das Verfahren eingestellt – entweder, weil man nicht genügend Beweise hat, oder aber weil sich herausstellt, dass das, was man Ihnen vorwirft, rechtlich gesehen vollkommen legitim ist.
Sollten Sie in unserem kleinen Beispielsfall durch eine lallende Aussprache den Polizeibeamten zu erkennen gegeben haben, dass Sie vor Fahrtantritt möglicherweise nicht nur Ihr Auto aufgetankt haben, werden Sie mit weiteren Maßnahmen wie etwa einer Blutentnahme zu rechnen haben. Ist diese positiv (und damit für Sie negativ), wird man einen hinreichenden Tatverdacht annehmen können. Die Staatsanwaltschaft erhebt sodann Anklage beim zuständigen Gericht.
Zwischenverfahren
Vom nächsten Schritt bekommt man in aller Regel nicht allzu viel mit: Das zuständige Gericht prüft vor Zulassung der Anklage nochmals aus seiner Warte das Vorliegen eines hinreichenden Tatverdachts, es handelt sich sozusagen um einen weiteren „Filter“. Es ist scharf zu kritisieren, dass das später entscheidende - eigentlich neutrale und unvoreingenommene - Gericht hierdurch also bereits im Vorfeld verlautbaren lässt, wie es die Angelegenheit beurteilt.
Erfahrungsgemäß wird das Meiste hier mehr oder weniger durchgewunken, nur selten werden Anklagen zurückgewiesen und Verfahren nicht eröffnet. In vereinzelten Fällen kann es sich je nach Aktenlage zwar noch anbieten an dieser Stelle zu intervenieren und dem Gericht darzulegen, warum ein hinreichender Tatverdacht gerade nicht vorliegt; meistens macht es aber mehr Sinn, die Füße still zu halten und nicht bereits alle Pfeile aus dem Köcher zu ziehen – dies führt am Ende häufig nur dazu, dass der Gegner weiß, womit man schießt.
Wenn der Richter im Fortgang unseres Beispiels also die Akten genauso bewertet wie die Staatsanwaltschaft, wird das Hauptverfahren eröffnet. Erst dann ist der Beschuldigte auch Angeklagter.
Hauptverfahren
Nun erfolgt die Hauptverhandlung, deren Ablauf sich auf das Wesentliche verkürzt in folgenden Punkten festhalten lässt:
- Aufruf der Sache
- Vernehmung des Angeklagten zur Person
- Verlesung der Anklageschrift durch den Staatsanwalt
- Vernehmung der Angeklagten zur Sache
- Beweisaufnahme
- Plädoyers und letztes Wort
- Urteil
Und jetzt nochmal etwas verständlicher in Satzform: Nachdem formal der Termin begonnen hat und festgestellt wurde, dass alle Leute, die da sein sollen auch da sind, werden Sie zu Ihren Personalien und Lebensumständen befragt. Dies ist der einzige Punkt, an dem Sie zwingend sprechen oder, wenn alles soweit korrekt ist, auch nur kurz abnicken müssen. Danach liest der Staatsanwalt oder die Staatsanwältin vor was Sie verbrochen haben sollen, bevor Ihnen Gelegenheit gegeben wird, sich hierzu äußern. Hier können Sie Angaben machen, müssen dies aber nicht. Es steht Ihnen unbenommen, weiter zu schweigen, oder aber sich durch Ihren Anwalt zu äußern. Im Anschluss erfolgt die weitere Verhandlung dergestalt, dass Beweise eingeführt werden, etwa, in unserem Beispiel bleibend, die Blutprobe eingeführt oder aber die Polizisten als Zeugen vernommen werden. Wenn die Beweisaufnahme abgeschlossen ist, dürfen Anklage und Verteidigung noch einmal in abschließenden Plädoyers zu der Sache Stellung nehmen, Sie in Ihrem „letzten Wort“ im Übrigen auch. Es erfolgt sodann nach entsprechender Beratung die Urteilsverkündung.
Rechtsmittelverfahren und Vollstreckungsverfahren
Gegen das ergangene Urteil können Verteidigung oder Anklage – je nachdem, wem die Entscheidung nicht geschmeckt hat – innerhalb laufender Fristen Rechtsmittel einlegen, das heißt entweder Berufung (neue Tatsacheninstanz, im Prinzip wird alles noch einmal aufgerollt), oder aber Revision (das bereits bestehende Urteil wird lediglich auf seine rechtliche Korrektheit hin überprüft). Sollte der Instanzenzug abgeschlossen sein und es zu einer Verurteilung gekommen sein, schließt sich die sogenannte Vollstreckung an (Geld- bzw. Freiheitsstrafe).
Und was mache ich jetzt?
Als Betroffener in einem Strafverfahren soll dieser Kurzbeitrag nur die Struktur erläutern, um Klarheit über die einzelnen (möglichen) Verfahrensstadien zu bekommen – dies ist wichtig, um Ruhe zu bewahren und überlegt den nächsten Schritt ergreifen zu können. Dieser sollte es im Regelfall sein, einen Rechtsanwalt zu kontaktieren; am besten einen Fachanwalt für Strafrecht und im Idealfall einen, der tagein tagaus nichts anderes macht. Dieser wird Ihnen im weiteren Verlauf beistehen und sich individualisiert nach erfolgter Akteneinsicht um die bestmögliche Verteidigung bemühen, welche nicht zwangsläufig (nur) darin besteht, ein flammendes Abschlussplädoyer in der Hauptverhandlung zu halten, sondern bereits im Vorfeld des Gerichtstermins aktiv zu werden und einen solchen vielleicht auch zu verhindern. So kann etwa durch die jeweiligen Schritte im Ermittlungsverfahren gegebenenfalls ein Tatverdacht bereits entkräftet werden. Auch dann, wenn die Beweislage erdrückend erscheint und ein hinreichender Tatverdacht sich kaum klein reden lässt, können unter Umständen durch Stellungnahmen, Gegendarstellungen, Beweisanregungen oder ähnliche Verhaltensweisen gute Ergebnisse erzielt werden, so etwa auch die Einstellung wegen Geringfügigkeit oder gegen eine Auflage. Im Idealfall lässt sich ein strafrechtlicher Prozess also bereits im Ermittlungsverfahren ersticken und der Gang vor Gericht vermeiden. Dies ist absolut individuell und hängt immer vom jeweiligen Einzelfall ab.
Kontaktieren Sie mich direkt hier, auf meiner Website, oder telefonisch – gerne stehe ich Ihnen persönlich mit Rat und Tat zur Seite.

AS-Strafverteidigung
Adrian Schmid
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht
info@as-strafverteidigung.de
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