Lohnfortzahlung in Coronazeiten

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Das oben genannte Thema ist kompliziert und bedarf im Einzelfall einer konkreten Prüfung des zugrundliegenden Sachverhalts.


Im Zusammenhang mit dem Coronavirus sind zahlreiche Konstellationen denkbar, in denen Arbeitnehmer* nicht im Betrieb arbeiten können und bei denen sich die Frage stellt, ob und wieweit der Arbeitgeber zur Lohnfortzahlung verpflichtet ist.

Dabei wird nicht nur zwischen geimpften und ungeimpften Arbeitnehmern unterschieden, sondern auch zwischen symptomatischen und asymptomatischen Krankheitsverläufen. Warum für die Beurteilung auch das Urlaubsziel des Arbeitnehmers eine Rolle spielen, erfahren sie in der folgenden groben Übersicht der aktuellen Rechtslage.

*Gemeint sind Beschäftigte jeder Geschlechtsidentität. Lediglich zum Zwecke der leichteren Lesbarkeit wird künftig bei allen Bezeichnungen nur noch die grammatikalisch männliche Form verwendet.

Infiziert ist nicht gleich krank

Grundsätzlich regelt § 3 Abs. 1 des Entgeltfortzahlungsgesetzes (EntgFG) im Krankheitsfall den Anspruch auf Entgeltfortzahlung durch den Arbeitgeber. Viele Covid19 Infektionen verlaufen mild oder sogar komplett symptomfrei. Liegt ein symptomfreier Verlauf vor, der den Arbeitnehmer unter normalen Umständen nicht daran gehindert hätte seine Arbeitsleistung zu erbringen, ist § 3 EntgFG nicht anwendbar, schließlich ist der Arbeitnehmer dann nicht „krank“.

Müssen asymptomatische Covid19-Infizierte somit auf jeglichen Lohnfortzahlungsanspruch verzichten?

Nein! In solchen Fällen gilt nämlich § 56 Abs. 1 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG).

Danach haben Corona-Positive Arbeitnehmer Anspruch auf eine Entschädigung, wenn sie einem Arbeitsverbot unterliegen. Ein solches geht als infektionsschutzrechtliche Maßnahme meist mit einer Infektion einher.

Bei Arbeitnehmern hat der Arbeitgeber für die Dauer des Arbeitsverhältnisses, längstens für sechs Wochen, die Entschädigung für die zuständige Behörde auszuzahlen, § 56 Abs. 6 IfSG. Die ausgezahlten Beträge werden dem Arbeitgeber auf Antrag von der zuständigen Behörde erstattet.

Lohnfortzahlung auch bei „bloßer“ Quarantäne?

Fraglich ist ob dies auch gilt, wenn der Betroffene gar nicht an Corona erkrankt ist, aber aus anderen Gründen eine Quarantäneanordnung erhält. Hierbei kann es durchaus eine Rolle spielen, ob der Arbeitnehmer gegen Covid19 geimpft wurde, oder nicht.

Wenn dem Arbeitnehmer durch eine Quarantäneanordnung verboten wird die Wohnung zu verlassen, wird ihm die Erbringung seiner Arbeitsleistung, sofern er sie anderswo zu erbringen hat, unmöglich gemacht.

Liegt Unmöglichkeit vor, entfällt für den Arbeitgeber grundsätzlich nach § 326 Abs. 1 BGB die Vergütungspflicht. Im Arbeitsverhältnis gilt der Grundsatz „Ohne Arbeit kein Lohn“, wenn nicht besondere Tatbestände auch in diesem Fall eine Vergütungspflicht vorsehen.

§ 3 EntgFG käme als Sondertatbestand zwar in Betracht, ist aber nur dann anwendbar, wenn der Betroffene symptomatisch erkrankt und deshalb arbeitsunfähig ist. Eine Quarantäne alleine ist aber keine Krankheit, insofern verbietet sich bei „bloßer“ Quarantäneanordnung eine Anwendung der Vorschrift.

Vielmehr gilt in einem solchen Fall § 616 BGB, der den Vergütungsfortsetzungsanspruch im Dienstvertragsrecht regelt, aber auf die Entgeldfortzahlung des Arbeitnehmers anwendbar ist.

Für die Anwendung bedarf es eines unverschuldeten, persönlichen Leistungshindernisses hinsichtlich der Erbringung der Arbeitsleistung. Dieses darf dabei nur für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit bestehen. Liegen diese Voraussetzungen vor, behält der zur Dienstleistung Verpflichtete seinen Anspruch auf die Vergütung.

Die Quarantäne stellt hierbei als personenbezogener Gefahrenverdacht das persönliche Leistungshindernis dar.

Was eine „verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit“ ist, ist immer eine Einzelfallentscheidung. Eine generalisierende Festlegung auf eine feste Anzahl von Tagen ist hier nicht möglich. Die Höchstdauer kann zwischen 10 und 14 Tage betragen. Das entspricht ungefähr der gewöhnlichen Dauer einer Quarantäneanordnung. Insofern könnten Arbeitnehmer sich im Quarantänefall auf § 616 BGB berufen und Entgeldfortzahlung verlangen.

Andere Regeln für Ungeimpfte?

Eine Frage die sich in diesem Zusammenhang stellt ist, ob das gleiche auch für Personen gilt, die als ungeimpfte Kontaktpersonen in Quarantäne müssen.

Gemäß der Bund-Länder-Beschlüsse vom 7. und 24. Januar 2022 sind nur vollständig geimpfte, geboosterte, und genesene Personen von der Quarantänepflicht für Kontaktpersonen befreit. Für ungeimpfte bzw. unzureichend geimpfte Personen gilt somit eine grundsätzliche Quarantänepflicht bei Kontakt mit Infizierten.

Wenn eine ungeimpfte Person als Kontaktperson in Quarantäne muss, stellt sich im Rahmen von § 616 BGB die Frage, ob sie ein Verschulden an dem Leistungshindernis trifft. Bei der Annahme eines Verschuldens wäre der Anspruch ausgeschlossen.

Lässt sich die Verweigerung einer Impfung gegen Corona als ein solcher grober Verstoß gegen das von einem verständigen Menschen im eigenen Interesse zu erwartende Verhalten, dessen Folgen auf den Arbeitgeber abzuwälzen unbillig wäre, bewerten? Grundsätzlich handelt es sich bei der Frage, ob man sich impfen lässt um eine persönliche Entscheidung.

Als Maßstab für das Verschulden wird dabei häufig auf § 56 Abs. 1 S. 3, 4 IfSG verwiesen. Danach kann derjenige keine Entschädigung erhalten, wer durch Inanspruchnahme einer Schutzimpfung, die gesetzlich vorgeschrieben ist oder im Bereich des gewöhnlichen Aufenthaltsorts des Betroffenen öffentlich empfohlen wurde, ein Verbot in der Ausübung seiner bisherigen Tätigkeit oder eine Absonderung hätte vermeiden können. 

Eine Frage der Kausalität?

Wenn man davon ausgeht, dass sich auch viele geimpfte Menschen mit Covid19 infizieren, so zum Beispiel bei der aktuellen Omikron-Variante, macht es keinen Unterschied ob man als ungeimpfter oder geimpfter Infizierter in Quarantäne muss. Insofern lässt sich in einem solchen Fall schwerlich eine Ursächlichkeit (Kausalität) der Nichtimpfung für eine Infektion annehmen. Damit würde man auch zu keinem Verschulden gelangen können.

Etwas anderes soll aber für die Quarantäne von Kontaktpersonen ohne Infektion gelten, schließlich hätte diese Quarantäne mit einer Impfung verhindert werden können.

So soll es dem Arbeitgeber beispielsweise nicht zumutbar sein, weiterhin den Lohn für einen Arbeitnehmer zu bezahlen, der mangels Impfung regelmäßig in Quarantäne muss. Berühmtestes Beispiel für einen solchen Fall war Josua Kimmich, ungeimpfter Profifußballspieler des FC Bayern München, der aufgrund mehrerer Quarantänen wochenlang ausfiel. Hier würde das Interessenverhältnis zwischen den Parteien zu sehr aus dem Gleichgewicht geraten.

Das Eingehen eines Risikos für die eigene Gesundheit durch eine Nichtvornahme einer Schutzimpfung, steht Jedem frei. Er soll dieses Risiko aber nicht auf dem Rücken des Dienstleistungsberechtigten/Arbeitgebers austragen.

Bestand eine medizinische Kontraindikation hinsichtlich der Impfung oder wird die Impfung aus anderen berechtigten Gründen nicht vorgenommen (z.B. Schwangerschaft), lässt sich selbstverständlich nicht mehr von einem Verschulden sprechen.

Sommerurlaub im Risikogebiet

Ein weiterer Faktor der für das Verschulden der Quarantäne eine Rolle spielen kann, ist ein vorheriger Aufenthalt in einem Corona-Risikogebiet und der teilweise damit verbundenen Quarantäne nach der Rückkehr.

Auch hier spielt die Imfpung wieder eine Rolle. In den meisten Fällen, können sich auch Ungeimpfte „freitesten“ und somit einer Quarantäne entgehen, es gibt aber Fälle in denen eine Testung frühestens fünf Tage nach Einreise vorgenommen werden darf, während Geimpfte und Genesene erst gar nicht in Quarantäne müssen.

Hier kommt es für die Beurteilung, ob ein Verschulden des ungeimpften Arbeitnehmers anzunehmen ist darauf an, ob die Reise „vermeidbar“ (z.B. touristisch) war und ob das Reisegebiet schon vor Antritt als solches ausgeschrieben war, für das bei Rückkehr eine Quarantäne drohte. Nimmt der Arbeitnehmer bewusst ein Risiko in Kauf und muss daraufhin tatsächlich in Quarantäne, verliert er seinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung. Auch hierbei wird auf § 56 Abs. 1, S. 3, 4 IfSG verwiesen, der einen Ausschluss der Entschädigung bei Antritt einer vermeidbaren Reise in ein Risikogebiet vorsieht.

§ 616 BGB vertraglich ausgeschlossen?

Es gilt auch zu überprüfen, ob der Arbeitsvertrag einen Ausschluss des § 616 BGB vorsieht. Die Bestimmung des § 616 BGB ist – anders als die meisten arbeitsrechtlichen Regelungen – nämlich vollständig abdingbar.

Krank in der Quarantäne?

Was passiert, wenn sich eine Covid19-Erkrankung die zur Arbeitsunfähigkeit im Sinne des § 3 EntgFG führt und eine Quarantäneanordnung überschneiden? 

Teilweise haben Arbeitgeber versucht sich von der Verpflichtung zur Entgeldfortzahlung freizumachen und haben Arbeitnehmer an die Gesundheitsbehörden verwiesen die nach dem IfSG für die Entschädigungszahlung zuständig wären.

Dass dies zumindest für die ersten 6 Wochen der Quarantäne unzulässig ist, wurde bereits zu Beginn dieses Beitrags geklärt. In dieser Zeit hat der Arbeitgeber den Lohn ohnehin für die Behörden an den Arbeitnehmer auszuzahlen.

Mittlerweile steht fest: Arbeitgeber sind im Falle einer Überschneidung von Krankheit und Quarantäne zur Entgeldfortzahlung verpflichtet und können sich in der Folge auch nicht nach dem IfSG bei den Behörden „schadlos“ halten.

§ 56 IfSG sei als Billigkeitsentscheidung subsidiär gegenüber anderen Lohnfortzahlungspflichten des Arbeitgebers. Ein Entschädigungsanspruch komme nur dann in Betracht, wenn der Verdienstausfall des Mitarbeiters einen unerheblichen Zeitraum überschreite. Ein solcher „Verdienstausfall“ im Sinne des § 56 Abs. 1 IfSG liege aber schon dann nicht vor, wenn der Arbeitgeber gemäß § 616 BGB oder § 3 EntgFG zur Lohnfortzahlung an seine Angestellten verpflichtet ist. Diese Vorschriften regeln gerade, dass der Lohanspruch bestehen bleibt und nicht „ausfällt“.


LINDEMANN Rechtsanwälte

Rechtsanwalt Stephan Kersten

Fachanwalt für Arbeitsrecht

Foto(s): LINDEMANN Rechtsanwälte

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