Leitfaden Kündigungsschutzprozess

  • 5 Minuten Lesezeit

Nachfolgend informiere ich über den wesentlichen Ablauf einer Kündigungsschutzklage vor den Arbeitsgerichten. 

1. Verhaltensregeln vor Erhalt der Kündigung 

Oftmals versuchen Arbeitgeber die Risiken einer Kündigungsschutzklage zu umgehen, indem Sie den Arbeitnehmer dazu bringen/nötigen, einen Aufhebungsvertrag zu unterschreiben.

Achtung: Unterschreiben Sie niemals ohne vorherige anwaltliche Prüfung einen solchen Aufhebungsvertrag! Es drohen erhebliche Nachteile. So können zum Beispiel Kündigungsfristen im Aufhebungsvertrag verkürzt werden. Weiter werden Sie von der Arbeitsagentur eine Sperrfrist für das Arbeitslosengeld I von drei Monaten erhalten.

Nach anwaltlicher Beratung lässt sich meist zumindest noch eine Abfindungszahlung und andere Vorteile (w.z.B. ein gutes Arbeitszeugnis) herausholen. Entgegen der weit verbreiteten Meinung besteht auch kein zweiwöchiges Widerrufrecht. Einzige Möglichkeit wäre die Anfechtung des Aufhebungsvertrages wegen arglistiger Täuschung bzw. widerrechtlicher Drohung. Ein entsprechender Nachweis lässt sich jedoch zumeist nicht führen.


2. Was tun nach Erhalt der Kündigung?

Das Wichtigste: Es bleiben nur 3 Wochen Zeit, sich mit einer Kündigungsschutz-klage gegen eine Kündigung zu wehren. Wer nicht klagt oder die Frist verpasst, akzeptiert automatisch die Kündigung. Sie gilt dann rechtlich als wirksam, unabhängig von tatsächlichen Fehlern. Ausnahmen von der Drei-Wochen-Frist bestehen nur wenige, zum Beispiel wenn sich eine Schwangerschaft erst später herausstellt, oder wenn die Frist unverschuldet versäumt wurde und unverzüglich ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt wird. Die Frist beginnt im Übrigen auch zu laufen, wenn das Kündigungsschreiben während Krankheit oder Urlaubs zugestellt wird.

Achtung: Teilen Sie bitte bei Ihrem ersten Anruf in der Kanzlei sofort mit, dass Sie eine Kündigung erhalten haben. Aufgrund der kurzen Klagefrist sind unsere Mitarbeiter angehalten Ihnen sehr kurzfristig einen Besprechungstermin zu geben. Dies notfalls auch außerhalb der regulären Öffnungszeiten.

Achtung: Auch wenn Sie und/oder wir die Kündigung für rechtswidrig halten: Zeigen Sie die Kündigung dennoch unverzüglich bei der Arbeitsagentur an.


Keine Angst vor Kosten: Gerade nach Erhalt einer Kündigung mache sich die Mandanten oft sorgen über die Finanzierung des Prozesses. Besteht keine Rechtsschutzversicherung, so prüfen wir die Möglichkeit der Kostenübernahme durch den Staat über das Institut der Prozesskostenhilfe.


3. Prüfung der Wirksamkeit der Kündigung

Für eine erste anwaltliche Beratung nach einer Kündigung sollten Sie der Anwaltskanzlei für eine Erstberatung folgende Unterlagen zur Verfügung stellen:

  • Arbeitsvertrag
  • Letzte Lohnabrechnung
  • Kündigungsschreiben

Im Erstgespräch kann dann die Kündigung auf etwaige Formfehler überprüft werden. Diese Prüfung umfasst insbesondere folgende Punkte:

  • Wurde die Schriftform gewahrt?
  • Wurden gesetzliche, tarifvertragliche und einzelvertragliche Kündigungsfristen beachtet?
  • Erfolgte die Kündigung mit richtigem Briefkopf?
  • Wurde die Kündigung von einem Dienstvorgesetzten unterschrieben?
  • Wurde der Betriebsrat angehört?
  • Besteht ein Kündigungsverbot? (z.B. Schwangerschaft, Betriebsratsmitglied, Betriebsübergang etc.)
  • Bei Schwerbehinderung: Liegt die Zustimmung des Integrationsamtes/Inklusionsamtes vor?
  • Wurde die Kündigung begründet? (Die Begründung kann allerdings auch im Prozess vom Arbeitgeber noch wirksam nachgeholt werden)

Weiter klären wir Sie über den allgemeinen Kündigungsschutz gemäß KSchG auf. Dieses Gesetz gilt ab einer Betriebszugehörigkeit von 6 Monaten und einer Betriebsgröße von mehr als 10 Mitarbeitern. Innerhalb des Anwendungsbereiches des KSchG sind Kündigungen nur in folgenden Fällen zulässig:

  • Verhaltensbedingt (meist vorherige Abmahnung erforderlich)
  • Personenbedingt (z.B. Ungeeignetheit wegen Krankheit)
  • Betriebsbedingt (z.B. Stellenabbau wegen Auftragsmangels oder Rationalisierung)


4. Gütetermin

Das zuständige Arbeitsgericht bestimmt nach Klageerhebung schnell einen ersten "Gütetermin". Nach der gesetzlichen Regelung (§§ 61 a, 64 Abs. 8 ArbGG) sind Kündigungsschutzprozessebeschleunigt zu behandeln. IÜblicherweise werden Gütetermine daher bereits ca. 4 – 6 Wochen nach Klageeinreichung anberaumt. Sinn und Zweck dieses Termins ist es unter Moderation des Richters eine "gütliche" Lösung zu finden. Eine solche gütliche Lösung beinhaltet zumeist die Zahlung einer Abfindung (vgl. unten Ziffer 6).

Zu dem Termin müssen Sie nicht persönlich erscheinen. Der Termin kann allein vom Rechtsanwalt wahrgenommen werden. Wir empfehlen unseren Mandanten in der Regel von der Güteverhandlung fernzubleiben, um nicht von Fragen überrumpelt zu werden bzw. um nicht innerhalb weniger Minuten über die Annahme eines Vergleiches entscheiden zu müssen. Gelingt es im Termin einen akzeptablen Vergleich auszuhandeln, so schließen wir diesen Vergleich stets mit einer  Widerrufsfrist von 2 Wochen ab. Dies bedeutet, dass Sie dann eine Überlegungsfrist von 2 Wochen haben.

Wird ein Vergleich geschlossen, ist der Prozess beendet. Es sind dann auch keine Gerichtskosten zu bezahlen. Und: Beim Arbeitsgericht zahlt jeder seinen Anwalt selbst, also keine Angst vor einer Kostenerstattung an den Ex-Chef!


5. Verfahrensablauf nach erfolglosem Gütetermin

Kommt in der Güteverhandlung kein Vergleich zustande, so bekommt der Arbeitgeber eine Frist zur umfangreichen schriftlichen Begründung der Kündigung. Die Arbeitnehmerseite erhält ihrerseits eine Frist zur Stellungnahme auf die Begründung. Anschließend findet dann der Kammertermin mit einem hauptamtlichen Richter und zwei Beisitzern statt. Dieser Termin findet meist ungefähr ca. 6 Monate nach dem Gütetermin statt. Auch in diesem Termin kann noch ein Vergleich geschlossen werden. Ansonsten muss das Gericht (unter Umständen nach Anhörung von Zeugen und Würdigung anderer Beweismittel) über die Rechtmäßigkeit der Kündigung durch Urteil entscheiden. Zu dem Kammertermin werden Arbeitnehmer und Arbeitgeber meist persönlich geladen und vom Gericht angehört. Unmittelbar nach dem Kammertermin ergeht dann das Urteil.


6. Abfindung

Eine Abfindung gibt es per Gerichtsurteil grundsätzlich nicht - dafür muss man vorher einen Vergleich schließen. Denn das Gericht hat letztlich nur über die Wirksamkeit oder Unwirksamkeit der Kündigung zu entscheiden. Auch wenn es nervlich für gekündigte Mitarbeiter schwer fällt: Die Zeit spielt gegen den Arbeitgeber. Denn: Verliert der Arbeitgeber den Kündigungsschutzprozess, muss er dem Arbeitnehmer den seit der Kündigung angefallenen Lohn bezahlen (sog. „Annahmeverzugslohn“).

Wer die Nerven behält, die Drohung "dann komme ich wieder zurück und arbeite weiter" erfolgreich durchhält, kann meist eine hohe Abfindung herausschlagen. Je länger der Gerichtsprozess dauert, umso mehr steigt das Kostenrisiko des Arbeitgebers. Wirtschaftlich denkende Unternehmen zahlen dann lieber eine Abfindung. Die Abfindung ist völlig frei zu verhandeln. Als Faustformel gilt: Bruttomonatsgehalt mal Jahre der Betriebszugehörigkeit mal Risikofaktor. Dieser Risikofaktor wird oftmals mit 0,5 angesetzt. Vor dem Arbeitsgericht Nürnberg werden von den Richtern oft 0,33 als Faktor vorgeschlagen.


7. Besonderheiten für leitende Angestellte

Für Führungskräfte sind Besonderheiten zu beachten. Als Vorstand oder Geschäftsführer sind sie regelmäßig kein Arbeitnehmer, sondern Organ. Hier gelten andere Spielregeln. Das Kündigungsschutzgesetz ist nicht anwendbar. Ein Schutz Geschäftsführer bei Kündigungen kann jedoch in Ausnahmefällen gegeben sein.

Auch wenn Sie kein Geschäftsführer, sondern „nur“ leitender Angestellter sind, gelten Besonderheiten. Im Wesentlichen hängt dies davon ab, ob Sie in Ihrer Firma die Befugnis zum Einstellen und Ausstellen von Mitarbeitern hatten. Bei der Bewertung kommt es nicht nur auf den Arbeitsvertrag an, sondern auch auf die tatsächlichen Befugnisse.

Sollten sie echter Leitender Angestellter sein, kann der Arbeitgeber, auch wenn er den Prozess verliert, einen sogenannten Auflösungsantrag stellen. Dann wird das Arbeitsverhältnis durch das Gericht gegen Zahlung einer überschaubaren Abfindung aufgelöst. Es gibt dann in der Regel keine Möglichkeit sich wiede rin den Betrieb einzuklagen.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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