L´amours toujours und Ausländer raus - Weitestgehend Verfahrenseinstellungen

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Strandkorb mit der Beschriftung 88 - Symbolbild

Vor etwa einem Jahr erzeugten fragwürdige Gesänge auf der Ferieninsel Sylt großes mediales Aufsehen; auf den eigentlich friedvollen Songtitel des Künstlers Gigi D´Agostino wurde die rechtsextreme Parole "Deutschland den Deutschen - Ausländer raus" gesungen und avancierte damit zum fragwürdigen Sommerhit in einschlägigen Kreisen. Ein Mann hob dabei den rechten Arm und setzte zwei Finger auf die Oberlippe.  Nun hat die Staatsanwaltschaft Flensburg eingeleitete Ermittlungsverfahren gegen drei Beschuldigte eingestellt, gegen den Armheber wurde ein - milder - Strafbefehl beantragt. Was heißt das und wie kommt man zu diesen Ergebnissen?

Was für Straftatbestände standen im Raum?

Nach der Rechtsprechung kann die aus einer größeren Personengruppe heraus gegrölte Parole "Ausländer raus" grundsätzlich den Tatbestand der Volksverhetzung erfüllen. Diese wird als grundsätzlich dazu geeignet angesehen, zum Hass aufzustacheln und zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen gegen Teile der Bevölkerung aufzufordern (§ 130 Abs. 1 Nr. 1 StGB). Das gerade in diesem Kontext zu sehende Heben des rechten Armes unter Andeutung eines Hitler-Bärtchens kann als Verwenden verfassungswidriger Kennzeichen gesehen werden (§ 86a Abs. 1 Nr. 1 StGB).


Wie kam es zur Einstellung der Ermittlungsverfahren?

Ein Ermittlungsverfahren wird eingeleitet, wenn ein sogenannter "Anfangsverdacht" vorliegt, das heißt die Begehung einer Straftat zumindest als möglich erscheint. Man ist sodann als Beschuldigter im Fadenkreuz der Staatsanwaltschaft und hat aufgrund drohender Grundrechtseingriffe entsprechende Rechte, die man auch nutzen sollte

Ein solches Ermittlungsverfahren kann zu einer Anklage, einem Strafbefehl, oder auch einer Einstellung des Verfahrens führen. Hier wurden die Verfahren mangels hinreichenden Tatverdachtes eingestellt, weil eine Bewertung des Sachverhaltes seitens der Staatsanwaltschaft zu dem Ergebnis führte, dass eine Anklage mutmaßlich nicht zu einer Verurteilung führen würde (§ 170 Abs. 2 StPO). Hierzu wurde ausgeführt, dass die Parolen weder ihrem Inhalt nach, noch nach den Gesamtumständen den zweifelsfreien Rückschluss darauf zuließen, dass gegen Ausländer eine aggressive Missachtung und Feindschaft erzeugt oder gesteigert werden sollte. Dies kann man durchaus anders sehen - man wird hier die Auffassung vertreten haben, dass es sich bei den Beschuldigten nicht um einschlägig bekannte Rechtsextreme, sondern um grundsätzlich wohlsituierte junge Leute gehandelt hat, die im Alkohol- und Feierrausch - zwar in empörungswürdiger Art und Weise, aber nicht aus ausländerfeindlicher bzw. politisch überzeugter Gesinnung heraus - gehandelt haben, sondern vielmehr im jugendlichen Leichtsinn und geschmacklos gefeiert haben. Dies wäre zumindest mein Ansatz als Verteidiger bei Durchsicht der Videos gewesen und bleibt auch die einzige Erklärung, um die verblieben Zweifel an einer zu Hass und Gewalt aufstachelnden Aktion zu erklären. 

Im diesen Sinne erscheint die Entscheidung durchaus vertretbar, denn: Nicht alles, was falsch und schlecht ist, muss auch gleich strafbar sein. Hier hat die Verteidigung gute Arbeit geleistet. Das dürfte an vielen Stellen aber anders gesehen werden: Ebenfalls vertretbar und mit dem Rechtsempfinden der Öffentlichkeit womöglich besser in Einklang zu bringen gewesen wäre es aus neutraler Sicht daher gewesen, das Verfahren nicht wegen fehlenden Tatverdachtes einzustellen, sondern erst gegen Erbringen einer Auflage, welche etwa in Form einer Geldzahlung bzw. gemeinnütziger Arbeitsstunden hätte erbracht werden können und das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung beseitigt hätte (§ 153a StPO). Hier erhalten Sie weitere Informationen, wann ein Strafverfahren aus welchen Gründen eingestellt werden kann.


Wie kam es zum Strafbefehl?

Das offensichtliche Zeigen des Hitlergrußes stellt hingegen ein offensichtliches Verwenden verfassungswidriger Kennzeichen dar und lässt sich nicht mehr juristisch wegreden - auch wenn es die Verteidigung auf eine interessante Art dennoch versucht hat, was sich recht unterhaltsam liest: Es habe sich hiernach nicht um einen Hitlergruß, sondern um eine "fließende Tanzbewegung mit Winkbewegung nach vorn und zur Seite" gehandelt, wobei die zwei Finger nur "rein zufällig" über die Oberlippen gelegt worden seien. Die Begründung dürfte zu einigen Schmunzlern geführt haben, zumal gleichzeitig - meines Erachtens inkonsequent, wenn man schon diesen Ansatz wählt - von einem "parodistischen Moment" die Rede gewesen ist. Was nun: Zufall, oder Parodie? Nicht sehr überzeugend.

Das Verhalten war demnach unausweichlich zu sanktionieren, wobei selbst bei einem hinreichenden Tatverdacht nicht zwangsläufig eine Anklage erhoben werden muss. Vielmehr kann - wie hier geschehen - bei entsprechend einfach gelagerten Sachverhalten auch ein Strafbefehl erlassen werden, der - vergleichbar zu einem Bußgeldbescheid, wenn man geblitzt wurde - eine Bestrafung in Briefform darstellt, ohne dass es zwangsläufig zu einer gerichtlichen Verhandlung kommt. In der Regel hat man dann, solange man gegen den Strafbefehl keinen Einspruch einlegt, eine Geldstrafe zu bezahlen. Hier kam es, wahrscheinlich wiederum aufgrund der Gesamtbetrachtung und Einschätzung einer geschmacklos feiernden, aber nicht böswilligen Meute junger Leute, zu einer sehr milden Bestrafung, nämlich einer bloßen Verwarnung unter Strafvorbehalt (§ 59 StGB). 

Dieser Strafbefehl wurde aber bislang erst von der Staatsanwaltschaft beantragt und muss durch das Gericht erst noch erlassen werden. Teilt das Gericht die Auffassung der Staatsanwaltschaft nicht bzw. sieht sich der Mann dennoch ungerecht behandelt, so könnte es hier aber tatsächlich im weiteren Fortgang noch zu einer Verhandlung kommen. Wie der Gang eines Verfahrens üblicherweise vonstatten geht, lesen Sie bei Interesse hier.

Was lässt sich für die Zukunft ableiten?

  1. Prinzipiell: Nichts. Es lässt sich lediglich der allgemeine Rückschluss ziehen, dass es sich bei Äußerungsdelikten wie zumeist um interpretationsbedürftige, im Kontext der Tatsausführung zu betrachtende Tatbestände handelt, die je nach Sachverhaltskonstellation zu verschiedensten Ergebnissen führen können - Oberlandesgerichte haben bei inhaltlich ähnlich gelagerten Sachverhalten bereits anders entschieden. 
  2. Ein offensichtlicher Hitlergruß ist kaum einer anderweitigen Interpretation zugänglich. Und vielleicht noch folgende Erkenntnis: Es wird sich in absehbarer Zeit wohl auch kein Modetanz etablieren, der "fließende Winkbewegungen nach vorn und zur Seite" zum Gegenstand haben wird. 


Sind auch Sie Beschuldigter in einem Ermittlungsverfahren? Als ausschließlich in seinem Kerngebiet tätiger Fachanwalt für Strafrecht verteidigt Sie Adrian Schmid sowohl bei politischen Strafvorwürfen als auch bei Ermittlungen jedweder anderer Couleur. Kontaktieren Sie ihn hier.



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Adrian Schmid

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